Unternehmen und mögliche Azubis führen im Kreishaus Gespräche auf Augenhöhe. Viele Eifeler Unternehmen suchen dringend neue Auszubildende.
StandortnachteilUnternehmen und Azubis treffen sich in Euskirchen zum Speed-Dating
„Ich bin schulmüde“, sagte Patricia Lommertzheim. Die 19-Jährige macht in wenigen Wochen ihr Abitur an der Euskirchener Gesamtschule. Danach studieren? Das kommt für die junge Stotzheimerin nach eigenen Angaben nicht infrage. Sie möchte stattdessen eine Ausbildung zur Bankkauffrau machen. „Das war mir irgendwie recht schnell klar“, berichtete die Schülerin, die beim Azubi-Speed-Dating „Speed-Aix“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Aachen im Euskirchener Kreishaus gleich mehrere vielversprechende Gespräche führte.
Nicht jedes Unternehmen hat beim Speed-Dating Erfolg
30 Unternehmen, zehn Minuten Zeit – die Grundregeln beim Azubi-Speed-Dating waren furchtbar einfach. „Es wird immer schwieriger, junge Menschen zu erreichen“, sagt Michael Arth von der IHK. Das Speed-Dating in Präsenz sei eine interessante Form, zumal die Onlinevariante während der Corona-Pandemie nicht gut angenommen worden sei, so der Experte.
Auch im Kreishaus blieben am Dienstag zunächst einige Tische frei. Bei Weitem nicht jedes Unternehmen kam sofort ins Gespräch mit potenziellen Azubis. Dazu gehörte auch Schoeller aus Hellenthal. Insgesamt 28 junge Menschen machen nach Angaben von Ausbildungsleiter Udo Jentges eine Ausbildung.
Fürs kommende Ausbildungsjahr werden laut Jentges noch Azubis im Bereich Industriemechaniker, Maschinen- und Anlagenführer und Elektroniker für Betriebstechnik gesucht. „Wir haben in der Eifel einen Standortnachteil. Allein schon, weil wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut zu erreichen sind“, sagte Jentges, der seit 37 Jahren bei Schoeller ist. Dort hat er auch seine Ausbildung gemacht.
„Die Ausbildung ist nach wie vor top. Alle Kurse bieten wir bei uns an“, berichtete Jentges. Dennoch sei es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, freie Ausbildungsplätze zu besetzen.
Mathematik in der Schule schwieriger als bei der Bank
Auch die Kreissparkasse Euskirchen sucht noch Auszubildende. Mit Frederik Zens und Arlinda Buzhala hatte das Unternehmen zwei Azubis ins Kreishaus geschickt, um mit den Ausbildungsplatzsuchenden auf Augenhöhe sprechen zu können. Und genau das taten die beiden Azubis, die sich im dritten Ausbildungsjahr befinden. Sie berichteten von ihren Erfahrungen und kamen mit den Interessenten locker ins Gespräch.
So wurde unter anderem auch mit einem Vorurteil aufgeräumt. „In der Schule sind die mathematischen Aufgaben, die zu lösen sind, viel schwieriger als in einer Bank“, sagte Zens. Natürlich müsse man wissen, dass zwei plus zwei vier ergebe, aber eine Kurvendiskussion habe er bei der Kreissparkasse noch nicht lösen müssen. Dafür wartet im Juni eine spannende Aufgabe auf Zens, Buzhala und die anderen KSK-Azubis: Sie übernehmen für einen Monat eigenverantwortlich die Filiale am Kirchplatz in Euskirchen – mit allen Aufgaben und Pflichten.
Neben Schoeller war ein weiteres Eifeler Unternehmen beim Speed-Dating der IHK dabei: Papstar aus Kall. „Für uns ist das eine Premiere“, berichtete Speditionsleiter Oliver Floßbach: „Wir wollen die Menschen abholen und sie für unser Unternehmen begeistern.“ Vor allem bei den Berufskraftfahrern könne schon mal eine Lücke entstehen. Entsprechend werden laut Floßbach für diesen Zweig dringend Azubis gesucht. Aber auch in den kaufmännischen Berufen sei noch Bedarf vorhanden – ebenso werden Fachkräfte für Lagerlogistik und Fachlageristen gesucht.
Nicole Cuvelier, Pressesprecher der Agentur für Arbeit Brühl, sagte: „Es ist wichtig, sich früh genug um eine Ausbildungsstelle zu kümmern. Warten ist eine schlechte Strategie, weil dann die Chancen deutlich sinken.“
15 Arbeitgeber aus der Region im Kreishaus
Am Donnerstag findet zwischen 16 und 20 Uhr die nächste Ausbildungsbörse im Kreishaus statt. Veranstaltet wird sie von der Agentur für Arbeit in Euskirchen.
„Eltern haben einen sehr wichtigen Einfluss auf die Berufswahlentscheidung, daher möchten wir auch ihnen die Möglichkeit geben, sich über die Chancen am Ausbildungsmarkt zu informieren“, sagt Patrizia Fox, zuständige Bereichsleiterin der Berufsberatung in der Agentur für Arbeit Brühl. 15 Arbeitgeber aus der Region sind nach Angaben von Fox geladen.
Die Ausbildungsangebote reichen von Maschinenführer, Industriemechaniker über Kaufleute für Büromanagement bis zu Pflegefachleuten. „Somit haben wir eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass viele junge Menschen einen Arbeitgeber vor Ort persönlich kennenlernen können, der zu ihren Berufswünschen passt“, so Fox.
Die Chancen am Ausbildungsmarkt in der Region Euskirchen seien so günstig wie nie, berichtet die Expertin. Es gebe noch zahlreiche freie Ausbildungsplätze. „Für Arbeitgeber ist es wichtig, bei der Besetzung von Ausbildungsstellen neue Wege zu gehen und auf sich aufmerksam zu machen“, erklärt Fox. Das beginne mit dem Angebot von Schulpraktika, und auch ein digitales Selbstmarketing werde immer wichtiger, um das Interesse bei den jungen Menschen zu wecken.
Fox: „Durch fehlende Betriebspraktika fiel zudem eine elementare Säule der beruflichen Orientierung weg: das persönliche Erleben des Berufsfeldes bei einem Arbeitgeber. Umso mehr freuen wir uns, dass die Präsenzveranstaltungen wieder stattfinden.“
Entsprechend glücklich sei man darüber, dass nun im Kreishaus die Ausbildungsbörse stattfinde. „Unsere Börse bietet neben der Berufsberatung und den Kennlerngesprächen mit Arbeitgebern auch die Möglichkeit eines Bewerbungsmappen-Checks sowie eines Bewerbungstrainings“, sagt die Bereichsleiterin.