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Wildunfälle in PaarungszeitWenn auch im Kreis Euskirchen Liebe die Rehe leichtsinnig macht

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Ein toter Rehbock liegt vor einem beschädigten Auto.

In der Paarungszeit der Rehe ist die Gefahr von Wildunfällen besonders hoch.

In der Paarungszeit der Rehe steigt auch im Kreis Euskirchen die Gefahr von Wildunfällen. Böcke und Ricken laufen selbst am Tag über die Straßen.

In diesen Wochen geht es beim Rehwild heiß her. Es ist Paarungszeit, oder, wie es in der Jägersprache heißt, Brunft oder Blattzeit. Und das wirbelt den Tagesablauf der Tiere ganz schön durcheinander. Sie sind oft am helllichten Tag auf den Wiesen und Feldern zu sehen, aber auch nachts auf den Beinen. Für Autofahrer heißt das mehr denn je, wachsam zu sein, damit es nicht zum Zusammenstoß mit einen Bock oder einer Ricke kommt.

984 Wildunfälle hat die Polizei im Kreis Euskirchen im vergangenen Jahr aufgenommen, 739-mal war Rehwild daran beteiligt. Das war mehr als im Jahr 2022, da gab es 896 Wildunfälle, davon 671 mit Rehen. Bei den anderen Tieren handelte es sich um Wildschweine, Hirsche, Füchse, Hasen und Dachse, berichtet die Polizei. Die meisten Wildunfälle passieren in Blankenheim, Bad Münstereifel und Hellenthal. In Blankenheim waren es im vergangenen Jahr 131, in Bad Münstereifel 127 und in Hellenthal 121. Fünf Menschen wurden dabei leicht verletzt, einer schwer.

Die Böcke sind auf die Fortpflanzung konzentriert

„Ab Mitte Juli bis in den August sind die Böcke auf die Fortpflanzung konzentriert“, bestätigt Angela Schmitz, Vorsitzende der Euskirchener Kreisjägerschaft. Dann überquerten die Tiere die Straßen ohne die jede Vorsicht. Und das meist zu zweit hintereinander, denn der Bock treibt die Ricke. Das heißt: Er folgt ihr, und das notfalls kilometerweit.

Um Wildunfälle zu vermeiden, rät die Polizei, vor allem in Waldgebieten und auf Landstraßen in der Dämmerung und in der Nacht langsamer zu fahren. Und die Schilder zu beachten, die vor Wildwechsel warnen. Wenn ein Tier auf die Fahrbahn springe, sei kontrolliertes Bremsen angesagt, keine hektischen Ausweichmanöver. Vom Landesjagdverband NRW heißt es außerdem: „Wenn kein Ausweichen möglich ist, ist der Frontalzusammenstoß mit Wild ungefährlicher als der Seitenaufprall gegen einen Baum.“

Ein 20 Kilogramm schweres Reh hat bei einem Zusammenstoß mit Tempo 100 ein Auftreffgewicht von mehr als einer halben Tonne.
Andreas Schneider, Pressesprecher des Landesjagdverbands

Allerdings könne auch ein eher kleines Wildtier wie das Reh ein Auto erheblich beschädigen. Andreas Schneider, Pressesprecher des LJV: „Ein 20 Kilogramm schweres Reh hat bei einem Zusammenstoß mit Tempo 100 ein Auftreffgewicht von mehr als einer halben Tonne.“ Er weist auch darauf hin, dass das Brunftgeschehen nicht nur im Wald, sondern auch auf Wiesen und Getreideschlägen stattfinde. Dort sei besondere Vorsicht geboten.

Der Jagdverband rät, nicht nur zum vorausfahrenden Fahrzeug, sondern auch zum rechten Fahrbahnrand ausreichend Sicherheitsabstand zu halten und bremsbereit zu sein. „Jährlich sterben etwa 30 Menschen auf Deutschlands Straßen bei Wildunfällen“, heißt es vom Jagdverband. Rund 2600 Menschen würden verletzt, der Sachschaden liege bei mehr als 531 Millionen Euro.

Jäger ahmt das Fiepen des Kitzes nach

Bei ganz korrekter Betrachtung sind Brunftzeit und Blattzeit übrigens doch nicht ganz das Gleiche, jedenfalls nicht für Jäger. Denn Brunftzeit nennt man die gesamte Paarungszeit, Blattzeit aber nur die Phase, in der es vielversprechend ist, das Rehwild anzulocken. Dazu ahmt der Jäger das Fiepen der Rehe nach, entweder das der Ricke oder das eines Kitzes.

Ursprünglich erzeugten die Waidmänner das Geräusch mit Hilfe eines Buchenblattes, das denn auch der Blattjagd ihren Namen gegeben hat. Mittlerweile gibt es unterschiedliche Hilfsmittel, die das Blatten erleichtern. Vielversprechend ist diese Jagdart, wenn der Höhepunkt der Brunft überschritten ist und die meisten Ricken bereits gedeckt – waidmännisch: beschlagen – sind. Dann ziehen die Böcke umher, um doch noch ein paarungswilliges Weibchen zu finden.

Die Kitze kommen erst im Mai oder Juni zur Welt. Nach der Paarungszeit setzt zunächst eine Keim- oder Eiruhe ein, erst nach etwa viereinhalb Monaten beginnt die Entwicklung des Embryos. Rotwild brunftet später im Jahr, die Paarungszeit beginnt normalerweise im September.


Was tun, wenn es doch gekracht hat?

Der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen hat zusammengestellt, was zu tun ist, wenn ein Unfall mit Rehwild, aber auch mit Schwarz- oder Rotwild passiert ist. Zunächst einmal sollte der Autofahrer unverzüglich anhalten und die Unfallstelle sichern. Wenn Menschen verletzt worden sind, müssen sie erst einmal versorgt werden. Wenn totes Wild auf der Fahrbahn liegt, sollte man es an den Straßenrand ziehen.

Falls das nicht möglich ist, kann man die Stelle mit dem Warndreieck oder einem Blinklicht sichern, damit kein weiteres Fahrzeug drüberfährt. In jedem Fall muss die Polizei verständigt werden. Die verständigt auch den Jäger, in dessen Revier der Unfall passiert ist. Die Unfallmeldung der Polizei ist wichtig, damit die Versicherung den Schaden am Auto zahlt. In NRW ist bei allen Wildunfällen mit Paarhufern – Hirsche, Rehe, Wildschweine und Mufflons – die Unfallmeldung bei der Polizei gesetzliche Pflicht.

Selbst wenn ein Tier scheinbar gesund weiterläuft und im Unfallbereich keine Blutspuren erkennbar sind, kann es schwerste innere Verletzungen davongetragen haben, an denen es später qualvoll verendet. Der Jagdausübungsberechtigte wird sich darum kümmern, dass nach dem verletzten Wild gesucht wird, wenn nötig mit einem dafür ausgebildeten Jagdhund. Nur der Jäger darf das tote Wildtier mitnehmen. Bei jedem anderen ist das Jagdwilderei und damit eine Straftat.