Treffen mit SchülernFünf Russen, die als Kinder nach Deutschland deportiert wurden
- Im Alter zwischen drei und fünf Jahren wurden die fünf Russen aus ihrer Heimatstadt Pskow von Deutschen entführt und in deutsche Konzentrationslager gebracht.
- In der DRK-Akademie standen sie 30 Schülern der Gesamtschule Mechernich Rede und Antwort.
- Die Schüler waren von den Geschichten der Menschen mitgenommen.
Schleiden-Vogelsang – Noch immer werfen die dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte ihren Schatten bis in die heutige Zeit. Im Grunde ist es gut, dass es heute noch Menschen gibt, die aus eigenem Erleben von den Verbrechen der Nationalsozialisten berichten können.
Von Deutschen entführt und ins Konzentrationslager gebracht
Nun waren es fünf Russen, die im Alter zwischen drei und fünf Jahren aus ihrer Heimatstadt Pskow von Deutschen entführt und in deutsche Konzentrationslager gebracht wurden. In der DRK-Akademie standen sie 30 Schülern der Gesamtschule Mechernich Rede und Antwort.
Es ist bestimmt kein leichter Weg gewesen für Klaudia Juchina, Polina Tischetkowa, Alexandera Efimowa, Jurij Zimarew und Nikolaj Borowkow. Über ihre Gefühle, die sie damals hatten oder heute haben, ist ihnen kaum etwas zu entlocken. Doch bereitwillig erzählten sie ihre Lebensgeschichte und die grauenhaften Geschichten, die ihnen widerfahren sind. Es waren Berichte über hemmungslose Machtgier und enthemmte Brutalität, die die Zehntklässler aus der Eifel zu hören bekamen.
Auch Kleinkinder musste arbeiten
Von 9. Juli 1941 bis 23. Juli 1944 dauerte die deutsche Besetzung der Region Pskow. Eine Flucht war nicht möglich, berichteten sie. Alles sei viel zu schnell gegangen. Außerdem habe es ein viel größeres Problem gegeben: „Wo hätten wir hin gesollt?“, wie Zimarew fragte. Bis kurz vor Moskau rollte die deutsche Angriffsmaschinerie. In den besetzten Gebieten wurden „Ostarbeiter“, Männer, Frauen und Kinder, zusammengetrieben und nach Deutschland deportiert, um dort in Arbeitslagern zu schuften.
Auch die Kinder wurden nicht verschont. Ältere mussten Bürsten oder Brillen herstellen. Die Kleinkinder mussten leichte Arbeiten verrichten: Aufräumen, Kinder hüten oder Ähnliches. Für Blutspenden wurden sie mit einem Frühstück belohnt, wie Zimarew berichtete. Für jeden Regelverstoß mussten sie auf Erbsen knien, später auf grobem Salz.
Rund fünf Millionen Kinder wurden im Zweiten Weltkrieg verschleppt
Viele ihrer Familienmitgliedern wurden in diesen Jahren ermordet. Nach dem Krieg wurden die russischen Kriegsgefangenen als „Verräter“ in der Sowjetunion empfangen. Auch den Kindern ging es nicht besser. „Noch als ich später in die Rote Armee gehen wollte, riet mir ein Kommissar, der in meiner Straße wohnte, zu verschweigen, dass ich in Deutschland war“, erzählte Zimarew. Rund fünf Millionen Kinder, so die Zahlen des Roten Kreuzes aus Pskow, wurden im Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Sowjetunion verschleppt, um vernichtet oder als Arbeitssklaven missbraucht zu werden. Erst im Jahr 1990 wurde ihr Leid durch einen Beschluss des Ministerrats der Sowjetunion offiziell anerkannt.
Dass die fünf Überlebenden in Deutschland waren, war dem Kontakt des DRK-Kreisverband in Neuss und dem in Pskow zu verdanken. Da beide Städte seit 1990 eine Partnerschaft haben, haben auch die beiden Organisationen eine Zusammenarbeit beschlossen. Über den Landesverband des Jugendrotkreuzes kam der Kontakt nach Vogelsang zustande. Bereits in Neuss und Düsseldorf haben sich die Zeitzeugen den Fragen von Schülern gestellt.
„Setzt euch für Frieden ein“
Eine Nachbarin habe sie gefragt, warum sie nach Deutschland fahre, wenn sie von den Deutschen doch so gequält worden sei, berichtete Juchina. „Setzt euch für Frieden ein“, rief sie den deutschen Schülern zu. Die deutschen Kinder seien nicht schuld an den damaligen Ereignissen. „Wir müssen in Frieden leben“, forderte sie und lud die Schüler zum Gegenbesuch ein. „Wir Russen sind gastfreundlich“, sagte sie.
Alle Deutschen seien sehr gastfreundlich und offen, schilderten die fünf Zeitzeugen ihre Aufnahme in dem Land, das fast alle von ihnen zum ersten Mal nach den Jahren der Verschleppung besuchten. Überhaupt sei es sehr ordentlich und sauber.
„Es war ziemlich verstörend, das zu sehen“
Sichtlich beeindruckt waren die Zehnklässler kaum in der Lage, ihre vielen Fragen zu formulieren. Ob die Russen damals etwas von der Verfolgung der Juden mitbekommen hätten, wurde da gefragt. Zimarew bestätigte das. Bei ihnen in der Straße hätte ein jüdischer Schneider mit zwei Töchtern gelebt, der verschleppt wurde. „Wir haben uns oft gefragt, was aus ihm geworden ist, aber wir durften nicht fragen, das war verboten“, erinnerte er sich an damals. Obwohl kaum Emotionen bei den Schülern zu sehen war, fiel die Coolness nach der Veranstaltung von ihnen ab. „Es war ziemlich verstörend, das zu sehen“, sagte der 15-jährige Moritz. Er habe zwar in der Schule von diesen Ereignissen gehört, doch es sei etwas anderes, Menschen erzählen zu hören, die das erlebt hätten. „Mich hat das berührt“, sagte auch der 13-jährige Jan und Laurie (14) Jahre erklärte: „Ich fand das schön, dass sie so offen geredet haben.“