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„Gunter“Bundesweit einzigartig – Kreis Euskirchen hat jetzt ein mobiles Gesundheitsamt

Lesezeit 5 Minuten
Geschäftsbereichsleiterin Birgit Wonneberger-Wrede und Landrat Markus haben im mobilen Gesundheitsamt Platz genommen.

Begeistert vom Mobilen Gesundheitsamt zeigen sich die Geschäftsbereichsleiterin Gesundheit und Soziales, Birgit Wonneberger-Wrede, und Landrat Markus Ramers.

Wenn’s darauf ankommt, kann „Gunter“ Leben retten. Das neue mobile Gesundheitsamt ist laut dem Landrat Markus Ramers ein Meilenstein.

Als im vergangenen Sommer nicht klar war, ob es in Mechernich einen Anschlag auf einen Trinkwasserbehälter gegeben hatte und ob das Trinkwasser noch nutzbar war, hätten die Einsatzkräfte„Gunter“ gut gebrauchen können. Vielleicht hätten sie dann früher Entwarnung geben können, wenn die Messergebnisse schneller vorgelegen hätten. So etwas kann „Gunter“ nämlich.

„Gunter“ steht für Gesundheit unterwegs – und ist der ganze Stolz des Gesundheitsamtes im Kreis Euskirchen. „Das ist ein Meilenstein für den gesundheitlichen Bevölkerungsschutz“, freut sich auch Landrat Markus Ramers. Das Hightech-Spezialfahrzeug soll sowohl im Tagesgeschäft als auch in möglichen Katastrophenfällen helfen.

Schnelle Klarheit bei Infektionskrankheiten

Und im Zweifel kann „Gunter“ dann auch Leben retten, wie Stephan Schmitz, zuständig für die infektionsmedizinische Gefahrenabwehr im Gesundheitsamt, betont: einzelne Leben oder sogar viele.

Wenn es um Infektionskrankheiten gehe, nennt Schmitz ein Beispiel, könne das Mobile Gesundheitsamt für schnelle Klarheit sorgen. Bisher seien die Beschäftigten des Gesundheitsamtes bei Proben auf externe Labore angewiesen, um etwa Fragen zu klären wie: Hat der Patient eine fieberhafte Infektions- oder eine Tropenerkrankung? Oder: Waren Salmonellen im Kartoffelsalat einer Gemeinschaftseinrichtung?

Mobiles Gesundheitsamt im Kreis Euskirchen soll Zeit sparen

Bislang wurden die meisten Proben langwierig in Labore, etwa nach Bonn oder Aachen gefahren. „Dann haben wir meistens am Folgetag die ersten chemischen Parameter. Klar, die mikrobiologischen Parameter dauern auch bei uns 48 Stunden. Das ist nun mal so“, so Stephan Schmitz: „Aber wir können nun sofort vor Ort loslegen.“ Der Zeitverlust durch den Transport falle weg, und an den Wochenenden geschlossene Labors seien dann auch kein Problem mehr.

Und auf Zeit komme es im Gesundheitswesen nun mal an. „Wenn wir einen Ebola-Patienten haben, der womöglich in einem Krankenhaus bestimmte Bereiche kontaminiert haben könnte, ergibt es Sinn, wenn wir schnell feststellen, was passiert ist – entweder um die notwendigen Maßnahmen auch beim Personal einzuleiten oder im besten Fall Entwarnung geben zu können“, berichtet Schmitz. „Dann brauchen wir schnell Ergebnisse, um eine Therapie einleiten zu können.“

„Gunter“ ist auch im Alltag im Einsatz

Nun sind solche Ereignisse zum Glück nicht an der Tagesordnung. Dennoch wird „Gunter“ nicht wochenlang in der Garage stehen und kommt nur zum Einsatz, wenn was Schlimmes passiert.

Im Gegenteil, stellt Gesundheitsamtsmediziner Christian Ramolĺa klar. „Unsere Aufgabe als Gesundheitsamt ist es ja, dass Gesunde gesund bleiben.“ So sei der Alltag geprägt von Untersuchungen von Kindern in Kitas und Schulen oder den amtlichen hygienischen Kontrollen, etwa von Krankenhäusern, Arztpraxen oder Apotheken.

Mit mobilem Gesundheitsamt ist der Kreis Euskirchen flexibler

„Wir sind als Gesundheitsamt vor allem aufsuchend tätig“, so Ramolla: Ob bei Infektionspatienten, Menschen in der Sexarbeit oder Asylbewerbern in den Einrichtungen – das Amt versuche immer, „in das Setting der Leute zu kommen“. Da sei das Mobil gerade in einem flächengroßen Kreis mit großen Entfernungen eine wichtige Hilfe.

Eine Gruppe Männer in neongelben Jacken steht vor einem Fahrzeug, daneben steht ein Mann in Sakko, Hemd und Jeans.

Stolz auf ihr „Baby“: Mitarbeiter des Gesundheitsamtes und Oliver Grotius (r.) von der Firma Detecon.

