Gleich mehrere Staatsanwaltschaften in NRW hatten gegen einen 22-jährigen Algerier Anklage erhoben.
22 Taten angeklagtAmtsgericht Gemünd verurteilt notorischen Ladendieb zu 20 Monaten Haft
Zu Beginn des Prozesses vor dem Schleidener Amtsgericht in Gemünd war erst mal Sortieren angesagt. Einen ganzen Stapel von Aktenmappen hatten die Prozessbeteiligten vor sich, denn mit dem Angeklagten hatten sich gleich mehrere Staatsanwaltschaften in NRW beschäftigt.
Satte 15 Anklageschriften, die sich auf 22 Taten bezogen, mussten Richterin Claudia Giesen, Verteidiger Sebastian Pelzer und Staatsanwältin Lanzerath erst einmal in eine Reihenfolge bringen und auf Vollständigkeit der Unterlagen überprüfen. Die letzte Anklage war noch am Morgen der Verhandlung eingetroffen. Fast eine halbe Stunde dauerte es, bis die Verlesung aller Anklagen vollzogen war.
Auch im weiteren Verlauf des Prozesses verlangte die schiere Menge an Verfahren die volle Konzentration der Beteiligten, denn bei einem Teil der Anklagen wurden Einstellungen geprüft, bei anderen rechtliche Hinweise auf eine mögliche Veränderung der rechtlichen Beurteilung erteilt, und vergessen werden durfte dabei nichts.
In Köln, Bonn und weiteren Orten wurden die Ladendiebstähle verübt
Vor allem Ladendiebstähle waren es, die der aus Algerien stammende Angeklagte verübt haben soll. Dabei zeigte er sich durchaus umtriebig. Troisdorf, Bonn, Bad Honnef, St. Augustin, Siegburg, Köln und Bocholt waren die Tatorte der angeklagten Delikte. Letztendlich war der Mann im Januar aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Dinslaken in Untersuchungshaft gelandet.
Wann genau der 22-jährige nach Deutschland eingereist ist, blieb in der Gerichtsverhandlung schleierhaft. Er gab zwar an, das sei im März 2023 gewesen, doch da er bereits am 1. März in Essen von der Polizei bei einem weiteren Ladendiebstahl festgenommen worden war, schenkte Richterin Giesen dieser Angabe keinen Glauben.
Auch in der Notunterkunft Marmagen wurde ein Polizeieinsatz verursacht
Dass das Verfahren vor dem Amtsgericht in Gemünd verhandelt wurde, lag daran, dass der Angeklagte seit Mitte 2023 in der Notunterkunft in Marmagen gelebt hat. Auch dort verursachte er einen Polizeieinsatz, weil er einen Mitarbeiter beleidigt und bedroht hatte.
Dieser Vorfall sei nur geschehen, weil er Alkohol und Drogen konsumiert habe, versuchte sich der Angeklagte zu entschuldigen. Eine Flasche Whisky habe er zu sich genommen, und ansonsten seine übliche Tagesdosis: drei Gramm Haschisch und drei bis vier Tabletten Lyrica.
Wie er seinen Drogenkonsum finanzierte, war angesichts der Taten kaum zweifelhaft. Parfüm und Kleidung, darauf hatte er sich spezialisiert und dabei oft Waren für mehrere hundert Euro eingesackt. Im Laden entfernte er die Sicherungsetiketten, wobei er auch immer wieder von den Ladendetektiven entdeckt, der Polizei übergeben und angezeigt worden war. Doch auch vier Flaschen Bier, die er bei einem Kölner Discounter hatte mitgehen lassen, standen auf der Liste des Diebesguts.
Der Asylantrag des 22-jährigen Algeriers wurde abgelehnt
Aus Frust darüber, in Deutschland nicht arbeiten zu dürfen, sei er drogensüchtig geworden, gab der junge Mann an. Mit dem Boot sei er nach Italien gekommen und dann direkt weiter nach Frankreich gereist, wo er zwei Jahre gelebt und mit Schwarzarbeit seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Asyl habe er dort nicht beantragt.
Das habe er nach dem Kontakt mit der Essener Polizei getan. Doch vergebens: Vor zehn Tagen habe er die Mitteilung erhalten, dass sein Antrag abgelehnt worden sei. Im Gefängnis sei er clean geworden. Wenn er wieder draußen sei, wolle er sich um Arbeit bemühen und seinen Asylantrag weiterverfolgen.
Doch so bald wird das nicht geschehen. Ein Jahr und acht Monate Haft lautete das Urteil, das Richterin Giesen am Ende des Verfahrens verkündete.
Elf Taten des besonders schweren Diebstahles waren am Ende übrig geblieben, die der Angeklagte in einem Zeitraum von wenigen Monaten verübt haben soll. Auch sei es ihm gelungen, schon kurz nach seiner Einreise ein kriminelles Netzwerk aufzutun, in dem er die gestohlenen Waren zu Geld machen konnte.
Angesichts der unsicheren Zukunftsaussichten und der hohen Rückfallgeschwindigkeit, die der Angeklagte gezeigt habe, obwohl er bei fast jeder der festgestellten Taten von der Polizei vernommen worden sei, könne sie auch keine Bewährung befürworten. Dagegen spricht auch ein anderer Umstand: Das Verfahren aus Dinslaken, wegen dem er festgenommen worden sei, steht noch aus.