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Serie

20 Jahre Nationalpark
Auf der dritten Wildnistrail-Etappe gibt es leckere Erbsensuppe

Lesezeit 6 Minuten
Blick auf das Kloster Mariawald, ringsumher sind Hügel und Wald zu sehen.

Zur Pause mit Erbsensuppe lädt auf gut halber Strecke der dritten Etappe des Wildnistrails durch den Nationalpark Eifel das Kloster Mariawald ein.

Noch ist der Nationalpark Eifel nicht da angekommen, wo er hin will: Unterwegs mit einem Förster auf der dritten Etappe des Wildnistrails.

Kurz nach neun Uhr in Gemünd: Die Sonne scheint auf die dahinplätschernde Urft, im Rosenbad ziehen zwei Frühschwimmerinnen ihre Bahnen, und auf dem Wanderweg entlang der Urft sind bereits ein paar Leute unterwegs. Die dritte Etappe des Wildnistrails führt mich von Gemünd über Wolfgarten und Mariawald nach Heimbach. Gut 22 Kilometer liegen vor mir. Und auch diesmal werde ich nicht den ganzen Weg alleine gehen. In Wolfgarten habe ich mich mit Bezirksleiter Christian Düll verabredet.

Der Wildnistrail führt von Gemünd aus ein gutes Stück auf breiten Wegen entlang der Urft. Nach einer Weile muss ich nach rechts in den Wald abbiegen. Hier geht es nun auf einem engen Pfad weiter, das fühlt sich schon wieder mehr nach Wildnistrail an. Ich komme an einem verfallenen Steinhaus in der Nähe eines Bachs vorbei, und es geht nun stetig bergauf. Am Ende des Anstiegs bin ich in Wolfgarten angekommen. Hier führt der Wildnistrail einmal durch den ganzen Ort, und am Ortsausgang wartet bereits Christian Düll mit seinem Hund Toni auf mich.

Julia  Reuß

Julia Reuß

Redakteurin in der Lokalredaktion Euskirchen. Geboren 1993 in Düren und aufgewachsen in Schleiden, ist Julia Reuß Eifelerin, die allerdings kein einziges Wort Platt spricht. Nach Geschichtsstudium und...

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Düll ist Bezirksleiter des Nationalparkbezirks Kermeter. Das sei der größte Bezirk im Nationalpark Eifel und zugleich auch dessen Kernzone. Viele Gebiete des Bezirks liegen bereits im Prozessschutz. „In denen wir eigentlich auch schon gar nichts mehr machen dürfen und wollen“, erklärt Düll. 30 Jahre hat der Nationalpark Zeit, dann müssen mindestens 75 Prozent der Fläche dem Prozessschutz überlassen werden. Nach 20 Jahren liegen aktuell etwa knapp 60 Prozent der Nationalparkfläche bereits im Prozessschutz, langfristig sollen es rund 86 Prozent werden.

Buchen bedeckten einst fast die gesamte Nationalpark-Fläche

Auf den übrigen Flächen können Düll und seine Kollegen die Natur noch lenken, hin zur ursprünglich natürlichen Vegetation. Im Falle des Nationalparks Eifel ist das vor allem Buchenwald. Fast 98 Prozent der heutigen Fläche sei einst von Buchen bewachsen gewesen, berichtet Düll. „Es gab so etwa zwei, drei Prozent Sonderstandorte, das waren dann die klatschnassen, in denen die Buche sich nicht wohlfühlt.“ Hier wachsen laut Düll heute Erlen, Stieleichen oder Hainbuchen.

Zu den Sonderstandorten gehörten aber auch die, die zu trocken für die Buche waren. Zum Beispiel die Westhänge runter zur Rur, da habe im Endeffekt nur die Eiche gut stehen können, die Trockenheit sehr gut vertrage. Dann kam der Mensch. Vor allem nach dem Krieg sei sehr viel Laubholz eingeschlagen worden. „Dann entstanden riesengroße Kahlflächen“, berichtet Düll. Und diese Kahlflächen habe man mit Fichten bepflanzt. Das sei eine schnellwachsende Baumart, die hohe Erträge bringe – und genau das sei damals das Ziel gewesen: der nachfolgenden Generation einen nachwachsenden Rohstoff liefern.

Trockenheit und Borkenkäfer machten der ungeliebten Fichte den Garaus

Viele Jahrzehnte, einige Trockensommer und Borkenkäferplagen später ist von den Fichten im Nationalpark nicht mehr viel übrig. An einigen Stellen ragen die toten Bäume noch wie Gerippe in die Luft, an anderen Stellen haben sich längst Birken, Brombeeren und andere Pflanzen die Flächen zurückgeholt. Was für viele Wirtschaftswaldbesitzer ein Alptraum war, kam dem Nationalpark gelegen. „Letztendlich soll die Natur wieder dahin zurück, wie sie einmal war, bevor der Mensch hier seine Finger im Spiel hatte“, sagt Düll. Deswegen hat man im Nationalpark die Fichte nicht nur einfach sterben lassen, sondern an vielen Stellen mit jungen Buchen unterpflanzt.

