Satzvey/Katzvey – Fünf Wochen ist es jetzt her, dass die Flutkatastrophe viele Dörfer und Städte in der Region überschwemmt hat. Schon am Tag nach der Flut machten sich viele Helfer aus ganz Deutschland auf den Weg, um den Betroffenen zu helfen. Doch für viele Helfer ist mittlerweile der Alltag zurückgekehrt.
Sie haben die Kommunen im Katastrophengebiet wieder verlassen. Ob sie wiederkommen, ist nicht klar. Vier Orte aus zwei Kreisen aber sind eine Partnerschaft eingegangen, die länger als die Folgen der Flut dauern soll. Vier Orte, die sich bis vor Kurzem noch gar nicht kannten.
Hilfe aus Fliesteden
„Als wir davon gehört haben, dass Hilfe gebraucht wird, haben wir gar nicht lange gefackelt“, sagt Elisabeth Hülsewig, Ortsvorsteherin von Fliesteden. Sie hätten nicht einmal gewusst, wo die Dörfer überhaupt liegen, in die sie fahren. Die Katzveyer Ortsbürgermeisterin Nathalie Konias sei zunächst überrascht vom Hilfsangebot gewesen, hätte sie dann aber sehnsüchtig erwartet.
„Wir haben abgewartet, bis wir wussten, was gebraucht wird. Und dann sind wir los“, sagt Hülsewig. Schon am Sonntag nach der Flut sammelten sich die ersten zwölf Helfer auf dem Hof Linzbach im Nachbarort Büsdorf – samt Schaufeln, Schubkarren, Werkzeug und Stromaggregaten. Die Nachbarorte Fliesteden und Büsdorf liegen im Rhein-Erft-Kreis, Katzvey und Satzvey im Kreis Euskirchen. Ganze 60 Kilometer trennen die vier Dörfer voneinander. Trotzdem begleiten die Helfer aus Rhein-Erft die Mechernicher Außenorte seit Wochen. „Wir wollten keine einmalige Hilfsaktion“, sagt Hülsewig. Das, was die Orte dauerhaft verbinden soll, ist eine Patenschaft.
Kontakt über Golfclubs
Entstanden ist die Zusammenarbeit zwischen den Orten über den Besitzer des Golfclubs in Fliesteden. Der wohnt selbst in Katzvey. Ursprünglich wollte nur Fliesteden helfen. Schnell erklärte sich aber auch der Nachbarort Büsdorf bereit, mit anzupacken. Mit einem Aufruf in den Sozialen Medien sammelte der Büsdorfer Benedikt Burtscheidt Helfer. „Diese Betroffenheit der Leute, die ihr Hab und Gut verloren haben, die einfach nur fertig sind – die konnten wir nicht im Stich lassen“, erläutert er.
Vielleicht sei das auch einfach sein Credo: „Wenn ich etwas tun kann, dann bin ich da und helfe.“ Burtscheidt ist in seinem Heimatort Büsdorf kein Unbekannter. Er ist Vorsitzender des Dorfvereins, war die Jungfrau des Dreigestirns 2019 und ist Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr. Für die rund 60 Helfer aus Rhein-Erft übernahm er eine weitere Funktion: Er war ihr Einsatzleiter. „Wir sind in die Häuser rein und haben Mauern rausgerissen. Aus den Gärten haben wir die Baumstämme geholt.“ Oft musste die Hilfe spontan und kurzfristig organisiert werden.
Bürgerbus als Transportfahrzeug
„An einem Mittwoch zum Beispiel sind wir los, um das Flussbett des Veybachs sauber zu machen, weil es am Wochenende wieder regnen sollte“, sagt Burtscheidt. Sie hätten den ganzen Tag Baumstämme mit Kettensägen zerlegt und Autoreifen aus dem Bach gefischt.
Als Transportfahrzeug diente den Helfern der Fliestedener Bürgerbus. Der Achtsitzer soll eigentlich die Verkehrsanbindung der beiden abgelegenen Bergheimer Ortsteile sicherstellen. Nach der Flut brachte er Helfer, Waschmaschinen und Kühlschränke. Die mühselige Strecke, die seit den Sperrungen der Autobahnen 61 und 1 über die B 477 führt, kennt der Fahrer des Bürgerbusses mittlerweile auswendig. „Wir sind jedes Mal eineinhalb Stunden gefahren, haben zehn bis zwölf Stunden gearbeitet und erst aufgehört, als wir erschöpft waren“, erläutert Burtscheidt. Und dann sei es wieder eineinhalb Stunden zurück in die Heimat gegangen.
Auch psychologische Unterstützung
In Katzvey und Satzvey habe jeder gemacht, was er konnte. Ein Mechatroniker reparierte einen Bagger und schlammverschmutzte Autos. Ein Elektriker kümmerte sich um Strom. Einen Grill und Würstchen brachten die Helfer für die Betroffenen mit – und die versorgten sie dafür mit Äpfeln und Brötchen. Auch ein Psychologe habe sich den Helfern aus Rhein-Erft angeschlossen, sagt Heike Waßenhoven, Ortsvorsteherin von Satzvey.
„Nach der Katastrophe brauchten wir nicht nur Hilfe. Wir hatten auch alle Gesprächsbedarf.“ Ein offenes Ohr habe vielen gutgetan, erläutert Waßenhoven. „Ich war überrascht, dass sich selbst unsere Eigenbrötler im Gespräch mit den Fremden geöffnet haben.“ Die Fliestedener und Büsdorfer haben aber noch weiter daran gearbeitet, dass eine langfristige Freundschaft entsteht. Der Dorfverein Büsdorf 2013 organisierte ein Benefizkonzert für Katzvey und Satzvey – und lud auch die Bewohner beider Orte ein. Menschen, die sich in größter Not kennenlernten, lagen sich auf einmal in den Armen. 9000 Euro wurden allein während des Konzerts für die Flutopfer gesammelt.
Auf dem Spendenkonto, das die Helfer aus Rhein-Erft eingerichtet haben, sind mittlerweile 30 000 Euro eingegangen. Eine Spende an die Betroffenen statt Geschenke – das war der Geburtstagswunsch vieler Fliestedener. Im Herbst ist noch eine weitere Aktion geplant, an der sich alle vier Orte gleichzeitig beteiligen. Sie soll buchstäblich dabei helfen, dass die Freundschaft Wurzeln schlägt: In allen Dörfern wird ein Baum gepflanzt, der an das gemeinsam Erlebte erinnert.