AboAbonnieren

Katalog aufgestelltGemeinde Nettersheim will Grundstücke nach Kriterien vergeben

Lesezeit 4 Minuten
Kanalrohre liegen eng aneinander auf einem Feld.

Tiefbauarbeiten, unter anderem zur Erschließung der Baugebiete, finden derzeit in Nettersheim statt.

Damit Einheimische bei der Vergabe von Grundstücken nicht leer ausgehen, hat die Gemeinde Nettersheim einen Kriterienkatalog erarbeitet.

Begehrt sind in der Gemeinde Nettersheim die Baugrundstücke. Der Zuzug von Neubürgern ist dringend notwendig, um die Einwohnerzahl auf den gewünschten 8000 zu halten. Bei der Vergabe der Grundstücke sollen die Einheimischen nicht leer ausgehen. Um das zu ermöglichen, gilt nun in Nettersheim ein Vergabemodell, in dem Punkte wie die familiäre Situation, der persönliche Bezug zur Gemeinde, aber auch das ehrenamtliche Engagement eine Rolle spielen.

Besonders der letzte Punkt löste allerdings in den Beratungen im Gemeinderat Diskussionen aus. Ein Häuschen auf dem Lande, das ist für viele Menschen immer noch ein Wunschtraum. Gerade jetzt, wo Bundesbauministerium Klara Geywitz die Marschroute gegen den Wohnungsmangel in den Städten ausgegeben hat: Raus aufs Land. Dass dieser Trend schon vor Jahren eingesetzt und auch auf dem Land die Immobilienpreise steigen lassen hat, wurde nicht erwähnt.

Rund 80 Grundstücke sind im Besitz der Gemeinde Nettersheim

Von dem Trend profitieren alle Kommunen, denen noch vor wenigen Jahren sinkende Einwohnerzahlen prognostiziert wurden. Eine der Gemeinden, in denen schon vor Jahren viel Bauland ausgewiesen wurde, um den erwarteten Einschränkungen im Regionalplan vorzubauen, ist Nettersheim. Und es gibt noch einiges an Bauland: Rund 80 Grundstücke stehen laut Bürgermeister Norbert Crump derzeit aus kommunalem Besitz zur Vergabe an. Doch dann soll erst einmal Schluss sein mit der Ausweisung von Bauland in Nettersheim.

8000 Einwohner ist die Zielgröße, auf die sich der Gemeinderat geeinigt hat. 8130 waren es laut Gemeinde zum Jahreswechsel, die Bewohner der Geflüchtetenunterkunft in der einstigen Eifelhöhen-Klinik sind dabei nicht miterfasst.

Einheimischenmodell vertrug sich bislang nicht mit EU-Recht

Wer aber sind die Glücklichen, die demnächst auf Nettersheimer Gemeindeland bauen dürfen? Der Zuzug ist gewollt, doch auch Einheimische sollen an eines der begehrten Grundstücke kommen können. „Auf die 24 Grundstücke im Baugebiet Boesten haben wir 120 Bewerbungen“, teilte Crump mit. Bisher seien die Grundstücke nach zeitlichem Eingang der Bewerbungen vergeben worden. Um die Chancen für Nettersheimer zu verbessern, hatte der Gemeinderat bereits 2021 die Einführung eines Einheimischenmodells verabschiedet.

Doch Europa hat auch Folgen für die kommunale Vergabe von Baugrundstücken. Denn die Diskriminierung von EU-Ausländern ist laut EU-Rechtsprechung nicht gestattet. Das Einheimischenmodell sei also nicht realisierbar, so die Verwaltung. Um ein rechtssicheres Verfahren anzubieten, arbeitete die Nettersheimer Gemeindeverwaltung ein Vergabemodell aus, dass auch noch andere Kriterien abfragt. Wohnt der Kaufinteressent bereits in Nettersheim? Oder vielleicht seine Eltern oder Großeltern? Das waren Auskünfte, die bereits beim Einheimischenmodell abgefragt wurden. Doch nun geht es weiter: Wie viele Kinder hat ein Antragsteller, ist die Person alleinstehend, hat sie Familie, werden auch pflegebedürftige Angehörige versorgt?

Ehrenamtliches Engagement als Kriterium sorgt für Diskussionen

Diskussionen weckte jedoch das vierte Kriterium: das ehrenamtliche Engagement. Je nach Dauer kann das für den Antragsteller noch entscheidende Punkte bringen. Für Dirk Pospig (SPD) ist das allerdings nicht einleuchtend.

Die Richtlinie sei so schwammig, dass sie viele Fragen offenlasse. „Ist ein Feuerwehrmann wichtiger als ein Politiker?“, überlegte er. Auch sei nicht klar, ob das auch rückwirkend gelte. „Wenn ich jetzt 18 Jahre im Gemeinderat war und dann nicht mehr wiedergewählt werde: Zählt das trotzdem?“ „Das sollte schon aktuell sein“, entgegnete Crump.

Nur die Option einer privatrechtlichen Klage besteht

Die Richtlinie sieht beim Ehrenamt zeitliche Abstufungen vor: Für 5, 10 oder 15 Jahre gibt es unterschiedlich viele Punkte. Insgesamt orientiere sich das Verfahren an dem, das bereits in Mechernich angewendet werde. „Aktuell haben wir den Aufschlag mit elf Grundstücken in Boesten“, sagte er.

„Ich finde das mit dem Ehrenamt sehr gut“, befand dagegen Albert Müllenborn (UNA). Die Leute, die das machten, würden immer weniger – da sei es gut, wenn Ehrenamt sich auch lohne.

Um fehlende Klagemöglichkeiten sorgte sich Gerhard Mayer (SPD). Diese Option gibt es aber nach Angaben von Eva Gäbler, der Allgemeinen Vertreterin des Bürgermeisters: Der Klageweg sei möglich, jedoch handele es sich dann um ein privatrechtliches und nicht um ein verwaltungsrechtliches Verfahren. Ansonsten sei das Verfahren transparent, für die Bewerber gebe es auch die Option der Akteneinsicht.

So hob der Gemeinderat seine Entscheidung von 2021, ein Einheimischenmodell anzuwenden, wieder auf und verabschiedete bei drei Gegenstimmen das neue Vergabeverfahren.