Auch andere Studierende oder Referendare teilen diese Meinung. Es würde oftmals zu wenig ins Pädagogische gegangen.
BildungssystemReferendarin aus Euskirchen fühlte sich durchs Studium nicht gut vorbereitet
Die Bildungsministerin macht keinen Hehl aus der prekären Lage. „Der Lehrkräftemangel ist eine der größten Herausforderungen in unserem Schulsystem“, sagt NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU). „Ganz wichtig ist uns der Bereich Einstellung und Ausbildung.“
So soll etwa der Seiteneinstieg erleichtert werden. Bereits nach einer berufsbegleitenden 24-monatigen Ausbildung soll die Staatsprüfung mit dem Erwerb der Lehramtsbefähigung möglich sein – ein Modell, das auch im Kreis Euskirchen, etwa an der Karl-von-Lutzenberger-Realschule in Zülpich, angewandt wird.
Doch ist die Ausbildung an der Universität, ist der Unterricht im Allgemeinen an den Schulen noch zeitgemäß? Sind Studierende und Referendare auf den Alltag in den Klassen (gut) vorbereitet? Das sehen definitiv nicht alle so, die entweder gerade auf Lehramt studieren oder kurz vor dem Abschluss ihres Referendariats stehen.
Beendetes Referendariat bedeutet kein Lehrer zu sein
Dazu gehört beispielsweise Alina Heuschkel. Die 25 Jahre alte Euskirchenerin ist in wenigen Tagen mit ihrem Referendariat fertig. Nach eineinhalb Jahren an der Marienschule Euskirchen hat sie ab dem 1. Mai ihr zweites Staatsexamen in der Tasche. Wie es weitergeht, steht noch nicht abschließend fest. Bis zum Sommer hat die Englisch- und Geschichtslehrerin eine Vertretungsstelle an der Marienschule sicher.
Eine weitere soll es im Idealfall sein. Danach muss neu verhandelt werden. Sie würde gerne in der Region bleiben, doch an der MSE ist – zumindest aktuell – keine Stelle für sie frei. Unabhängig von der Schule, an der die Euskirchenerin unterrichten wird, will sie Erfahrungen sammeln. „Nur weil ich jetzt mit meinem Referendariat fertig bin, bin ich noch kein Lehrer“, sagt sie.
Gut Auto fahren könne man auch erst einige Zeit nach der Führerscheinprüfung. Mit den „Fahrstunden“ war die 25-Jährige eher unzufrieden. „Ich habe mich vom Studium überhaupt nicht aufs Referendariat vorbereitet gefühlt. Das, was man während des Studiums vermittelt bekommt, hat nur in ganz kleinen Teilen etwas mit dem zu tun, was man später macht“, ärgert sie sich.
Realitätsfremd?
Julia Kreider (Name geändert) unterrichtet aktuell an einer Förderschule im Kreis Euskirchen. Sie ist Seiteneinsteigerin. „Glücklicherweise ist mir von meinem Germanistik-Studium vieles anerkannt worden“, sagt sie. Zehn Unterrichtsbesuche habe sie gehabt. Diese fließen prozentual in die Endnote ein. Kreider hat vor wenigen Tagen ihr Referendariat beendet – mit Erfolg.
„Ich bin so froh, dass die Unterrichtsbesuche vorbei sind“, sagt sie und fügt enttäuscht hinzu: „Das ist so ein gekünstelter Mist, der rein gar nichts mit dem Alltag zu tun hat. Das ist nur Beschönigung für die Prüfungskommission.“ Auch Heuschkel denkt nicht unbedingt gerne an die Unterrichtsbesuche zurück. Die Kritik der Experten, die eine Unterrichtsstunde begutachten, sei oftmals sehr subjektiv.
So werde genau hingeschaut, ob das Lernziel nicht erreicht wurde oder es einen klaren Kompetenzschwerpunkt gegeben hat. „Es wird immer etwas gefunden, was kritisiert werden kann. Und wenn nicht, dann wird eben das Haar in der Suppe gesucht. Ich hatte ganz oft den Eindruck, dass ich es keinem Recht machen kann.“
Jeder wisse, dass Stunden, die für Unterrichtsbesuche konzipiert würden, nicht die Realität abbilden. Solche Stunden im Schulalltag zu halten, sei unmöglich. Die Schüler verhielten sich in der Prüfungssituation ja auch anders. „Mir wurde immer gesagt, dass sie nur schauen möchten, ob man in der Lage ist, eine perfekte Stunde abzuhalten. Damit man dann später im Alltag bestehen kann. Das macht das System noch ein bisschen schwieriger, weil man denkt, dass man während des Referendariats nur schauspielert.“
Eine perfekte Stunde habe sie noch nicht gehalten. „Ich hatte eine Englischstunde, nach der ich mich gut gefühlt habe. Aber perfekt war die auch nicht“
Zu Hause Schule gespielt
Fynn Bertram stehen Unterrichtsbesuche noch bevor. Er hat gerade sein Lehramtsstudium beendet und will sich nun für einen Referendariatsplatz bewerben. Lehrer werden wollte er zunächst nicht, auch wenn familiär doch irgendwie früh der Grundstein gelegt worden ist. „Ich habe neun Geschwister. Da spielt man auch schon mal öfter Schule. Da war ich dann gerne der Lehrer“, sagt der Biologie- und Sozialwissenschaftsstudent.
