Fit für KarnevalDiscofox-Crashkurs in Nettersheim
Nettersheim – Er sei eigentlich Paartherapeut, sagt der Tanzsportlehrer nur etwas scherzhaft. Das kann ja heiter werden, denkt man, und versucht beim Discofox-Crashkurs erst einmal richtig zu gehen. So fängt alles an. Es ist schließlich Karneval – und da gehört Tanzen dazu.
Claudia aus Enzen geht es wie mir: Sie ist alleine da. „Weil mein Partner für mich zu gut tanzen kann“, sagt sie. Genau – bei mir ist es die Partnerin. Jetzt soll dieses Defizit ausgeglichen werden. Mitten in der Session, schnell, problemlos. Also ist auch sie ins Familienzentrum gekommen, wo es verheißungsvoll heißt: „Mit mir schafft ihr es, unfallfrei durch den Karneval zu kommen.“ Das verspricht André Schweers, in der Region ein bekannter Tanzlehrer, der er nicht nur sein will. Doch dazu später.
Tanzen ist Nahkampf
Im Sport- und Gymnastikraum stehen elf Paare, angereist aus Zingsheim, Blankenheim, Rohr, Tondorf, Berk oder Nettersheim, und machen sich zunächst klar: Tanzen ist Nahkampf zu rhythmischer Musik. Weil ja eine Untersuchung ergeben habe, dass die Art der Bewegungsabläufe nur vom Shaolin-Kung-Fu getoppt werde. Das sagt unser Schrittfolgenbeauftragter, der sich daher auch Tanzsportlehrer nennt. Das sind ja Aussichten.
Discofox, dieser seit Mitte der 1960er Jahre populäre „Social Dance“ – im Unterschied zu bekannten Standard- und Lateintänzen wie Langsamer Walzer oder Cha-Cha – soll vor allem Vergnügen bereiten, war über Jahrzehnte eine sichere Bank für die Erstkontaktaufnahme. Ein Rendezvous zu drei Rhythmusschritten im Vier-Viertel-Takt. So kompliziert hatte man sich das nicht vorgestellt.
Discofox geht überall
Auch Steffi und Hartmut aus Berk – beim Crashkurs bleibt es bei den Vornamen – sind dabei: „Wir sind auf einen Geburtstag eingeladen, da wird getanzt. Und dann auf einer Karnevalsparty.“ Bis dahin müsse das fluppen. „Discofox, der läuft doch überall“, sagt Egon aus Blankenheim, stolze 76, und auch als Novize hier.
Doch jetzt erst einmal aufgestellt: Die Damen links, die Herren rechts. Los geht’s. Die Herren vor: links, rechts, links. Die Damen zurück: rechts, links, rechts. Schon falsch, wenn es so gelaufen wäre. „Die Herren machen beim dritten Schritt nur einen Tap, das linke Bein wird dann nicht belastet, die Damen beim dritten das rechte Bein nicht belasten“, befiehlt der Meister der Drehungen. Das ist der Grundschritt. Von hier aus entwickeln sich gefühlte 500 Drehfiguren, die ganze große Welt des Tanzvergnügens.
Auch tanzen für Demenzkranke
Man solle sich das mit dem angedeuteten Schritt, dem Tap, so vorstellen, als ob man in dem Moment sein Lieblingshaustier, Schweers nennt passenderweise keinen Golden Retriever, sondern ein Meerschweinchen, unter der Fußspitze habe. Gerade ist diese Vorstellung aus dem Hirn verbannt, wird es ernst: Die Herren gehen vor, die Damen zurück. Es wird getappt, das Ganze wieder zurück.
Er biete auch Demenztanzen an. Und Tanzkurse für Kinder, so Schweers: „Kinder lernen acht Mal schneller Discofox als Ü-50-Jährige. Ich lebe vom Vergessen anderer!“ Kurze betretene Stille in der Runde. Dann werden wir Schrittfolgenvergesser eben wieder wie die Kinder. Jedenfalls ist dieser Grundschritt definitiv nicht auf’s leichte Körbchen zu nehmen, um mal den putzigen Namen einer Discofox-Drehfigur ins Spiel zu bringen. Die lernen wir an diesem Abend nicht. Wir sind nur „Leistungsstufe Null“, so der Fachmann. „Körbchen“? Können wir vergessen.
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Stattdessen wird erst mal die richtige Tanzhaltung eingenommen. „Die Hand der Dame liegt auf der des Herrn wie zum Handkuss“, gibt der Profi vor. „Handkuss“ hört sich romantisch an, ist aber eher Unfallprophylaxe. Es sollen Verletzungen des Handgelenks bei den zwei (!) Figuren vermieden werden, die wir jetzt lernen. „Die Dame geht, die Dame kommt“, könnte man die Trennung aus dem Handgelenk nennen. Damensolo, die zweite. Die Dame dreht aus, sie dreht wieder ein. Da zeigt sich, wie orthopädisch sinnvoll eine Handkuss-Haltung sein kann.
„Du führst ja nicht!“ „Du lässt Dich ja nicht führen!“ Die Sätze seien verlässliche Auslöser von Partnerschaftskrisen, sagt Schweers. Man ahnte es schon. Beim Discofox gilt: Hier muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss. Er führt. „Die Geführte ist nur so gut, wie seine Führung“, lässt Schweers vielleicht den Tick zu schnell Träume platzen. Tatsache ist aber, dass es beim Discofox im Novizenrund nicht überall perfekt harmoniert. Ob es an ihm liegt – oder doch an ihr? Oder an der Musikauswahl? Die Tanzfläche war zu voll?
Karnevalsreife
Ob am Ende von eineinhalb Stunden Crashkurs mehr gehoppelt als gesprungen, ob locker aus der Hüfte geschwungen oder steif wie ein Lineal im Kreuz gestakst wird, ob heillos mit dem Oberkörper gewackelt oder auf den Fuß des Gegenübers gelatscht: Am Ende verleiht uns Tanzsportlehrer André Schweers kollektiv die „Karnevalsreife“.
Mit Blick auf die tollen Tage, und die schiere Tanzwut, zu der Mann oder Frau jetzt fähig ist, denkt man unwillkürlich an eine so segensreiche Einrichtung wie die Sektbar im Saal oder im Festzelt. Die hat sich kennenlerntechnisch doch oft bewährt. Und manche, da muss man ehrlich sein, können mit einem Bierchen intus ohnehin tanzen wie ein junger Gott oder eine Göttin. Auch ohne Crashkurs.