Die Flutkatastrophe im Kreis Euskirchen hat Spuren hinterlassen. Nun wurden die Ergebnisse einer Umfrage bekannt und erste Konsequenzen gezogen.
„Schwachstellen aufgedeckt“Ergebnisse der Flut-Umfrage aus dem Kreis Euskirchen überraschen Wissenschaftler
Betroffenheitsdiffusion – ein Begriff, der laut Francesca Müller einen Aspekt der Flutkatastrophe aus wissenschaftlicher Sicht überraschend, aber treffend wiedergibt. „Keiner hat in den Interviews immer nur sich im Blick gehabt. Jeder hat gesagt, dass er nicht betroffen sei, weil er nur 1,20 Meter Wasser im Keller hat – und damit sein eigenes Leid relativiert“, sagt die Doktorandin der Universität Wuppertal.
Aber natürlich sei man auch mit 1,20 Meter Wasser im Keller stark betroffenen gewesen. Diese Betroffenheitsdiffusion ist ein Ergebnis der Umfrage „Flutperspektive“, die die Universität Wuppertal und der Kreis Euskirchen gemeinsam durchgeführt haben.
Teilnehmer der Flutumfrage investierten teilweise viel Zeit
1412 ausgefüllte Fragebögen hat Müller erhalten. Ein Ergebnis, dass sie nach eigenen Angaben „sehr beachtlich findet.“ Teilweise haben die Menschen sich mehr als 70 Minuten Zeit gelassen, die zahlreichen Fragen rund um die Flut zu beantworten.
Mit 36 Betroffenen seien zudem noch Einzelinterviews geführt worden. Und drei Workshops haben stattgefunden, an denen Flutopfer teilgenommen haben. Alle Antworten und Erkenntnisse aus dem Kreis Euskirchen sollen nun als deutschlandweite Empfehlung für künftige Krisen- und Katastrophenszenarien interpretiert werden.
Kreis Euskirchen bildet PSNV-Einheit für Einsatzkräfte
Dazu wird auch die Erkenntnis gehören, dass die Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) unmittelbar nach der Flut problemlos funktioniert hat, es teils laut Müller ein Überangebot gegeben hat. „Nach drei Monaten hatten die Menschen aber oftmals erst Zeit, über das Geschehene nachzudenken. Und dann waren viele Angebote bereits nicht mehr in dem Maße vorhanden, wie es zu nötig gewesen wäre“, so Müller: „Dann war aber die Zeit da, zu reden. Dann waren das Haus leer geräumt, die ersten Anträge gestellt. Und dann kam wieder der erste Regen. Da wurden vielen erst bewusst, dass sie reden müssen.“
Facebook und Co. während der Katastrophe nicht so wichtig wie das persönliche Gespräch
Reden mussten auch die Einsatzkräfte. Deshalb hat sich recht schnell die PSNV-E-Kreiseinheit unter der Leitung von Rainer Brück gebildet. Das Team besteht inzwischen aus 19 ausgebildeten Ehrenamtlern. Im Katastrophenfall wären das aber nicht genug.
Daher sei es wichtig, nun die Umfragedaten zu haben, um auf höheren Ebenen anbringen zu können, dass PSNV auch Monate nach der Flut noch wichtig sei – vielleicht sogar wichtiger als in der Akutphase. Teil der Umfrage war auch, wie die Menschen im Kreis Euskirchen mit Sozialen Netzwerken während und nach dem Hochwasser umgegangen sind.
So gaben 70 Teilnehmer an, dass sie Soziale Netzwerke genutzt haben, um sich ein Bild von den Zerstörungen zu machen. Knapp 50 Prozent der Teilnehmer nutzten Facebook und Co., um sich über Hilfsangebote zu informieren oder eben andere davon wissen zu lassen.
Obwohl Soziale Netzwerke immer wichtiger würden, haben die Menschen in den Interviews aber angegeben, vor allem persönlich mit dem Nachbarn – oder auch Fremden – gesprochen zu haben. „Das Ziel ist, künftig besser aufgestellt zu sein“, sagt Müller: „Es sind viele Dinge gut gelaufen, aber es sind auch Schwachstellen aufgedeckt worden.“
Eine sei gewesen, dass 28 Prozent der Teilnehmer nichts über PSNV-Angebote gewusst haben. „Im schlimmsten Fall sind das diejenigen, die die Hilfe benötigen“, berichtet Müller. Deshalb werde man daran arbeiten, diese Angebote bekannter zu machen – eine Seele sei schließlich nicht unendlich belastbar.