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Cafés und GesprächeIm Kreis Euskirchen werden Trauernde nicht alleine gelassen

Lesezeit 6 Minuten
Vor einem roten Grablicht auf einem Stein liegen einzelne Blumen. Dahinter ist unscharf ein sitzender Mann zu sehen.

Wie tief und wie lange jemand nach dem Tod eines geliebten Menschen trauert, ist sehr individuell.

Verschiedene Einrichtungen im Kreis bieten Treffpunkte für Trauernde an. In Blankenheim wird eine Gruppe speziell für Männer eingerichtet.

Trauern muss man nicht alleine. Im gesamten Kreisgebiet gibt es Angebote, das mit anderen zu tun, die ebenfalls vom Verlust des Partners, eines Kindes, eines nahen Verwandten oder Freundes betroffen sind. Immer gilt: Trauer nimmt sich die Zeit, die sie braucht.

Abends sei es am Schlimmsten. Dann kommen die Fragen. „Warum bist du nicht hier?“ Anita Schmitz (Name geändert), 83 Jahre alt, blickt auf. Das frage sie sich, immer wieder. Seit drei Jahren, nachdem ihr Mann an Corona gestorben sei. Er habe über 40 Grad Fieber gehabt. Doch die Ärzte hätten ihre Bitte, sich zu kümmern, mehr oder weniger ignoriert. „Sie haben ihn einfach liegen gelassen“, so sehe sie das, klagt sie. Nicht nur, wenn sie zum Grab ihres Mannes im Friedwald bei Hümmel gehe, kommen die Gedanken hoch.

In Mechernich wird der Trauer Raum gegeben und Zeit gewährt

Ihren beiden erwachsenen Kindern will sie mit ihrer Trauer nicht noch immer in den Ohren liegen. Doch wer hört ihr sonst zu? Mit wem kann sie sich austauschen? Seit einiger Zeit besucht sie den Trauer-Raum der GdG St. Barbara Mechernich im Johanneshaus. Hier ist sie nicht alleine. Hier trifft sie an diesem Tag acht andere, denen es ähnlich geht: Trauer braucht seine Zeit. Hier wird sie gewährt.

Linda Schmitt-Thees ist Pastoralreferentin in Mechernich. Sie ist rechts im Bild zu sehen und hält bunte Karten in der Hand. Daneben sind in einem Raum Stühle im Kreis um einen kleinen Tisch positioniert.

Impulskarten nutzt Pastoralreferentin Linda Schmitt-Thees, um die Teilnehmer im Trauer-Raum ins Gespräch zu bringen.

Austausch und geselliges Beisammensein mit Kaffee und Kuchen im Wechsel mit Gesprächsrunden bieten Gemeindereferentin Doris Keutgen und ein dreiköpfiges Team seit mehr als zehn Jahren regelmäßig an. „Die Menschen kommen zu uns auch aus Hellenthal oder Schleiden. Weil sie die anonyme, geschützte Umgebung wollen. Im Dorf zuhause kennt doch jeder jeden“, so Linda Schmitt-Thees, Pastoralreferentin der GdG.

Sie hält gerade einen Fächer aus bunten Impulskarten vor sich wie ein Kartenspiel. Sie wirken als eine Art Eisbrecher für die, die heute gekommen sind. Worüber wollen sie zu Beginn sprechen: Bunte Ballons, Pflanzen, Obst? Was animiert zum Gespräch?

Ökumenischer Treff in Euskirchen bietet auch „Geh-Spräche“ an

Die Einsamkeit, die mit der Trauer kommt, kennt Anita Schmitz wie die anderen – sie sind meist zwischen 60 und 80 Jahre alt – nur zu gut. Sie erschwert die Trauerarbeit. Das weiß auch Diakon Jens Schramm von der Evangelischen Kirche Euskirchen, der zusammen mit Diakon Werner Jakobs von der Katholischen St.-Martin-Gemeinde das ökumenische Café Paradies in der Trauerhalle am Friedhof anbietet. Beide sind ausgebildete Trauerbegleiter.

Das Porträt zeigt Jens Schramm. Er steht im Eingangsbereich eines Gebäudes in Euskirchen, im Hintergrund ist ein Schaukasten mit mehreren Informationsblättern zu sehen.

Jens Schramm von der Evangelischen Kirche Euskirchen leitet den ökumenischen Treffpunkt für Trauernde.

Die Besucher können in kleinen oder größeren Gesprächsrunden reden und sich so Klarheit verschaffen, was sonst unausgesprochen bleibt. Zum Beispiel in „Geh-Sprächen“ wird beredet, was sie belastet. Meist kommen fünf bis zehn Teilnehmer, für die es zur Einstimmung Kurzandachten gibt.

Danach sprechen Schramm, Jacobs oder die ebenfalls geschulten ehrenamtlichen Helfer auf Wunsch auch direkt mit den Betroffenen über das, was ihnen auf der Seele lastet. Trauer ist nichts Negatives, und es ist normal, dass man sich nach dem Verlust eines geliebten Menschen erst abkapselt, dann versuchen muss, seinen Alltag neu zu ordne, soziale Kontakte wieder zu knüpfen.

