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Verbotene Liebe in Nazi-ZeitNettersheimerin arbeitet wahre Begebenheit in Roman auf

Lesezeit 4 Minuten

Vor ihrem Elternhaus in Bouderath präsentiert Irmgard Becker aus Asbach ihren Roman „Als das Akkordeon schwieg“, der sich mit einer Geschichte aus der Nazi-Zeit auseinandersetzt.

Nettersheim-Bouderath – Manche Geschichten kommen nur schwer ans Licht. Auch wenn ein ganzes Dorf ein Unrecht miterlebt hat, wird über das Geschehene zuweilen nicht gesprochen. Aus Scham, aus Unsicherheit oder sonstigen Gründen. Doch manche Menschen wollen sich nicht am Schweigen beteiligen. Wie Irmgard Becker.

Lange habe die Geschichte von der Frau, die mit geschorenen Haaren durch den Ort getrieben wurde, nur weil sie geliebt hatte, in ihr gegärt, sagt die Autorin des Romans „Als das Akkordeon schwieg“. In Bouderath ist die heute 72-Jährige aufgewachsen.

„Eine tapfere Frau“

An ihre Großmutter, die im Nachbarhaus lebte, erinnert sie sich gut. „Das war eine tapfere Frau“, sagt sie. Die sei zuerst von Hitler begeistert gewesen, habe dann doch ihre Meinung geändert. Ihren Sohn Paul habe sie bei Nacht und Nebel aus dem Lager befreit, wohin er zum Schanzen gebracht worden sei.

Schon als Kind habe sie von dem gehört, was in der Nazi-Zeit im Dorf geschehen sei, doch die ganze Geschichte habe sie nur scheibchenweise erfahren. Die Protagonisten lernte sie kennen, da sie die Kirchenzeitung austrug. „Johanna war bildschön, aber hatte einen krummen Rücken“, erinnert sie sich.

Ihre Onkel hatte die Geschichte erlebt

Eine große Hilfe bei der Recherche seien dabei ihre Onkel Paul und Hermann gewesen, die die Geschichte damals miterlebt und viele Einzelheiten beigetragen haben, auch zu den im Buch beschriebenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten und Gerätschaften.

Der Roman der in Asbach lebenden Becker spielt 1940 und 1941 und erzählt von einer Liebesgeschichte zwischen dem polnischem Zwangsarbeiter Matthias und der Eifelerin Johanna. Sie wird schwanger, was tragische Konsequenzen hat: Er wird weggebracht, sein Schicksal bleibt im Roman ungeklärt, während sie zu Lagerhaft verurteilt wird.

„Das Thema ist mit Scham besetzt“

Auch wenn sich die Geschichte in Bouderath ereignet hat, so betont Becker, zeige es nur ein Muster auf für ein Ereignis, das sich häufig ereignet habe. Die Namen von Ort und Beteiligten sind im Roman verändert. „Das Thema ist mit Scham besetzt, und ich will auch keine Wunden aufreißen“, sagt sie. Auch behaupte sie nicht, dass ihr Heimatort ein Nazidorf gewesen sei. „Er war es genau so viel und wenig wie alle Dörfer“, so Becker.

Auch wenn die Geschichte verbürgt ist, hat Becker sich einige dichterische Freiheiten gelassen. Um die wahre Identität der Hauptprotagonistin zu schützen, wurden viele Details verändert. So viele, dass deren Familie Probleme mit dem Roman hatte, wie Becker zugibt. „Wir haben uns ausgesprochen und das klären können.“

Mit geschorenen Haaren auf der Dorfstraße

Manche Protagonisten hat Becker erfunden. Auch habe Johanna in Wirklichkeit nur zwei Monate im Straflager gesessen, da ein Anwalt sie herausgeklagt habe. Auch wird sie im Roman mit einem Ochsenkarren als „Polenliebchen“ durch den Ort gefahren, während Zeitzeugen davon berichten, dass sie mit geschorenen Haaren die Dorfstraße hinuntergetrieben wurde – eine Episode, die auch F.A. Heinen in seiner Dokumentation „Abgang durch Tod“ über die Kriegsverbrechen an Zwangsarbeitern im Kreis erwähnt.

Wirklich belegt ist der Ablauf der Geschichte noch nicht, viele Informationen kommen aus mündlichen Erzählungen. Bei einer Lesung in Frohngau habe sie noch viele Einzelheiten erfahren, berichtet Becker. So sei davon berichtet worden, der Bouderather Pole sei mit einem Leidensgenossen am Rand des Blankenheimer Walds erhängt worden.

Eine Frau aus einem Nachbardorf habe berichtet, dass ihre Eltern, eine Deutsche und ein Zwangsarbeiter, in ähnlicher Situation gewesen seien. Doch ihr Vater habe sich rechtzeitig absetzen können. Was aus ihm geworden sei, wisse sie nicht.

Auf die Idee zu dem Roman habe sie Klaus Dewes, Leiter des Literaturkreises Rhein-Sieg, gebracht. In einer Kurzgeschichte habe sie das Thema aufgegriffen, und er habe sie angeregt, daraus einen Roman zu machen. „Der Roman hat mich gepackt, ich konnte zeitweise nicht mehr daraus auftauchen“, berichtet sie von dem Schaffensprozess.

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Die Ungerechtigkeiten, die damals passiert sind, bringen sie heute noch auf die Palme. „Es war lebensgefährlich, sich gegen das Regime zu stellen.“ Willkürhandlungen wurden akzeptiert, ja, die Polizei sogar angewiesen, nichts gegen den „gerechten Volkszorn“ zu unternehmen.

Auf die Frage, wer die unerlaubte Liaison von Johanna mit dem Polen Matthias den Behörden gemeldete hatte, hat Becker mittlerweile Einzelheiten erfahren. „Das soll ein Lehrer gewesen sein“, sagt sie.

„Als das Akkordeon schwieg“ von Irmgard Becker hat 408 Seiten und ist bei Bückensülzer erschienen. Unter der ISBN-Nummer 978-3-947438-40-2 kann das Buch zum Preis von 18 Euro in allen Buchhandlungen oder online bestellt werden.