Nur 69,3 Prozent der Menschen im Kreis Euskirchen sind laut einer Studie gut an Bus und Bahn angebunden. Doch ist das die ganze Wahrheit?
Schlechte Anbindung?So reagiert die Kreisverwaltung Euskirchen auf Kritik am ÖPNV
Die gute Nachricht lautet: Fast alle Bürgerinnen und Bürger im Kreis Euskirchen, nämlich 98,4 Prozent, wohnen nur bis zu 600 Meter von einer Bushaltestelle beziehungsweise 1200 Meter von einer Bahnhaltestelle entfernt. Die weniger gute Nachricht: An vielen dieser Stellen kommt der Bus am Tag eher selten vorbei.
So steht es in einer Erhebung der gemeinnützigen Interessenorganisation Allianz pro Schiene. Was nutzt diesen Menschen das viel gepriesene Deutschlandticket? Die Verantwortlichen beim Kreis halten dagegen: Die Studie spiegele das gesamte Angebot nicht vollständig wider.
69,3 Prozent der Bürgerinnen und Bürger im Kreis Euskirchen leben 600 Meter oder weniger von einer Bushaltestelle oder 1200 Meter von einer Bahnhaltestelle entfernt, die mindestens 28 Abfahrten am Tag bietet. Haltestellen mit mindestens zehn Abfahrten haben 91,4 Prozent der Kreisbewohner in der Nähe.
Im Vergleich mit den Nachbarkreisen sieht der Kreis Euskirchen auf den ersten Blick nicht gut aus: In der Städteregion Aachen haben fast alle eine Haltestelle mit 28 Abfahrten täglich innerhalb eines Radius von 600 Metern (Bus) beziehungsweise 1.200 Metern (Bahn). Die anderen Nachbarn: Düren 92,8 Prozent, Rhein-Erft-Kreis 96,3 Prozent, Rhein-Sieg-Kreis 92,2 Prozent.
Wenn wenige Menschen auf vergleichsweise großem Raum leben, ist die Bereitstellung eines halbwegs wirtschaftlichen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zwangsläufig schwierig. Und der Kreis Euskirchen ist mit rund 160 Einwohnern pro Quadratkilometer nicht gerade dicht besiedelt.
Kreisverwaltung: 160.000 Fahrgäste nutzten 2022 das Taxi-Bus-System
Dass Städte wie Köln, Berlin, München oder Hamburg die 100 Prozent streifen, verwundert nicht. „Unter allen Städten und Landkreisen weist Bonn in Deutschland das dichteste Netz an Haltestellen im öffentlichen Verkehr auf (99,95 Prozent)“, teilt Allianz pro Schiene mit. Das bayrische Memmingen hat mit 92,4 Prozent laut der Erhebung von Allianz pro Schiene den schlechtesten Wert unter den kreisfreien Städten.
Im Euskirchener Kreishaus gibt es Zweifel an der Methode der Erhebung, wie Pressesprecher Wolfgang Andres erklärt: „Was uns an der Studie irritiert: Hier wird offensichtlich das Taxi-Bus-System völlig außer Acht gelassen.“ Dieses bilde jedoch die Basis des ÖPNV im Kreis Euskirchen, insbesondere im südlichen Bereich. Hier würden bestimmte Verbindungen sogar ausschließlich per Taxi-Bus bedient und angebunden.
„Und dieses System wird auch gut angenommen“, stellt Andres fest: „So hatten wir in 2022 insgesamt 160.000 Fahrgäste, die den Taxi-Bus genutzt haben.“ Die seien insgesamt eine Million Kilometer gefahren, das gesamte Angebot umfasse fünf Millionen Kilometer. „Fast jeder Ortsteil des Kreises ist entweder über den Linienbus oder den Taxibus im 1-Stunden-Takt angebunden“, so der Kreispressesprecher.
Euskirchener Landrat Markus Ramers fordert mehr Geld von Land und Bund
Ein Beispiel: Von der Bushaltestelle im Mechernicher Ortsteil Breitenbenden fährt werktäglich vier Mal zwischen 6 und 19 Uhr ein Bus zum Bahnhof Mechernich — mit mehreren Stationen in der Kernstadt. Darüber hinaus werden im selben Zeitraum elf Zeiten für eine Fahrt mit dem Taxi-Bus-Plus angeboten, die gegen einen Aufschlag fahren und spätestens 30 Minuten vor der Fahrt unter der Rufnummer 0 24 41/99 45 45 45 angefordert werden müssen.
