SchwangerschaftsabbruchEuskirchener Beraterinnen für Streichung von Paragraf 219a
Kreis Euskirchen – Frauen, die ungewollt schwanger werden, haben zahllose Fragen im Kopf. Vor allem wollen sie wissen, wie ein solcher Eingriff vonstatten geht und wer ihn wohnortnah durchführen kann. Bisher wurde das den Betroffenen nicht leicht gemacht, denn Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs verbietet es Ärztinnen und Ärzten, öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitzustellen.
Das will die neue Ampel-Koalition nun ändern. In ihrem Koalitionsvertrag einigten sich SPD, Grüne und FDP auf die ersatzlose Streichung. Geschehen solle dies innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung, meinte Ulle Schauws von den Bundes-Grünen, die den Vertrag mitverhandelt hatte. Letztlich werden mit diesem Schritt die ungewollt Schwangeren gestärkt, die fachlich richtige, seriöse Informationen benötigen.
Denn Tatsache ist: Wer sich im Internet auf die Suche macht, braucht nur wenige Klicks, um auf Seiten sogenannter Lebensschützer zu landen, denen es an Sachlichkeit mangelt und die mit grausamer Überspitzung den Schwangerschaftsabbruch mit Mord gleichstellen.
Heike Gerhardt: „Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“
„Es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“, sagt Heike Gerhardt, Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung des Vereins „Frauen helfen Frauen“. Ein kleiner Schritt deshalb, weil Frauenverbände und Feministinnen seit Jahrzehnten dafür kämpfen, Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren, die nach wie vor strafbar sind (siehe „Bis heute eine Straftat“).
Ein uneingeschränkter Zugang zu sachlichen Informationen würde bereits vieles für die Betroffenen erleichtern. „So ließen sich auch einige gängige Mythen besser ausräumen, beispielsweise, dass man nicht mehr schwanger werden kann, wenn man einmal einen Abbruch hat durchführen lassen“, meint Beraterin Kathrin Wegmann.
Weite Wege für Frauen aus dem Kreis Euskirchen
Ungewollt Schwangere aus dem Kreis Euskirchen müssen oftmals weite Wege in Kauf nehmen, um einen Abbruch durchführen zu lassen. Im gesamten Kreis gibt es keine Praxis, die den Eingriff vornimmt.
Bis heute eine Straftat
Der Paragraf 218, der das Abtreibungsverbot normiert, wurde 1871 in das Strafgesetzbuch (StGB) des damaligen Deutschen Reiches aufgenommen. Über die Jahrzehnte sorgte er immer wieder für heftige gesellschaftliche und politische Debatten. Im Zentrum die Frage, ob den Rechten des (ungeborenen) Kindes oder den Rechten der Frau der Vorzug eingeräumt werden soll. Bis heute gilt eine Abtreibung als Straftat. Bei sozialer, medizinischer oder kriminologischer Indikation bleibt sie jedoch straffrei.
Die meisten Abbrüche erfolgen mit sozialer Indikation. Voraussetzung ist eine Beratung in einer staatlich anerkannten Beratungsstelle. Nach Ablauf von drei Tagen kann der Abbruch von einem Arzt vorgenommen werden, und zwar innerhalb von zwölf Wochen nach der Befruchtung.
Bisher dürfen Medizinerinnen und Mediziner in Deutschland laut Paragraf 219a nicht öffentlich über Schwangerschaftsabbrüche aufklären, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Die Ampelkoalition will, dass der Paragraf nun aus dem Gesetzbuch verschwindet. Außerdem wollen die Regierungsparteien festlegen, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung werden sollen.
„Für Frauen, die keinen Führerschein oder kein Auto haben, wird das schnell zu einer regelrechten Weltreise“, sagt Wegmann. Und es bleibe nicht bei einem Besuch der Praxis – egal, ob Absaugmethode, Ausschabung oder medikamentöser Abbruch. „Es gibt ein Vorgespräch, den Eingriff selber, ein oder zwei Nachsorgetermine“, so Wegmann.
Sie betont, dass Frauen im Rheinland noch vergleichsweise gut versorgt seien. „Es gibt Landstriche, in denen es noch schwieriger ist, eine Praxis oder Klinik zu finden, die hilft.“
Expertin: Jugendliche verhüten unglaublich gut
Deutschlandweit gibt es pro Jahr rund 100.000 Schwangerschaftsabbrüche – und wohl keiner davon wird leichtfertig entschieden. Dass es überwiegend sehr junge Frauen sind, die ungewollt schwanger werden, ist ebenfalls ein Mythos: „Ich stelle fest, dass Jugendliche unglaublich gut verhüten und Teenager-Schwangerschaften eine Seltenheit sind“, so Wegmann. Die größte Gruppe, die in die Konfliktberatung des Vereins „Frauen helfen Frauen“ komme, sei die der 27- bis 34-Jährigen.
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Die Pläne der neuen Regierung finden in der Beratungsstelle jedenfalls ein rundweg positives Feedback. „Das hat schon eine gewisse Wirkung“, meint Beate Jantzer. Und es lenkt die gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit ein Stück weit auf das Kernthema: „Den Paragrafen 218 und die Kriminalisierung betroffener Frauen.“