Dass die Flächen mit den toten Fichten nicht unbedingt hübsch aussehen und so manch einem Wanderer daher ein Dorn im Auge sind, kann Düll nachvollziehen. Doch in einem Nationalpark gehe es eben darum, die Natur sich selbst entwickeln zu lassen. Das beinhalte auch, tote Bäume stehenzulassen. Natürlich nur an den Stellen, an denen keine Gefahr für Menschen bestehe, betont Düll. Totholz sei für viele Arten immens wichtig.

Inzwischen sehen die toten Fichtenfelder auch schon viel schöner aus. An vielen Stellen blühen ganze Felder des lilafarbenen Waldglöckchens, auch bekannt als Fingerhut. Die Samen dieser Pflanze können laut Düll jahrhundertelang in der Erde überdauern. Und jetzt, wo die Fichte weg sei und wieder mehr Licht an den Waldboden komme, wachse sie.

Import-Gewächse machen Nationalpark-Förstern Arbeit

Im Übrigen werde die Fichte vermutlich nie ganz aus dem Nationalpark verschwinden. In den Höhenlagen, wo immer noch genug Niederschlag falle, werde sie bleiben, so Düll. „Und das ist auch okay, aber bitte dann dort, wo sie hingehört, und das entscheidet sie dann eben selbst.“ Bei anderen Baumarten ist der Nationalpark nicht ganz so entspannt. Es gebe einige Flächen, die vor dem Nationalpark privat bewirtschaftet wurden. „Die haben mit fremdländischen Baumarten gearbeitet, die in einem Nationalpark, wo sich die natürliche Entwicklung wieder einstellen soll, nichts zu suchen haben“, sagt Düll.

Tote Fichten ragen auf einem lichten Waldstück in die Höhe. Die Stämme sind weiß.

An zahlreichen toten Fichten kommt man auf der dritten Etappe des Wildnistrails vorbei.

Als Beispiele nennt er Tsuga, Sitkafichte oder auch Douglasie. Letztere habe eine „aggressive Naturverjüngung“, so der Bezirksleiter und erklärt: „Wo die Douglasie stand, wird auch wieder Douglasie kommen.“ Diese fremdländischen Baumarten werden aus dem Nationalpark gezielt entnommen und sogar wirtschaftlich vermarktet. Sobald sich über diesen Flächen ein Schirm aus Buchen erstrecke, komme auch die Douglasie nicht mehr durch. „Und dann haben wir das Spiel gewonnen“, sagt Düll.

Doch nicht nur fremdländisches Nadelholz findet man im Nationalpark. Auch nicht jeder Laubbaum ist hier heimisch. Düll zeigt auf eine Reihe Eichen rechts am Weg. Das sei amerikanische Roteiche. Die gehöre hier nicht hin. Aber: „Die amerikanische Roteiche verjüngt sich bei uns nicht.“ Warum das so sei, wisse man nicht genau. Aber es komme dem Nationalpark sehr gelegen.

Ziel: Laubwald soll wieder 90 Prozent der Nationalpark-Fläche einnehmen

Die Eingriffe, die der Nationalpark in der Natur vornehme, seien wohlüberlegt, betont Düll. Wenn man ein kleines Zahnrädchen zehnmal drehe, habe das Auswirkungen auf die gesamte Ökologie des Waldes. Ziel dabei sei immer, die Weichen zu stellen, dass in einigen Jahrzehnten der Nationalpark Eifel wieder zu 90 Prozent aus Laubwald bestehe, so Düll. Das werde er aber nicht mehr erleben.

In einer weißen Schüssel befindet sich braun-grüne Erbsensuppe. In der Schüssel steckt ein Löffel.

Schmeckt deutlich besser, als sie aussieht: Im Kloster Mariawald gibt es die traditionelle Erbsensuppe – vegetarisch oder mit Wursteinlage.

Unsicher ist man sich im Nationalpark, wie hoch der Buchenanteil dann sein wird. „Die Buche war immer unser Zukunftsträger“, sagt Düll. Doch auch ihr mache der Klimawandel zu schaffen. Es sei gut möglich, dass die Buche an Fläche verliere und sich dort dann eher die Eiche durchsetze, die Trockenheit besser ertragen könne. Doch auch das sei ein Prozess, der sich über mehrere Jahrzehnte erstrecken werde.

Wenn man mit dem Bezirksleiter so unter den Buchen und Eichen hindurchläuft, wird schnell klar: Der Wald hier steckt noch in den Kinderschuhen. Viele der Stämme sind noch dünn, doch selbst bei ein paar schon dickeren Eichen schätzt Düll das Alter auf etwa 100 bis 120 Jahre. „Das ist immer noch Kindergarten“, betont er. Immerhin können Eichen bis zu 1000 Jahre alt werden.

Wir kommen am Kloster Mariawald an. Bevor Düll und Toni sich verabschieden, essen wir noch eine traditionelle Erbsensuppe. Danach führt mich der Weg in einer langen Schleife vorbei an noch mehr toten Fichten runter nach Heimbach. Die Wege sind meistens breit. Ganz zum Schluss wird es noch einmal abenteuerlich, als ein umgestürzter Baum quer über dem Weg liegt. Unterhalb der Burg Hengebach angekommen, tun mir die Füße weh. Von dem heutigen Tag nehme ich vor allem eins mit: 20 Jahre mögen für uns Menschen eine lange Zeit sein, für den Nationalpark ist es erst der Anfang.