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Bettina BauerfeindIn der Nettersheimer Textilschmiede den eigenen Stil entdecken

Lesezeit 4 Minuten
  1. In ihren Geschäftsräumen an der Steinfelder Straße setzt sie auf Qualität statt Quantität.
  2. Die Kleider werden individuell angepasst.
  3. „Ich mag es, wie man früher mit Kleidung umgegangen ist“, erinnert sich Bauerfeind an ihre Urgroßmutter.

Nettersheim – Verstürzen, Paspeln, Stoffbruch, Fadenspannung oder Überwendlich-Stich gehören zur Welt von Bettina Bauerfeind. „Für mich sind Nähen und andere textile Techniken nicht einfach nur Handarbeit, sondern Kunsthandwerk“, erklärt die 40-Jährige. Die staatlich geprüfte Bekleidungstechnikerin, die sich 2007 mit der Gründung ihres Unternehmens „Textilschmiede Bauerfeind“ in Nettersheim einen Traum erfüllte, ist nicht nur mit Nadel und Faden, sondern vor allem mit Leidenschaft bei der Sache. „Es gibt so viele Ideen, Techniken, Materialien und Kniffe“, schwärmt Bauerfeind, die neben ihren zahlreichen Ausbildungen und Fortbildungen einen großen Erfahrungsschatz in der Bekleidungsindustrie und im Handwerk gesammelt hat.

Den eigenen Stil entdecken

In ihren Geschäftsräumen an der Steinfelder Straße setzt sie auf Qualität statt Quantität, fördert einen nachhaltigen Umgang mit Textilien und legt ihren Fokus auf die Individualität ihrer Zielgruppe. In ihren Nähkursen entscheiden die Teilnehmer selbst, was sie nähen möchten. Ob der passende Stoff für den ausgewählten Schnitt, die richtige Technik für die Verarbeitung, alternative Verfahren oder Gestaltungsmöglichkeiten – Bauerfeind zaubert ihren Erfahrungsschatz im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Nähkästchen. In ihrer Textilschmiede, die als Anlaufstelle den Austausch untereinander fördern soll, ermutigt sie ihre Kundschaft dazu, ihren eigenen Stil zu entdecken.

„Egal, ob man nähen kann oder nicht, jeder ist hier bestens aufgehoben“, urteilt Rita Abelein. Die Dahlemerin, die Bauerfeinds Einrichtung als „echte Bereicherung für die Region“ empfindet, näht sich gerade einen Mantel mit einem aufwendigen Kapuzenkragen. Neben ihr macht Cristita Tröster, die vor einigen Jahren von den Philippinen nach Hellenthal kam, erste Erfahrungen an der alten Nähmaschine ihrer Schwiegermutter. Ob neueste Technik, in die Jahre gekommene Modelle oder die Leihmaschine, die Motoren rattern und surren an diesem Vormittag um die Wette.

Eine Lösung ist schnell gefunden

Mittendrin berät sich Mechthild Müller mit Bettina Bauerfeind vor dem Spiegel. Die Jacke der Dahlemerin sitzt nicht perfekt, doch eine Lösung ist schnell gefunden. „Die Kleidungsstücke werden erst etwas weiter zugeschnitten und dann am Körper der Kundin in Form gebracht“, erklärt Bauerfeind. „Ich sehe sofort, ob jemand sein Kind auf der linken Hüfte getragen hat oder seine Tasche über die rechte Schulter hängt“, erläutert sie und legt dank ihres geschulten Blicks bei der Anprobe Hand an. „Dann stecke ich was ab oder kürze den Saum“, erklärt die gebürtige Erftstädterin, die mit wenigen Handgriffen ihre überwiegend weiblichen Kunden in Staunen versetzt. „Für uns ist der Kursus nicht nur ein Austausch rund ums Nähen, sondern ein Ort für eine kreative Auszeit“, sind sich die Teilnehmerinnen einig. „Wer selber mal ein Kleidungsstück genäht hat, weiß, wie viel Arbeit dahintersteht“, sagt Bauerfeind, die die harten Produktionsbedingungen und den übermäßigen Einsatz von Chemikalien in verschiedenen Unternehmen in ganz Deutschland kennengelernt hat. „Wenn ich heute die Billigware selbst bei namhaften Herstellern sehe, rieche und fühle, bin ich frustriert, was man uns da an Ware anbietet.“ Stundenlang könnte sie sich über Farbe, die ausgewaschen wird, Stoffe, dünn wie Papier, die kleine Löcher wie von selbst produzieren, oder Seitennähte, die nach der ersten Wäsche Richtung Bauchnabel zeigen, auslassen. „Ich mag es, wie man früher mit Kleidung umgegangen ist“, erinnert sich Bauerfeind an ihre Urgroßmutter. „Sie war eine sehr gute Schneiderin, die im Krieg mit ihren Fähigkeiten die Familie ernährte. Aus einem Herrenanzug zauberte sie ein Damenkostüm oder Kinderkleidung, und aus einem Vorhang wurde ein Abendkleid.“

Ideen für die Zukunft

Mit ihrem Unternehmenskonzept verfolgt Bauerfeind einen ganzheitlichen Ansatz. Stoffe und Wolle von hoher Qualität, die es nicht überall zu kaufen gibt, finden darin genauso ihren Platz wie die fachliche und modische Beratung der Kunden und der nachhaltige Umgang mit Textilen. Kontinuierlich arbeitet sie am Ausbau ihrer Textilschmiede, um in Nettersheim die Fäden aus aller Welt rund um „ihr“ Handwerk zusammenlaufen zu lassen. Die eigene Fortbildung steht bei Bauerfeind ebenso auf der Prioritätenliste wie die Beobachtung des internationalen Textil-Marktes. „Neben Kursen, Beratung und Verkauf möchte ich auch eigene Schnittkonstruktionen aufbauen, Stoffe oder Wolle produzieren und Events rund ums Thema Mode veranstalten“, blickt Bauerfeind, die vor Ideen nur so sprudelt, in die Zukunft.