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Stadt ließ Grab abräumenFamilie aus Kommern ärgert sich über Mechernicher Verwaltung

Lesezeit 4 Minuten
Gabi Große, Bernhard Hoffmann und Anja Hoffmann stehen auf dem Friedhof in Kommern an der Stelle, wo sich bis vor Kurzem noch das Grab ihrer Schwester Sabine befand. Gabi Große hält ein Grabgesteck in der Hand.

Fassungslos stehen (v.r.) Gabi Große, ihr Bruder Bernhard Hoffmann und Schwägerin Anja Hoffmann an der Stelle, wo sich bis vor Kurzem noch das Grab ihrer Schwester Sabine befand. Über das Abräumen der Grabstelle wurde die Familie nicht informiert.

Kurz vor dem 30. Todestag hat die Stadt Mechernich das Grab von Sabine Hoffmann abräumen lassen – die Familie wurde davon vollkommen überrascht.

Als Gabi Große am Freitag der vergangenen Woche das Grab ihrer Schwester Sabine Hoffmann auf dem Kommerner Friedhof besuchen will, trifft sie fast der Schlag: „Zuerst ist mir aufgefallen, dass eine schöne Buchenhecke entfernt worden war“, berichtet sie im Gespräch mit dieser Zeitung: „Doch dann sehe ich, dass in der Reihe etliche Grabstellen abgeräumt worden sind – darunter auch das Grab meiner Schwester.“

Aufgebracht fährt sie zu ihrer Schwägerin Anja Hoffmann nach Schaven. „Ich habe sofort gesehen, dass etwas passiert sein musste“, erinnert sich diese. „Ich habe gefragt: ‚Ist jemand gestorben?‘“ Auch sie ist vollkommen fassungslos darüber, was Gabi Große ihr berichtet. Gemeinsam rufen sie bei der Mechernicher Stadtverwaltung an. „Eine Mitarbeiterin hat uns dann bestätigt, dass die Stadt das Grab hat abräumen lassen.“

Junge Frau aus Schaven starb vor 30 Jahren bei Flugzeugabsturz

Die Familie kann nicht verstehen, dass die Stadt sie vorab nicht über diese Maßnahme informiert hat. „In diesem Monat jährt sich der Tod meiner Schwester Sabine zum 30. Mal“, berichtet Gabi Große: „Vor Allerheiligen wollte ich am vergangenen Freitag noch einmal nach dem Grab von Sabine und dem meines Vaters sehen und ein Grabgesteck ablegen.“

Weil die Route als gefährlich galt, entschieden sich Sabine und ihr Freund für das Flugzeug.
Bernhard Hoffmann über den Flugzeugabsturz, bei dem seine Schwester Sabine 1993 ums Leben kam

Sabine Hoffmann ist am 21. November 1993 bei einem Flugzeugabsturz in Guatemala ums Leben gekommen. Sie war damals zusammen mit ihrem aus Königswinter stammenden Freund auf einer Studienreise in Mittelamerika unterwegs. Ihre erste Station war Mexiko. Kurz vor ihrer Weiterreise nach Guatemala kam es in Mexiko zu einem Erdbeben. „Da hat mich Sabine noch angerufen und gesagt, dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen, ihr sei nichts passiert“, erinnert sich Große an das letzte Telefonat mit ihrer Schwester.

Blick auf den Friedhof in Kommern. Vor einem großen Baum steht ein altes Grabmal.

Neben etlichen Reihengräbern, darunter auch das von Sabine Hoffmann, wurde auf dem Friedhof in Kommern auch eine Buchenhecke entfernt.

In Guatemala sei die Weiterreise zunächst mit einem Bus geplant gewesen, weiß Bruder Bernhard Hoffmann: „Weil die Route als gefährlich galt, entschieden sich Sabine und ihr Freund für das Flugzeug. Es hieß, der Pilot habe die Orientierung verloren, was zum Absturz geführt haben soll. Bei dem Unglück sind alle 13 Insassen des Flugzeugs ums Leben gekommen.“ Sabine Hoffmann wurde nur 24 Jahre alt.

Familie wollte am Todestag letztmals Abschied von der Schwester nehmen

Der Leichnam wurde nach Deutschland überführt und am 2. Dezember 1993 auf dem Friedhof in Kommern beigesetzt. „Uns war bewusst, dass die Grabstelle nach 30 Jahren aufgehoben wird und eine Verlängerung der Nutzung auch nicht möglich ist“, sagt Große: „Zusammen mit der Familie und Freunden von Sabine wollten wir uns daher am 30. Todestag am Grab treffen und uns noch einmal von ihr verabschieden.“

Zunächst möchte ich aber sagen, dass es mir für die Angehörigen absolut leid tut – wir bedauern das sehr.
Fachbereichsleiterin Silvia Jambor, Stadt Mechernich

Silvia Jambor, die zuständige Fachbereichsleiterin bei der Stadtverwaltung in Mechernich, erklärt auf Anfrage dieser Zeitung, warum das Grab bereits vor Ablauf der 30 Jahre abgeräumt worden ist: „Zunächst möchte ich aber sagen, dass es mir für die Angehörigen absolut leidtut – wir bedauern das sehr.“ Das Problem sei gewesen, so Jambor weiter, dass es keinen Nutzungsberechtigten mehr gegeben habe.

Nutzungsberechtigter – mit diesem juristischen Fachterminus ist in diesem Fall Reinhold Hoffmann gemeint, der Vater der Geschwister Sabine, Gabi und Bernhard. Dieser organisierte vor 30 Jahren die Beerdigung und zahlte damals auch die fälligen Friedhofsgebühren.

Angehörige ärgern sich über Aussagen der Stadtverwaltung Mechernich

Doch Reinhold Hoffmann starb 2009. „Seitdem gab es für das Grab von Sabine Hoffmann keinen Nutzungsberechtigten mehr“, erklärt Jambor: „Wir haben daher im Mai dieses Jahres einen Aufkleber auf dem Grabstein platziert mit der Bitte, dass sich eventuelle Angehörige bei der Stadtverwaltung melden sollen.“ Große widerspricht: „Da war kein Aufkleber, das wäre uns ganz sicher aufgefallen.“

Als keine Rückmeldung kam, war die Sache für die Stadtverwaltung hingegen klar: „Wenn wir keine Angehörigen ausfindig machen können, kann die Grabstelle auch vor Ablauf der 30-Jahres-Frist abgeräumt werden. Zumal, wenn nicht ersichtlich ist, dass das Grab überhaupt noch regelmäßig gepflegt wird.“

Über diese Aussage ärgert sich die Familie besonders: „Wir haben das Grab immer gepflegt“, betont Bernhard Hoffmann. Noch im vergangenen Jahr sei zum Beispiel die Grabauflage aus Dekor-Rindenmulch erneuert worden. „Außerdem wurde das Grab immer bepflanzt, es standen ein Grablicht und eine Vase auf dem Grab sowie eine schöne Tonfigur aus Guatemala. Diese Sachen sind jetzt auch weg“, ärgert sich Gabi Große.

Sie kann auch nicht verstehen, warum im Rathaus niemand auf die Idee gekommen ist, genauer nachzufragen: „Der Ortsbürgermeister, der Bestatter, der regelmäßig mit der Friedhofsverwaltung zu tun hat, die kennen doch alle unsere Familie“, sagt Große: „Und meine Schwägerin arbeitet sogar bei der Stadtverwaltung.“ Den in wenigen Wochen anstehenden Todestag Sabines will die Familie trotzdem in einem würdigen Rahmen begehen, auch ohne den gemeinsamen Gang zum Grab.