Einkaufen in der EifelBringt ein rollender Supermarkt künftig die Lebensmittel?
- Die Zukunft des Einzelhandels im ländlichen Raum ist und bleibt ein spannendes Thema.
- Viele Fragen ranken sich in dem Konfliktfeld, dass sich zwischen dem Online- und dem stationären Handel aufgetan hat. Wie wird in Zukunft die Nahversorgung sichergestellt?
- Eine aufwendige Untersuchung gibt viele Antworten auf die Fragen. Lesen Sie hier die Ergebnisse.
Schleiden – Die Zukunft des Einzelhandels im ländlichen Raum ist und bleibt ein spannendes Thema. Viele Fragen ranken sich in dem Konfliktfeld, dass sich zwischen dem Online- und dem stationären Handel aufgetan hat. Wie wird in Zukunft die Nahversorgung sichergestellt? Wie entwickeln sich die Ortszentren durch Leerstände? Und wie können Gewerbetreibende die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um ihre Geschäftsmodelle am Markt halten zu können?
Mit einer aufwendigen Untersuchung hat das Geographische Institut der Uni Bonn das Einkaufsverhalten der Bürger im ländlichen Raum NRW-weit unter die Lupe genommen. Im Kreis Euskirchen wurde die Befragung in den Gemeinden Kall, Hellenthal, Dahlem und Blankenheim sowie in der Stadt Schleiden durchgeführt. Nach einer Auftaktveranstaltung Anfang Oktober wurden nun die Ergebnisse präsentiert.
Rund 65 Personen waren auf Einladung der Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen zum Regionaldialog „Digitalisierung und Onlinehandel“ in den Großen Kursaal in Gemünd gekommen. „Meine Meinung ist, dass das Internet Fluch und Segen ist, aber für jeden Einzelhändler auch eine Chance darstellen kann“, so Schleidens Bürgermeister Ingo Pfennings bei seinem Grußwort.
Die Untersuchungsmethoden
Untersucht wurden je fünf ländlich geprägte Kommunen in den Kreisen Euskirchen und Höxter sowie dem Hochsauerlandkreis. In jeder dieser Kommunen wurden 100 Konsumenten in Telefoninterviews befragt, am Ende insgesamt 1500 Personen. In den 10- bis 15-minütigen Interviews wurden Einkäufe im Zeitraum von Juni bis August 2019 erfasst worden, so Prof. Claus-Christian Wiegandt, der die Untersuchung leitete. Abgefragt wurden die jeweiligen Einkaufsvorlieben: Wird online oder im Laden gekauft? In welchen Orten wird eingekauft? Auch wurde die Meinung zu den Angeboten in der jeweiligen Heimatgemeinde unter die Lupe genommen.
Die Ergebnisse
Gemeinsam war den Konsumenten in allen drei Landkreisen, dass in Summe 44 Prozent der Befragten ausschließlich offline einkaufen, acht Prozent dagegen überwiegend online. Spitzenreiter der im stationären Einzelhandel nachgefragten Warengruppen waren Lebensmittel und Drogeriewaren: Zu 99 beziehungsweise 93 Prozent werden sie im Laden gekauft.
Bücher und Elektronik-Artikel werden dagegen von knapp einem Drittel der Befragten über das Internet gekauft. Signifikante Unterschiede der Regionen wurden bei der Beurteilung der Motive für den Einkauf im stationären und im Onlinehandel ermittelt.
Sozioökonomische Faktoren
Deutliche Korrelationen mit der Nutzung des Internets gab es in allen drei Kreisen bei der Aufschlüsselung nach Alter und Einkommen. Je jünger die Befragten, desto höher die Zustimmung zur Frage „Ich nutze das Internet zum Einkaufen“. Mit zunehmendem Alter nahm die Affinität zum Onlinehandel ab. Ähnliches ergab sich beim Monatseinkommen: Bei höherem Einkommen war eine wachsende Neigung zu Käufen im Internet festzustellen.
Räumliche Faktoren
Im Kreis Euskirchen gibt’s eine Neigung zum Onlinehandel: Nur 34 Prozent der Befragten gaben an, nie im Internet zu kaufen – gegenüber 51 Prozent im Hochsauerlandkreis und 49 im Kreis Höxter. Im Hochsauerlandkreis wurde die Attraktivität der Innenstädte höher bewertet.
Von den fünf im Kreis Euskirchen untersuchten Kommunen wurde die Stadt Schleiden als am attraktivsten beurteilt – Schlusslicht in der Bewertung ist Hellenthal. So wurde Schleiden von den Forschern auch als „attraktives und belebtes Zentrum“ identifiziert. Gesicherte Nahversorgung sei in Kall und Blankenheim zu verzeichnen, während Hellenthal und Dahlem als „Zentrum mit Funktionsverlusten“ eingestuft wurden.
Aufgeschlüsselt nach Produktgruppen ließ sich feststellen, dass zum Einkauf von Bekleidung nur relativ wenige in ihren Kommunen bleiben. Auch Bad Münstereifel mit seinem Outlet erfreut sich bei den Befragten nicht allzu großer Beliebtheit. Vor allem Köln und Euskirchen wurden als Ziele angegeben.
Der Erwerb von Lebensmitteln wird nach der Studie vor allem ortsnah abgewickelt.
Das Fazit
Wiegandt resümierte, dass bei der Entwicklung der Stadtzentren vor allem die Attraktivität der Geschäfte im Auge gehalten werden müsse. Denn befragt nach den Motiven für einen Besuch des Stadtzentrums hätten nur rund 52 Prozent einen Einkauf angegeben.
Hier führten „Erledigungen“ mit 71 Prozent und „Arztbesuch“ mit 69 Prozent. Nahversorgungsrelevante Sortimente wie Lebensmittel oder Drogerieartikel würden fast ausschließlich im stationären Handel erworben. Einzelhandelsfremde Nutzungen wie „Arbeit“ oder „Freunde treffen“ gewinnen dagegen in den Zentren an Bedeutung.
Beispiele für neue Ansätze
Frank Osterhage vom Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung (ILS) in Dortmund stellte neue Ansätze für die Kombination von stationären und digitalen Konzepten vor. So werde in China derzeit der Moby Mart, eine schwedische Entwicklung, getestet. Dabei wird ein autonom fahrender, rollender Supermarkt per App bestellt.
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Zudem werden laut Osterhage derzeit weltweit Drohnen oder autonome Vans für die Lieferung getestet. „Zustellkonzepte sind ein ganz großes Thema“, so Osterhage. Auf digitale Automatisierung setzt die Schweizer Handelskette „Migros“. Sie arbeitet an kleinflächigen Läden, die komplett ohne Personal auskommen und auf bargeldlose Bezahlung setzen.
Diskussionsrunden
In mehreren Diskussionsrunden sprachen die Teilnehmer der Veranstaltung über die Ergebnisse der Befragung und mögliche Handlungsansätze. „Ein Ansatzpunkt ist, das Einkaufserlebnis zu steigern“, sagte Jörg Hamel, Geschäftsführer des Handelsverbands Aachen-Düren-Köln. Als wichtiger Punkt wurde in den Arbeitsgruppen unter anderem das kostenlose Parken genannt.