Er sei auch sehr froh, dass die Beschäftigten des Amtes nun nicht mehr die teilweise schweren Geräte für Untersuchungen am Kreishaus in Euskirchen einladen und beim Einsatzort wieder ausladen müssten und umgekehrt, sondern immer an Bord hätten, so der Gesundheitsamtsmediziner weiter. Abgesehen davon, dass diese Geräte im Mobil immer auf dem neuesten Stand und so die Untersuchungen für die Bürger im Kreis Euskirchen von hoher Qualität seien. „Denn die Aufgaben werden immer umfangreicher und diffiziler“, so Ramolla.

Euskirchener Projekt ist bundesweit einzigartig

Gleichzeitig leide auch das Gesundheitswesen unter dem Fachkräftemangel. Corona und Flut hätten das noch einmal verstärkt deutlich gemacht. „Wir mussten schneller sein und dabei berücksichtigen, dass wir ein Flächenkreis sind“, erläutert der Mediziner.

Ramolla sei der Vater des Projekts, lobt Geschäftsbereichsleiterin Gesundheit und Soziales beim Kreis, Birgit Wonneberger-Wrede, die innovativen Kräfte im Amt. Das Projektteam habe das „Kind“ dann großgezogen.

„Das ist eine Handanfertigung bis auf den Millimeter. So etwas kann man nicht im Katalog ankreuzen“, beschreibt Projektleiter Schmitz die dreijährige Entwicklungsarbeit. Aber es habe sich gelohnt: Ein solches Gefährt sei bislang einmalig, so Ramolla: „Ein Auto, in dem alle fachlichen Bereiche eines Gesundheitsamtes im gleichen Umfang repräsentiert sind, gibt es bisher nur in Euskirchen.“

Telemedizin ermöglicht Kommunikation zum Arzt

Laut Projektleiter Schmitz verfügt das Fahrzeug über eine komplette medizinische Ausstattung. Die Kommunikation zu einem Arzt könne jederzeit per Telemedizin hergestellt werden – etwa wenn bei einer Einschulungsuntersuchung kein Arzt dabei sei, könne die Fachkraft über eine gesicherte Videokonferenz abhörsicher hinzugezogen werden, natürlich unter der Berücksichtigung des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, wie Schmitz versichert.

Das Fahrzeug sei autark einsetzbar und kann – insbesondere in Krisensituationen – auch über eine Satelliten-Kommunikationsanlage mit anderen Behörden und Institutionen in Kontakt bleiben. „Weitreichende Erfahrungen aus Pandemie, Flut und den täglichen Aufgaben des Gesundheitsamtes sind in die dreijährige Entwicklungsphase eingeflossen“, so Schmitz.

Das Basisfahrzeug hat nach Auskunft der Verwaltung der Kreis bezahlt, bestückt wurde es in Zusammenarbeit mit der Firma Detecon. Die medizinische und technische Ausstattung wurde aus Mitteln des Projekts „Next Generation EU“ der Europäischen Union finanziert. Die Gesamtkosten belaufen sich laut Kreisverwaltung auf rund 400.000 Euro.


Das mobile Gesundheitsamt verfügt über modernste Technik

Das mobile Gesundheitsamt ist laut Kreisverwaltung mit modernster Technologie ausgestattet, die es ermöglicht, spezielle Krankheiten und biologische Gefahrstoffe zu analysieren. Hierfür stünden neben diversen Schnelltests unter anderem ein RAMAN®-Spektrometer (Laser) und ein mobiles PCR-Gerät zur Verfügung.

„Darüber hinaus verfügt das Gesundheitsamt nunmehr über eine weitreichende mobile Laborausstattung zur Untersuchung von Trink- und Badewasserproben auf mikrobiologische und chemische Stoffe sowie auf Blaualgen in Gewässern“, teilt die Verwaltung mit. Diese umfassende Ausstattung trage dazu bei, die Gesundheit der Bevölkerung aktiv zu schützen sowie Risiken und biologische Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und mögliche Maßnahmen einzuleiten.

„Gunter“ kann als mobile Arztpraxis eingesetzt werden

Zudem könne das Fahrzeug als mobile Arztpraxis eingesetzt werden. „Hierzu wurde neben einer umfassenden medizinischen Ausstattung wie EKG, Lungenfunktionstest, Seh- und Hörtestgerät und mobilem Ultraschall eine hochmoderne Videoausstattung integriert“, erklärt Projektleiter Stephan Schmitz.

Mit diesem System könnten die Fachkräfte des Gesundheitsamtes jederzeit einen Facharzt oder weitere Experten digital zuschalten. Beratungen, Impfaktionen, Untersuchungen und weitere Vor-Ort-Dienstleistungen des Gesundheitsamtes sind damit vollumfänglich möglich.

Bundesweit existierten zahlreiche mobile Lösungen in Gesundheitsämtern wie etwa Kältebus, mobile Beratungsstellen, Hörmobile und mobile Arztpraxen. Ein Fahrzeug, das weitestgehend alle Anforderungen an ein Gesundheitsamt realisiere, sei bislang einmalig. „Verbunden mit der umfassenden Ausstattung und den multiprofessionellen Fachkräften des Gesundheitsamtes ist der Öffentliche Gesundheitsdienst des Kreises Euskirchen damit bestmöglich vorbereitet“, so die Verwaltung.