Auch er übt Kritik am Lehramtsstudium. „Das zweigeteilte Studium, in Bachelor und Master, ist nicht das wahre“, sagt Bertram. Das Studium sei sehr fachorientiert. Das habe Vorteile („Gutes Fachwissen ist wichtig.“), aber der pädagogische Teil komme vor allem im Bachelorstudium zu kurz.
Zu Beginn des Studiums gebe es zwar einen Praxiskurs, dieser sei zeitlich aber noch sehr nah an der Schule. „Da fühlt man sich ein wenig wie zwischen den Welten“, sagt der Euskirchener, der sich deutlich mehr Praxisphasen während des gesamten Studiums wünscht. „Die Anwendung des an der Uni Gelernten fehlt während des Studiums extrem“, so Bertram.
Viele Abbrecher
Dass das Studium überdacht werden sollte, zeigt ein Blick auf die Statistik. Die Zahl derer, die ein Lehramtsstudium beginnen, ist laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Andererseits ging die Zahl der Lehramtsabsolventinnen und -absolventen aber deutlich zurück. Sie sank von 2018 bis 2020 laut Kultusministerkonferenz um 13 Prozent.
Denn auch die, die ein Lehramtsstudium beginnen, machen viel zu selten einen Abschluss. Die Zahl derer, die ein Studium abbrechen oder das Fach wechseln, ist höher als in anderen Studiengängen. Und auch während des Referendariats werfen angehende Lehrerinnen und Lehrer noch oft das Handtuch (siehe „Zahlreiche Lehrer fehlen“). Und wer bereitet die angehenden Lehrer auf die Eltern ihrer Schüler vor? Auf Elternsprechtage werde man vor allem während der Referendariats-Seminare und in der Schule vorbereitet, sagt Alina Heuschkel.
„Pädagogik braucht Zeit“
In der Marienschule gibt es – wie an den anderen Schulen im Kreis Euskirchen – erfahrenere Lehrer, die sich um den Pädagogen-Nachwuchs kümmern. „Teilweise ist das auch Chefsache“, berichtet Micha Kreitz, Leiter des Gymnasiums am Turmhof in Mechernich.
Sein Kollege Michael Mombaur von der Marienschule bedauert, dass das Referendariat von zwei auf eineinhalb Jahre verkürzt worden ist. „Pädagogik braucht Zeit“, sagt der Marienschul-Chef. Ein verkürztes Referendariat erhöhe den Druck auf die angehenden Lehrer. Das könne kontraproduktiv sein.
Heuschkel sieht es dann eher realistisch: „Wenn man es wieder auf zwei Jahre ausdehnt, finden die Verantwortlichen bestimmt genug Möglichkeiten, noch ein paar Unterrichtsbesuche einzubauen. Dann war es das mit der Mehrzeit.“ Während eines Praktikums habe sie sogar kurzfristig daran gedacht, das Studium abzubrechen. „Es wird so unfassbar viel von einem gefordert. Vor, während und nach dem Unterricht – von anderen, aber natürlich auch von sich selbst“, so Heuschkel.
Altersunterschied zu Oberstufenschülern sei kein Problem
Die Euskirchenerin unterrichtet dort, wo sie vor wenigen Jahren selbst das Abiturzeugnis in die Hand genommen hat. „Ich hatte die Befürchtung, dass ich nicht ernst genommen werde, weil ja noch viele Lehrer da sind, die mich als Schülerin kennen. Das war aber zu keinem Zeitpunkt so. Ich war sofort in das Lehrerteam integriert“, sagt sie. Auch der nicht allzu große Altersunterschied zu Oberstufenschülern sei kein Problem gewesen.
Als Heuschkel von einem Gespräch mit einer Schülerin berichtet, beginnt sie zu strahlen – äußerlich, aber auch innerlich. „Sie hat mich angesprochen und gefragt, ob sie mit mir reden könne. Sie wolle mal mit einem richtigen Erwachsenen sprechen“, erinnert sich die 25-Jährige. Es seien genau solche Dinge, die den Job zu einem Beruf machen. Und es seien solche Situation, die den Ärger über das Studium und die teils harte Kritik während des Referendariats vergessen lassen.
Auch Pädagogin Julia Kreider ist fertig mit dem Referendariat. Viele freie Lehrerstellen gebe es im Kreis Euskirchen derzeit nicht. „Wir sind sogar angeblich überbesetzt“, sagt sie. Eine feste Stelle habe sie nicht angeboten bekommen. Deshalb geht es jetzt von der Förderschule an die Grundschule – als Vertretungslehrerin. Trotz der aus ihrer Sicht realitätsfernen Ausbildung hat sie den Quereinstieg nicht bereut. „Ich unterrichte für die Kinder und nicht die Ausbilder. Das ist das, was Spaß macht“, sagt die 32-Jährige.