Nach der FlutDie nächsten Geschäfte in Gemünd sind wieder da
Schleiden-Gemünd – Schrittchen für Schrittchen kehrt das Geschäftsleben zurück nach Gemünd. Nach den ersten Eröffnungen im vergangenen Jahr und Anfang dieses Jahres sind nun drei Frauen mit ihren Läden (wieder) da. Und auf der Dreiborner Straße stehen weiterhin täglich die Handwerker-Fahrzeuge. Sie sind ein deutlich sichtbares Zeichen: Es geht voran. August, September peilen einige für ihre Eröffnungen an, etwa Jutta und Wolfgang Riecker mit ihrem Bekleidungsgeschäft „Red Eleven“, Udo Heck mit seiner Metzgerei – der Verkaufswagen ist so lange vor dem Geschäft zu finden – oder Ulrike Geuenich, die das Brauhaus betreibt.
Drei starke Frauen sind bereits wieder mit ihren Geschäften am Start:
Silke Altmann mit Mutausbruch und Konzept
Dass sie mal einen eigenen Laden haben will, steht für Silke Altmann schon zu Beginn ihrer Ausbildung im „Connection“ in Euskirchen fest. Nun, 30 Jahre später, ist es soweit. Im einstigen Schuhhaus Wilkin hat sie ihren stylishen Laden mit Wohnaccessoires, Schmuck, Kleidung und kleinen Geschenken – kurz: „allem, was schön ist“ – eingerichtet und ihn schlicht „Konzept Silke Altmann“ genannt.
In Gemünd ist sie seit 2011 aus dem „Laden“ bekannt, der nach der Flut nicht wiederaufgebaut wird. Für sie ist mit der Katastrophe der Moment gekommen, ihren Traum zu realisieren. „Gemünd ist Heimat. Ich liebe die Leute, möchte meinen Beitrag zum Wiederaufbau leisten und zeigen: Es geht weiter“, so die aus Harperscheid stammende Altmann. Anstatt dem Vergangenen hinterherzutrauern, hat sie sich im vergangenen Jahr mit der Gründung beschäftigt: das Ladenlokal gesucht und gefunden, die Einrichtung mit ihrem Mann Sascha konzipiert und umgesetzt, Firmen angefahren, Ware geordert ... und, und, und.
Daheim in Euskirchen, wo sie seit 16 Jahren lebt, hat sie im Februar mit dem Verkauf begonnen – an Freunde, Stammkunden und die Leute aus ihrem großen Netzwerk. Ihre Freunde freuen sich nun nicht nur mit ihr über den schicken Laden, sie haben ihr einen weiteren Traum erfüllt. Als sie vor zwei Jahren das Bild „Mutausbruch“ ihrer Freundin Silvia Decker gesehen habe, habe sie sich gewünscht, dass das irgendwann mal in ihrem Laden hängt. Doch als es mit dem Laden soweit war, reichte das Budget für das Bild nicht mehr. Also haben Altmanns Freunde zusammengelegt, damit das so symbolträchtige Bild tatsächlich das Geschäft zieren kann.
Heike Schnitzler und ihre Eifeler Leckereien
Seit 2008 ist Heike Schnitzler in Gemünd bekannt. Wer Leckereien aus der Region sucht, ist bei ihr richtig. Und wer Essig und Öl, Likör und Schnaps, Senf und Tee oder eine süße Nascherei verschenken möchte, kann sich das Ganze hübsch verpackt zu einem Eifelturm zusammenstellen lassen. Für ihr Eifel-Lädchen, das sie 2011 übernommen hat, hat sie nach der Flut zunächst die Hoffnung, recht schnell wieder eröffnen zu können.
Selbst die Fenster – „die wohl schlechtesten in der ganzen Straße“, wie sie lachend sagt – sind im Vergleich zu so vielen anderen nicht geborsten. Doch dann stellt sich heraus, dass der Boden im Gegensatz zur ersten Einschätzung doch raus muss. Und einen Monat später sind auch Fenster und Türen noch an der Reihe.
Schaufenster sind nun Pflicht
Die Sorge
Besorgt ist man in der Projektgruppe Wiederaufbau um den Beigeordneten Marcel Wolter um die Zukunft der Innenstädte in Gemünd und Schleiden gewesen. Handel, Gastronomie, Kultur – all das, was ein Städtchen ausmacht – sollten nicht mit der Flut dahin sein.
