Kriegsausstellung in Schmidter KircheHunderte sowjetische Kriegsgefangene in der Eifel ermordet

Konrad Schöller (links) und sein Sohn Benedikt vor einer der Ausstellungswände in der Kirche in Schmidt.
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Eifel – Es ist ein sehr lange verdrängtes und vergessenes Massenverbrechen, das Konrad Schöller und sein Sohn Benedikt derzeit im Rahmen einer Ausstellung in der Kirche in Schmidt thematisieren: die Ermordung Hunderter sowjetischer Kriegsgefangener zwischen 1941 und 1944 in der Region. Das Lager für sowjetische Kriegsgefangene wurden schon wenige Monate nach dem Beginn des Angriffs im Osten am 22. Juni 1941 auch im Westen Deutschlands eingerichtet. Das Morden vollzog sich buchstäblich vor den Augen der Eifeler: Die gemeinhin als „Russenlager“ bezeichneten Internierungsstätten lagen oft unmittelbar an den Orten. Jeder konnte sehen, wie diese von entsetzlichem Hunger ausgemergelten Menschen in zerlumpter Kleidung zu ihren Arbeitsstellen geführt wurden. Im Lager aßen manche in ihrer Not Gras oder den Teer, der im Sommer vom Barackendach tropfte. Trotz des Elends war den zivilen Anrainern jede Hilfe streng verboten.
Es gab solche Hilfe jedoch, wie die Berichte von Zeitzeugen suggerieren. Mal „verlor“ beispielsweise ein Bauer ein paar Kartoffeln auf dem Weg, über den die Russen kamen. Oder es gelangte ein Brot auf wundersame Weise an den Wegesrand. Doch dies konnte das Massensterben nicht verhindern. Die Leichen wurden hinter den Lagern in Massengräbern verscharrt. Die Todesursache wurde regelmäßig verschleiert: „Kreislaufschwäche“ ist bei sieben Kriegsgefangenen des Lagers Hollerath eingetragen, die innerhalb von zehn Tagen im Oktober 1941 verstorben waren. Ein weiteres Opfer in dieser Zeit starb angeblich an „Herzinfektion“, und ein sowjetischer Gefangener beging in Hellenthal eine Selbsttötung. Zur hohen Sterblichkeit trugen auch drakonische Strafen bei, die dem Kriegsvölkerrecht hohnsprachen. „Auf der Flucht erschossen“ war als Todesursache keineswegs selten.
Die Toten verscharrt
Eine „Gräberliste“ der Kreisverwaltung Schleiden aus dem Jahr 1949 wies für das Lager Hollerath neben fünf namentlich bezeichneten sowjetischen Opfern auch „61 russ. Kriegsgefangene“ aus, deren Identität vier Jahre nach dem Krieg nicht mehr feststellbar war. Die Toten waren verscharrt worden. Der Amtsbürgermeister der Gemeinde Mechernich erfasste am 25. April 1946 insgesamt 17 verstorbene russische Staatsangehörige. Ob es sich um Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter handelte, ging nicht aus der Liste hervor. Drei Opfer meldete die Gemeinde Sötenich für ihren Sprengel. Eines der Opfer war bei einem Luftangriff gestorben, zwei Kriegsgefangene, Wedna Wassiliew und Michael Olejnikow, starben am 30. April 1944 in Sötenich, Todesursache: „Erschossen“. Beigesetzt wurden diese Toten nur selten auf Friedhöfen. Die demonstrative Verachtung der Nazi-Akteure drückte sich in den Beisetzungsstätten aus: Beerdigt wurde sie auf jüdischen Friedhöfen.
Die sterblichen Überreste von 2322 Opfern aus der Sowjetunion wurden Anfang der 1960er Jahre auf einer eigenen Kriegsgräberstätte oberhalb von Rurberg an der Straße nach Kesternich beigesetzt. Ihre Gebeine waren zuvor an 38 Orten der damaligen Kreise Monschau, Erkelenz, Geilenkirchen, Aachen, Jülich, Düren und Schleiden sowie auch aus dem belgischen Grenzbereich exhumiert worden. Das geschah unter Federführung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Eine erhebliche Zahl an Opfern stammt aus dem Gebiet des früheren Landkreises Schleiden. Die sowjetischen Opfer waren nach 1945 zum bestehenden Massengrab neben dem ehemaligen „Waldlager Hollerath“ beigesetzt worden. Mit der Errichtung der Begräbnisstätte des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Rurberg wurden schließlich 191 Opfer von Hollerath nach Rurberg umgebettet. Überwiegend handelt es sich um ehemalige Angehörige der sowjetischen Armee, die als Kriegsgefangene Opfer des Vernichtungskrieges geworden waren.
