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Familie empört16-Jährige aus dem Kreis Euskirchen sexuell belästigt – Verfahren eingestellt

Lesezeit 5 Minuten
Das Symbolbild zeigt eine sexuelle Belästigung: Die Hand eines Mannes liegt auf dem Knie einer Frau.

Um sexuelle Belästigung – hier ein Symbolbild – ging es in einem Verfahren, das die Staatsanwaltschaft eingestellt hat.

Gegen 1500-Euro-Auflage wurde das Verfahren eingestellt. Die Begründung sorgt für Unverständnis bei der Familie des Opfers aus dem Kreis Euskirchen.

Juristisch betrachtet ist der Vorfall, der sich Ende März 2024 am Rande einer privaten Feier ereignete, geklärt und abgeschlossen. Der Täter, ein 64-jähriger Mann, hatte bei der polizeilichen Vernehmung zugegeben, die 16-jährige Paula Fuchs (Namen der Familie geändert) aus dem Kreis Euskirchen auf der Geburtstagsfeier seines Sohnes sexuell belästigt zu haben.

„Er ist geständig und bedauert sein Verhalten offensichtlich“, heißt es in einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Bonn vom November vergangenen Jahres. Dies und die Tatsache, dass der Beschuldigte „bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist“, führte zu der Entscheidung, das Verfahren gegen den Mann einzustellen. Zur Auflage wurde ihm gemacht, 1500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu zahlen.

Uli Fuchs, der Vater der 16-Jährigen, ist darüber verwundert oder eher empört. „Und jeder, der Kinder hat, wird das sicher verstehen können“, sagt er. Im Prinzip, so der Vater, hätte erst noch Schlimmeres passieren müssen, damit ein Gericht sich mit dem Mann befasst. Tatsächlich habe die ältere Schwester des Opfers mit einer weiteren Person beim Betreten eines Raumes gesehen, wie der 64-Jährige ihre Schwester festgehalten und versucht habe, sie zu küssen, eine Hand habe er dabei unter ihren Pulli geschoben gehabt.

Die ältere Schwester rief nach dem Vorfall die Polizei

„Ich habe daraufhin die Polizei gerufen“, erzählt Nina Fuchs, die ältere Schwester – und zwar trotz der Tatsache, dass der Mann der Vater ihres damaligen Freundes ist. Sie habe noch versucht, den 64-Jährigen zur Rede zu stellen, der habe jedoch alles abgestritten. Die Polizisten hätten die Mädchen dann nach Hause gebracht, wo auch Uli Fuchs von dem Vorfall erfuhr. Familie Fuchs erstattete daraufhin Anzeige. Der Fall landete bei der Staatsanwaltschaft Bonn, die ein Ermittlungsverfahren wegen Sexueller Belästigung einleitete.

Ein halbes Jahr später dann kam der Bescheid, dass das Ermittlungsverfahren aus den oben genannten Gründen eingestellt worden sei, und zwar gemäß Paragraf 153a der Strafprozessordnung. Darin heißt es, dass die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen kann, „wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden – das Verfahren wird eingestellt.

Anwältin Anke Sefrin kann Frust der Familie verstehen

Opferanwältin Anke Sefrin aus Euskirchen kennt den Fall. Sie weiß, dass ein solcher Ausgang oft auf der Opferseite als ungerecht empfunden werde, rein rechtlich aber sei es gerecht. Immerhin: Früher seien solche Delikte oftmals aus Mangel an Beweisen eingestellt worden, heute nutze man die Möglichkeit der Auflage. „Und dabei schaut die Staatsanwaltschaft genau, wen sie da vor sich hat und wie gut situiert derjenige ist, denn die Zahlung des jeweiligen Betrages soll schon weh tun“, erklärt Sefrin, die der Schwester übrigens ein hohes Maß an Zivilcourage zuschreibt.

Vater Uli Fuchs jedoch versteht den Umgang mit Tat und Täter nicht: „Im Umkehrschluss heißt das ja, jeder Mann, der sich noch nichts zu Schulden hat kommen lassen, hat einen Freifahrtschein, eine Jugendliche zu belästigen, wenn er es danach nur ausreichend bedauert.“ Davon, dass dem 64-Jährigen sein Handeln leid getan hat, habe Nina Fuchs an dem betreffenden Abend „rein gar nichts gemerkt“.

Das regt mich am meisten auf, dass Alkoholkonsum als Grund genannt wird.
Die Schwester der 16-Jährigen

Vielmehr seien Dinge gesagt worden wie: „Das muss man nicht an die große Glocke hängen“, und außerdem habe er ja was getrunken: „Das regt mich am meisten auf, dass Alkoholkonsum als Grund genannt wird. Wenn du weißt, dass du dich nach ein paar Gläsern nicht mehr unter Kontrolle hast, egal, ob du aggressiv wirst oder jemanden begrapschst, dann trinkst du eben nichts. Und dieser Mann ist wirklich alt genug.“

Die Staatsanwaltschaft Bonn spricht von einem „leichteren Straftatbestand“

Sebastian Buß, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Bonn, erklärt, wie es zu dem Beschluss gekommen ist, so: „Es handelt sich bei dem Fall nicht um einen sexuellen Übergriff, sondern um eine sexuelle Belästigung, also einen leichteren Straftatbestand.“ Auch wenn es einen großen Altersunterschied zwischen den beiden gebe, mute das Gesetz einer 16-Jährigen eine gewisse Mündigkeit zu, sich in einer solchen Situation zu wehren. Die Geldauflage habe aber durchaus Sanktionscharakter. Auf Nachfrage sagt Buß, dass die 1500 Euro an eine Stiftung gegangen seien, die sich für Prävention von sexueller Gewalt einsetzt.

Für Vater Fuchs fühlt sich das alles nicht richtig an. „Man weiß, dass Unrecht passiert ist, und es hat kaum Konsequenzen.“ Aber was genau hätte sich für ihn gerecht angefühlt? „Das ist nicht so einfach zu sagen. Aber vom Gefühl her hätte es eine Verhandlung und damit mehr Öffentlichkeit geben müssen.“ Seine ältere Tochter ergänzt: „Man wünscht sich, dass da was hängenbleibt, dass das, was er gemacht hat, nicht einfach unter den Tisch fällt. Und natürlich, dass das aktenkundig ist, damit er beim nächsten Mal mit so einer Sache nicht durchkommt und alles schneller seinen Lauf nimmt.“

Immerhin: Diese Erwartungen werden erfüllt, denn wenn auch das Ermittlungsverfahren gegen den 64-Jährigen eingestellt und demnach kein Eintrag ins Bundeszentralregister veranlasst wurde, so bleibt der Mann bei Polizei und Staatsanwaltschaft trotzdem kein unbeschriebenes Blatt.

Uli Fuchs befürchtet, dass bei seiner Tochter Paula das Vertrauen in Polizei und Justiz nach dieser Geschichte empfindlich gestört ist. Wie sie das Erlebte insgesamt verarbeitet, kann er nicht genau sagen. „Ich habe Paula angeboten, psychologische Hilfe zu organisieren, aber im Moment möchte sie das nicht.“ Dass er und seine Tochter Nina die Geschichte dieser Zeitung erzählen, hielt die Jugendliche aber für eine gute Idee.