Experten beschreiben vier Typen von Trauernden

„Ich bin nicht der oder die einzige, dem oder der es so geht. Das ist eine für viele entlastende Erfahrung“, so Schramm. Er berichtet von einem Elternpaar, das nach dem Tod des Kindes dessen Zimmer über Wochen unberührt gelassen habe: „Sie hatten immer noch die Hoffnung, dass das Kind einfach wiederkommt.“

Martin Westenburger ist Pastoralreferent der GdG Blankenheim/Dahlem. Er steht vor der Kirche in Freilingen und hält ein Schaubild in der Hand.

Martin Westenburger ist Pastoralreferent der GdG Blankenheim/Dahlem. Er organisiert den ersten Treff für trauernde Männer im Kreisgebiet.

Pastoralreferent Martin Westenburger sitzt in seinem Büro im Pfarrhaus der GdG hl. Apostel Matthias Blankenheim/Dahlem in Freilingen und nickt. Er kennt die Reaktionen. Und beschreibt, dass es vier Typen des Trauernden gibt.

Da sind diejenigen, die etwas tun wollen, die sich in hektische Betriebsamkeit stürzen und so die Trauerarbeit leisten. Dann die, die erst den Schmerz zulassen müssen, den sie körperlich spüren: Trauer kann, anders als Kummer, Körper und Seele grundlegend erschüttern. Die Vermeider, wie sie Westenburger nennt, versuchen, das Erlebte in ihrer Not zu verdrängen – wie das erwähnte Ehepaar. Die „Denker“ schließlich versuchen mit intellektueller Beschäftigung wie Fachliteratur oder Ähnlichem, das Ganze zu verstehen. Mischformen aus allem sind der Normalfall.

In Blankenheim wird der erste Treff für trauernde Männer organisiert

Irgendwann, mal früher, mal später, solle das Ganze aber dann auch vorbei sein. „Es muss jetzt endlich weitergehen.“ Solche Appelle hören vor allem Männer eher älteren Semesters, wenn sie trauern – sofern sie sich das zugestehen. Manche ziehen sich zurück, wo trauernde Frauen eher das tröstende Gespräch mit Freundinnen oder Verwandten suchen. Männer haben es da oft schwerer.

Deshalb ruft Westenburger zusammen mit Pfarrer Josef Berger, ehemaliger Männerseelsorger der GdG, den Treff für trauernde Männer unter dem tröstenden Slogan „Irgendwie geht es weiter“ ins Leben, der erste dieser Art in der Eifelregion des Bistums Aachen. Westenburger ist Trauerbeauftragter des Bistums für die Region und ausgebildeter Trauerbegleiter.

Trauerarbeit lässt sich nicht einfach abschalten, wie es das traditionelle Männerbild vielleicht vorschreibt. „Und dann melden sich bei mir Töchter, die sich Sorgen um ihre Väter machen nach dem Tod der Mutter“, so Westenburger. Er hat oft genug festgestellt: Männer haben das Trauern nie gelernt, es wurde ihnen eigentlich nicht zugestanden.

Wer eines dieser Trauerangebote besucht, weiß: Er oder sie ist nicht allein. Und muss es auch nicht bleiben, denkt man, wenn man die Geschichte hört, die Jens Schramm erzählt: „Es gab da zwei Trauernde, die sind sich bei uns im Café Paradies zum ersten Mal begegnet. Sie war schon länger Witwe, er noch nicht ganz so lange Witwer.“ Und dann sei das passiert, was zwar eigentlich nicht beabsichtigt ist im Trauercafé – aber nun ja: „Sie fanden sich sympathisch, später haben sie geheiratet.“


Mehrere Angebote im Kreis Euskirchen

Die Trauerangebote sind zum Teil Angebote der „Trauerpastoral 2024“ des Bistums Aachen. Dazu gehören auch die Hospizdienste der beiden Caritasverbände im Kreisgebiet. Das gesamte Jahresprogramm ist online verfügbar: www.bistum-aachen.de/seelsorge/trauerseelsorge

In Mechernich bietet die GdG St. Barbara den Trauer-Raum im Johanneshaus mit Austausch und geselligem Beisammensein an jedem vierten Freitag in ungeraden Monaten von 15 bis 17 Uhr, die nächsten Termine: 26. Juli, 27. September, 22. November. Gesprächsrunden finden jeden vierten Montag in den geraden Monaten von 19 bis 20 Uhr statt. Termine sind am 24. Juni, 26. August, 28. Oktober und 23. Dezember.

In Euskirchen ist das Café Paradies in der Trauerhalle am Friedhof bis Oktober an jedem ersten und dritten Sonntag von 14 bis 16.30 Uhr geöffnet.

Die GdG Blankenheim/Dahlem startet den Treff für trauernde Männer am 26. Juni um 19 Uhr. Eine Anmeldung ist bis 10. Juni bei Pastoralreferent Martin Westenburger unter Tel. 02697/9079568 oder per E-Mail erforderlich, um abschätzen zu können, wo welche Räumlichkeit geeignet ist. Für maximal zehn Teilnehmer ist das Treffen ausgelegt.