Da die Namen damals überwiegend unbekannt waren, wurden die meisten Toten in zwei großen Gemeinschaftsgräber-Flächen bestattet. Darunter sind einige ehemalige Zwangsarbeiter sowie Opfer des Bombenkriegs. Am 2. Juni 1961 wurde die Gräberstätte durch NRW-Innenminister Josef Hermann Dufhues eingeweiht. Das architektonisch bemerkenswerte Eingangsbauwerk wurde 1993 mit dem Architekturpreis der Stadt Aachen ausgezeichnet.
Anfangs waren tatsächlich nur wenige Namen der in Rurberg beigesetzten Menschen bekannt. Das hat sich geändert. Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten in Dresden übermittelte der Gemeinde Simmerath eine Liste mit rund 2300 Namen der Opfer. Damit ist es möglich, den Opfern ihre Namen wiederzugeben. Wie Annemie Theißen von der Friedhofsverwaltung Simmerath berichtete, will die Gemeinde das Gräberfeld umgestalten. Auf den Gemeinschaftsgräberfeldern sollen Stelen aufgestellt werden, an denen ein Steinmetzbetrieb die nun bekannten 2300 Namen verzeichnen soll. Die Neueröffnung ist für das Frühjahr 2016 geplant. (fa)
Zwei sowjetische Tote meldete der Amtsbezirk Schleiden, was schon deshalb nicht stimmte, weil es mindestens ein Dutzend Tote unter den sowjetischen Kriegsgefangenen bei einem Bombentreffer auf das Schloss gegeben hatte. Acht sowjetische Opfer waren beim Amtsbezirk Schmidtheim verzeichnet, darunter in zwei Fällen mit der Todesursache „Erschießung“: Wassilij Mesinzow und Iwdokin Iwanow, zwei Internierte aus dem Kriegsgefangenenlager Berk-Bevertberg, die kurz nach einem Fluchtversuch aus dem Lagerkomplex nahe des Klosters Maria Frieden ergriffen worden waren. Im Tal der Berke, dicht bei dem Lager, beobachtete der fassungslose damalige Hütejunge des Dorfes Berk, wie beide Gefangenen am 8. Oktober 1941 auf einer Weide hinterrücks erschossen wurden. Zehn sowjetische Opfer des Lagers Berk wurden auf dem örtlichen Friedhof beigesetzt, 25 weitere neben dem Lager Bevertberg verscharrt. Das dortige Kriegsgefangenenlager war in einem der ehemaligen Lager des Reichsarbeitsdienstes untergebracht.
Im Kriegsgefangenenlager Nettersheim gab es einen erschossenen Kriegsgefangenen namens Kurzma Solsow. Vier weitere starben innerhalb weniger Wochen an „Krankheit“. Auch im Amtsbezirk Hergarten ist bei zwei Opfern die Todesursache „Erschießung auf der Flucht“ verzeichnet. Die beklemmenden Aspekte des Eifeler Lagerkosmos' in den frühen 1940er Jahren behandelt die Ausstellung von Vater und Sohn Schöller in der auch als „St. Mokka“ bekannten Kirche in Schmidt. Zahlreiche Fotos und Texte machen das Geschehen greifbar. Ausstellungsmacher Benedikt Schöller, von Hauptberuf Lehrer für Geschichte und Erdkunde am St. Angela-Gymnasium in Bad Münstereifel, sieht die Ausstellung auch vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen. „Die Pfarre St. Hubertus setzt mit dieser Dokumentation ein wichtiges Zeichen in Richtung Völkerverständigung zwischen West und Ost“, so Schöller. Gut dokumentiert sind anhand der Lagerbuchführung einige biografische Beispiele aus der Region.
Zu der Ausstellung bieten die Schöllers auch ein Rahmenprogramm mit Vorträgen und Angeboten an. Dazu lohnt ein Blick auf die Internetseite.