Der Plan
„Die Umnutzung in Wohnungen oder Büroeinrichtungen wird die Innenstädte mittel- und langfristig zu Wohngebieten verändern, sodass sich kleinere Städte mit Innenstädten zu größeren Dörfern entwickeln werden und ihren Aufenthalts- und Versorgungscharakter verlieren werden.“ Diese Befürchtung einer Verödung der Innenstädte hat Wolter dem Stadtrat in einer Präsentation skizziert – auch vor dem Hintergrund, dass die Stadt in den vergangenen Jahren viel Geld in die Innenstädte investiert hat. Die von ihm angeregte Satzungsänderung haben die Politiker beschlossen.
Die Bereiche
Festgelegt sind nun die Nutzungen der Erdgeschosse bis zu einer Tiefe von zehn Metern. Einzelhandel, Schank- und Speisewirtschaften sowie Anlagen für kulturelle und soziale Zwecke sind erlaubt. Und: Schaufenster dürfen nicht verbaut werden.In Gemünd gilt diese Regelung für Dreiborner Straße und Am Plan. In den Bereichen Aachener und Schleidener Straße sowie Eifel-Ardennen-Platz ist auch eine Wohnnutzung im Erdgeschoss zugelassen. In Schleiden gilt dies am Markt und am Alten Rathaus.
Frisches Grün
Die Beete in der Dreiborner Straße wurden ebenfalls von der Flut fortgespült. Nun ist wieder frisches Grün dort zu finden: Zehn große Kübel aus Cortenstahl mit frischem Grün zieren die Straße. Die Bepflanzung und Aufstellung hat die Gärtnerei Geschwind übernommen, die sich auch bereits um die Blumenkästen rund um den Nepomuk-Platz gekümmert hat.Für die Kübel-Variante hat man sich laut Bürgermeister Ingo Pfennings entschieden, um das Straßenbild kurzfristig verschönern zu können, aber trotzdem flexibel zu sein. Sollten die Kübel nämlich nicht zur endgültigen Gestaltung der Gemünder Innenstadt passen, können sie leicht versetzt und an einem anderen Standort weiterverwendet werden. (rha)
Ihre Stammkunden hat sie auch während der Sanierungsphase versorgt. Doch viele scheinen darauf gewartet zu haben, dass sie an ihren angestammten Platz zurückkehrt: Wie viele Kunden bei ihr alleine in der Eröffnungswoche ihre Essig- und Öl-Vorräte auffüllen ließen, hat sie gar nicht gezählt. Besonders freut sie in diesen Wochen, dass – trotz allem – wieder Urlauber nach Gemünd kommen.
Janina Bodens Traum startet zum zweiten Mal
Mit 20 Jahren als frisch ausgebildete Kosmetikern hat Janina Boden ihren Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht. In ihrem Beauty-Traum baut sie sich einen Kundenstamm auf, absolviert weitere Aus- und Fortbildungen. Doch dann kommt zuerst Corona, dann die Flut. Aus der Traum? Mitnichten.
Von der Flutnacht selbst hat Boden in ihrem Wohnort Glehn gar nichts mitbekommen. Bis ihre Eltern in aller Herrgottsfrühe vor der Tür gestanden haben, um ihr möglichst schonend beizubringen, dass ihr Laden nicht mehr da ist. Natürlich sei es ein Schock gewesen, die Zerstörung zu sehen. Ja, ihre Existenz ist zunächst weg.
Aber, so die heute 23-Jährige: „Wir haben doch noch Glück gehabt. Die Familie ist da, alle leben, wir haben noch unser Zuhause.“ Angesichts der Katastrophe bekommt der Ausdruck „nur der Laden“ eine ganz neue Bedeutung. Und der Hilfe ihrer Familie kann sie sich sicher sein. Vor dem zerstörten Laden habe ihr Vater sie in den Arm genommen und gesagt: „Wir bauen das wieder auf.“
Während die Handwerker den Laden herrichten, arbeitet Boden mobil bei ihren Kunden. Nun ist sie zurück in ihrem Beauty-Traum, wo sie Schönheitsbehandlungen von Kopf bis Fuß anbietet. Er sieht im Prinzip so aus wie vor der Flut. Aufgrund des geringen Raums sind nur wenige Veränderungen möglich gewesen – ein Wandregal konnte noch eingebaut werden, über das sie sich sehr freut.