Der Kreis biete zudem mit der „Haustür-Bedienung“ und den neuen virtuellen Haltestellen in Dahlem und Bad Münstereifel im Rahmen des Taxi-Bus-Systems sogar ein Angebot, das über die „normale“ ÖPNV-Anbindung in anderen Regionen hinausgehe (siehe auch „Virtuelle Haltestellen ...“), betont Wolfgang Andres in seiner Antwort auf die Fragen dieser Zeitung.
Übrigens: „Das Deuschlandticket gilt auch im Taxibus“, stellt Wolfgang Andres klar. Allerdings muss der Zuschlag gezahlt werden, also 1,20 Euro für Erwachsene und 50 Cent für Kinder von 6-14 Jahren.
ÖPNV-Verbesserungen in Zülpich, Dahlem und Bad Münstereifel
Um besser zu werden, fehlt das Geld. Das hatten Landrat Markus Ramers und sein Allgemeiner Vertreter, Achim Blindert, bereits im Januar deutlich gemacht. „Wir brauchen eine Änderung des Finanzierungssystems“, hatte Ramers gesagt. Ansonsten sei das Angebot kaum aufrecht zu erhalten, von der viel beschworenen Mobilitätswende gar nicht zu sprechen.
Denn für die Städte und Gemeinden, die den ÖPNV über eine Umlage hauptsächlich nach gefahrenen Kilometern auf ihrem Gebiet und zu einem geringeren Teil aufgrund ihrer Steuerkraft bezahlen, stehen insgesamt rund 14 Millionen Euro auf der Rechnung für 2023. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2019. Als Gründe werden die gestiegenen Energiekosten und Lohnsteigerungen genannt. Dass Ramers mit seinem Appell erfolgreich sein wird, zeichnet sich nicht ab.
Städte und Gemeinden im Kreis Euskirchen zahlen 14 Millionen
Im Jahr 2023 hat der Bund zwar eine Milliarde Euro zusätzlich genehmigt. In diesem Jahr seien aber keine zusätzlichen Mittel in den Kreis geflossen, teilt die Pressestelle auf Nachfrage mit. Trotz der kargen finanziellen Mittel sei in den vergangenen Jahren doch einiges geschafft worden, betont die Kreisverwaltung und nennt in diesem Zusammenhang die Ausweitung der Bedienzeiten abends und an Wochenenden, die Reaktivierung der Bördebahn (Stundentakt), die Citybus-Angebote in Mechernich, Bad Münstereifel und Zülpich sowie die Umwandlung der Linie 829 (Kall-Hellenthal) in eine Schnellbuslinie (SB 81) mit hohen Qualitätsstandards.
Zudem seien die Zülpicher Linien neu strukturiert worden („Zülpich-Konzept“). Die Haustürbedienung und virtuelle Haltestellen im Taxi-Bus-System (Dahlem, Bad Münstereifel) und die Feizeitlinien Kermeter-Shuttle, Wanderbus Oberes Ahrtal, Eifelsteig-Wanderbus, Anbindung Freilichtmuseum Kommern seien eingerichtet und etabliert worden.
Die Nutzung des Taxi-Busses sei aktuell nahezu wieder auf dem hohen Stand der Vor-Corona-Zeit. „Dennoch sehen wir da noch Potenzial und wollen daher mit einer Marketingkampagne die Bekanntheit und Akzeptanz für den Taxi-Bus weiter steigern“, sagt Andres. Auch sei ein sukzessiver Ausbau der virtuellen Haltestellen geplant.
„Die Eifel E-Bikes werden aus unserer Sicht gut angenommen, wobei man einschränkend dazu sagen muss, dass sie genau eine Woche vor der Flut eingeführt wurden – entsprechend schwierig war der Start“, erläutert der Pressesprecher. Aber mittlerweile stiegen die Nutzerzahlen: So seien 2022 rund 9000 Mal den Eifel E-Bikes ausgeliehen worden, von denen es mittlerweile rund 140 an 45 festen und virtuellen Standorten im Kreis gebe.