Kreis Euskirchen – Angefangen habe alles mit Schreibwerkstätten für Menschen mit Behinderung, sagt Claudia Hoffmann von den Schreibwerkstätten der Lit.Eifel. Mittlerweile findet das Projekt in Schulen statt – und immer mehr Schulen im Kreis wollen daran teilnehmen.
„Es geht nicht um die richtige Rechtschreibung"
Nun hat die Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland das Jugendprogramm der Lit.Eifel mit dem Jugend-Kulturpreis ausgezeichnet (siehe „Preisverleihung im Herbst“). „Kinder mit einer Lese-Rechtschreibschwäche blühen richtig auf“, so Hoffmann. „Es geht nicht um die richtige Rechtschreibung oder Zeichensetzung. Da ist kein Lehrer bei. Keiner mit dem Rotstift. Keiner der korrigiert.“
Vielmehr gehe es um das Erzählen, so Hoffmann. So entstehen inzwischen ganze Bücher mit den Geschichten und Illustrationen der Jugendlichen, die sich um das Thema „Europa“ drehen. „Die Europa-Idee hat große Kreise gezogen“, so Hoffmann.
Das Jugendprogramm der Lit.Eifel, bestehend aus den Schreibwerkstätten und dem Jugendliteratur-Wettbewerb, ist in mit dem Jugend-Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland ausgezeichnet worden. Das teilt die Kulturstiftung der Sparkasse mit.„Mit beiden Projekten gelingt es der Lit.Eifel, junge Menschen an die Literatur sowie an das Schreiben und Illustrieren heranzuführen und dafür zu begeistern“, so die Stiftung in ihrer Begründung. Der Austausch untereinander und das Arbeiten am gemeinsamen Ziel baue Vorurteile ab und fördere die Verständigung.Die Preisverleihung ist für Herbst 2022 angesetzt. Der Preis war bisher mit 5000 Euro dotiert. (jes)
Europa steht im Mittelpunkt des Projekts
Hintergrund der Idee: die Frage, was Europa und die Europäische Union (EU) mit den Jugendlichen zu tun haben, da die EU immer selbstverständlicher werde, sagt Hoffmann. Zudem sei 2018 das Jahr des Europäischen Kulturerbes gewesen und ein Interrail-Projekt gestartet worden.
Unter dem Titel „The Road Trip Project“ sollten die Schüler sich in ihren Geschichten auf die Reise nach Finnland begeben, ganz wie bei dem echten „Road Trip Project“ der EU – im ersten Kapitel alleine. Die Vorgabe: morgens um 6 Uhr starten und um 18 Uhr in Berlin sein. Mit dem Zug. „Habe ich verschlafen oder konnte ich die ganze Nacht vor Aufregung kein Auge zu bekommen? Wie komme ich zum Bahnhof? Ist der Zug pünktlich?“, gibt Hoffmann ein paar Ideen.
Road Trip: Mit dem Zug nach Finnland
Das zweite Kapitel wurde dann zu zweit geschrieben: „Die Figuren fangen an zu interagieren, denn nun geht es zu zweit auf die Reise an einen bestimmten Ort. Der Autor muss seine Figur ein Stück loslassen – wie im wahren Leben auch“, so Hoffmann.
Die Vorgaben dabei: Besucht eine europäische Welterbestätte. Was ist daran wichtig? Warum ist es eine Erbestätte? Und: An dieser Stätte passiert etwas, was die Figur nachhaltig verändert. Außerdem soll mit einem Vorurteil aufgeräumt werden. Nach der Kulturerbestätte schrieben die Schüler dann zu viert weiter. „Im Laufe der Arbeit lösen sich Grenzen auf“, sagt Hoffmann. „Das ist das Europäische.“
Darüber hinaus sollten die Jugendlichen einen Rückblick nach einem europäischen Freiwilligenjahr wagen und sich im dritten Jahr vorstellen, sie würden in einem Jugendgästehaus wohnen, bei dem im Erdgeschoss eine Buchhandlung sei und kurz vor deren Eröffnung ein großes Unglück passiere.
Idee trägt bereits erste Früchte
„Die ursprüngliche Idee war, Multiplikatoren für Europa zu finden“, so Hoffmann. Und das habe funktioniert: Eine Teilnehmerin sei später nach Polen gegangen und habe eine eigene Schreibwerkstatt angeboten.
Im Laufe der Zeit haben sich die Geschichten entwickelt, so Hoffmann: „Die Autoren werden mutiger. Es gibt mehr gleichgeschlechtliche Paare; Transgender, Umweltschutz und Achtsamkeit sind Thema bei den Geschichten.“
„Mittlerweile haben die Schreibwerkstätten richtige Fans“, sagt der Illustrator Jan Hillen, der 2014 mit eingestiegen ist, als bei den Schreibwerkstätten ein Drehbuch geschrieben und anschließend damit ein Film gedreht wurde. Jugendliche, die bei dem „Road Trip Project“ mitgemacht haben, wollen auch bei dem zweiten und dritten Teil mitmachen. „Viele hängen noch eine Stunde dran, um ihre Geschichte weiterzuschreiben“, sagt Hillen.
Zusammenarbeit von Autoren und Illustratoren
Wer weniger gerne schreibt oder mal etwas Neues ausprobieren möchte, kann auch die Illustrationen für die Geschichten anfertigen. Die Übungen dazu übernimmt Hillen mit den Jugendlichen. „Mittlerweile entstehen kleine Redaktionen. Die Autoren kommen zu den Illustratoren oder rufen uns zu, was sie an Bildern brauchen“, sagt Hillen. Anfangs werden neutrale Dinge illustriert, um ein Gefühl zu bekommen.
In manchen Teilnehmenden stecken aber auch verborgene Talente, sagt Hillen. „Ich möchte jemand sein, an den sich die Schülerinnen und Schüler im Nachhinein erinnern als jemand, der sie ernst nimmt“, sagt Hoffmann.
Für die Schulen ist das Programm kostenlos. Das Prinzip funktioniert klassenintern, aber auch jahrgangsstufenübergreifend und sogar schulübergreifend, weiß Hoffmann. All das sei bereits ausprobiert worden. „Viele Schulen haben Interesse“, sagt sie.