UnwetterGegen diese Wassermassen hatten die Mechernicher keine Chance
Mechernich-Kommern – Der Schock sitzt bei Sabrina Schepers am Freitagmorgen tief. Als die Besitzerin der Gaststätte und des Hotels „Stollen“ in Kommern über ihre Erlebnisse des Vortages berichtet, kommen ihr die Tränen. „Ich habe nur reagiert. Ich hatte einfach keine Zeit nachzudenken. Jetzt, einen Tag nach dem Regen, wird einem das ganze Ausmaß bewusst“, sagt sie aufgelöst. Es gehe schließlich um ihre Existenz.
Der „Stollen“ bleibe bis auf Weiteres geschlossen, sagt sie. „Wir haben keinen Strom und keine Heizung. Der Keller stand komplett unter Wasser. Zum Glück ist der Gaststättenbereich von den Wassermassen verschont geblieben“, sagt Schepers. Um schlimmere Schäden zu verhindern, hatten auch die Hotelgäste mitgeholfen, als die Wassermassen durch Kommern strömten und in die Häuser eindrangen.
Fürs Wochenende müsse sie den Gästen, die ein Zimmer bei ihr gebucht haben, absagen. „Wir betreiben die Gaststätte nun seit zehn Jahren. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Das ist eine echte Katastrophe. Natürlich bekommt man Existenzängste“, sagt Schepers.
In der Kommerner Ackergasse versucht Helga van Bonn, das Hochwasser mit Humor zu nehmen. „Ich habe endlich noch einmal einen Grund, mein Haus sauber zu machen“, sagt sie. Als am Donnerstag das Wasser kam, sei sie zwar daheim gewesen, doch eine Chance habe sie nicht gehabt.
„Ich habe das Wasser auf der Straße gesehen und einen Aufnehmer vor die Tür gelegt. Ein paar Minuten später stand ich schon knöcheltief im Wasser. Da habe ich nur noch schnell die Elektrogeräte in Sicherheit gebracht“, so van Bonn. Für die Schäden am Fachwerkhaus muss die 56-Jährige wohl selbst aufkommen.
„Eine Elementargebäudeversicherung habe ich nicht abgeschlossen. Das war wegen des Fachwerkhauses zu teuer. Mein Hausrat ist allerdings gegen einen solchen Schaden versichert“, sagt sie: „So etwas habe ich noch nicht erlebt. Aber es ist einfach toll, wie alle in solchen Notsituationen zusammenhalten und sich gegenseitig helfen.“
Fabian Esser fährt bei seiner Mutter in der Rehgasse vor. Er hat nur ein paar Stunden Schlaf bekommen. „Es macht einen unfassbar traurig, wenn die eigene Mutter in Tränen ausbricht und man nichts machen kann“, schildert er die Erlebnisse des Vorabends.
Auch die Feuerwehr hat’s getroffen: „Die nächsten zwei Wochen sind wir nur bedingt einsatzfähig“ sagt Frank Eichen von der Löschgruppe. Bis zu einen Meter hoch stand das Wasser im Gerätehaus. „Viele elektrische Werkzeuge sind kaputt. Die Einsatzkleidung der Kameraden, die nicht vor Ort waren, muss gereinigt werden. Diese Unwetterlage war schon krass“, so Eichen.
„So was haben wir noch nicht erlebt. Wasser und Schlamm standen im Keller bis unter die Decke“, schildern Anna-Maria und Hans-Karl Engels ihre Erlebnisse. Am Freitag machten sich Mitarbeiter einer Kölner Spezialfirma daran, das Gemisch aus Wasser und Heizöl abzupumpen und zu entsorgen.
„Aus unserem 3000-Liter- Heizöltank im Keller ist Öl ausgetreten. Wegen des Gestanks und der Dämpfe im ganzen Haus durften wir die Nacht nicht darin verbringen. Wir sind bei Verwandten untergekommen“, so Anna-Maria Engels: „Sollten wir länger nicht in unserem Haus übernachten dürfen, müssen wir ins Hotel oder uns eine Ferienwohnung mieten.“
Auch in den Geschäftsräumen, die Familie Engels an die Mechernicher Bäckerei Reinartz vermietet hat, war am Freitag großes Aufräumen angesagt. Ebenso in einem kleinen Wein- und Olivenöl-Handel an der Kölner Straße.
Wann zahlen die Versicherungen?
Die vom Unwetter betroffenen Bürger machen sich natürlich Gedanken, ob ihre Versicherung die an Häusern, Wohnungen und Einrichtung entstandenen Schäden übernimmt.Uwe Schubinski betreibt seit 2009 an der Kölner Straße in Kommern eine Versicherungsagentur. Seine Geschäftsräume waren ebenfalls vom Unwetter betroffen.
Am Freitagmorgen hatten bereits 40 seiner Kunden Schäden angezeigt. Der Versicherungskaufmann und seine Mitarbeiter konnten die Schadensfälle nur handschriftlich aufnehmen, da die komplette Technik ausgefallen war. Er war wie viele andere Anwohner der Kölner Straße Freitagvormittag immer noch ohne Strom. Dieser war am Donnerstagabend vorsorglich vom Energieunternehmen abgestellt worden.
„Es ist ganz wichtig, dass die Kunden eine Versicherung für Elementarschäden abgeschlossen haben“, erklärt Uwe Schubinski, „allerdings nicht nur für das Wohngebäude, sondern auch für den Hausrat.“
Laut dem Fachmann gibt es Menschen, die gar keine oder nur eine Versicherung für Elementarschäden an Wohngebäuden abschließen würden.
„Wer keine für den Hausrat hat, hat ein Problem. Kaputte Möbel und sonstigen Hausrat bekommt er nicht erstattet“, informiert Schubinski.
Als im Mai 2012 der Hageln auf Kommern prasselte
Von Unwettern wurde Kommern bereits in der Vergangenheit getroffen. Am 20. Mai 2012 verwandelte ein unglaublich starker Hagelschauer den Ort in eine Winterlandschaft. Mehr als 50 Tonnen Eis transportierte der Mechernicher Bauhof mit Unterstützung zweier Baufirmen an diesem Tag aus Kommern ab. Mehr als einen Meter hoch standen Regenwasser und schmelzende Hagelkörner in den Kellern der Gielsgasse.
Die 15 Löschgruppen der Stadt Mechernich mussten zahlreiche Keller leer pumpen. Die 40 Zentimeter hohe Schicht aus Hagelkörnern wurde mit Radladern auf Lkw geladen und abtransportiert.
„An eine solche Hagelmasse kann ich mich nicht erinnern, und ich zeichne jetzt schon seit 30 Jahren das Wetter auf“, sagte damals der Sinzenicher Meteorologe Karl Josef Linden. Er hatte beobachtet, wie Bodenwolken aufgestiegen waren. Gleichzeitig wurde warme Luft aus Euskirchen angesaugt. „Dadurch entstand zum eigentlichen Gewitter ein Nebenschauplatz, der 85 Blitze zusätzlich hervorbrachte“, so Linden. Die Gewitterwolken stiegen bis zu zwölf Kilometer hoch, der Niederschlag kam als Hagel in zuvor unbekannten Massen herab.
Auch am 30. Juni 1988 suchte ein schweres Unwetter Kommern heim, ließ den Bleibach über die Ufer treten und sorgte für Überschwemmungen. (tom/mez)