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SanierungEnergiewende im alten Haus: Euskirchener Architekt sagt, warum sich das rechnet

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt ein Haus mit mehreren Balkonen, optisch auf dem neuesten Stand. 

So sieht das Haus, das 1966 gebaut wurde, nach einer Kernsanierung heute aus.

Dietmar M. Strick hat sein fast 60 Jahre altes Elternhaus in Wißkirchen saniert – ein Vorbild für viele Gebäude im Kreis Euskirchen?

Wäre dieses Haus ein Mensch, hätte es die Rente schon fest im Visier. Aber für ein solide gebautes Gebäude ist knapp 60 Jahre ja noch kein Alter. Es habe gut und gerne weitere 40 Jahre vor sich, sagt Dietmar M. Strick. Vorausgesetzt, es werde rechtzeitig auf den neuesten Stand gebracht.

Viele Häuser ähnlichen Alters stehen im Kreis Euskirchen. Und nicht wenige Eigentümer fragen sich: Lohnt es sich, sie auf den Stand der Technik zu bringen, was Wohnqualität, Energieeffizienz und Optik betrifft?

Ja, antwortet Strick, der mit seinem Architektenbüro in Wißkirchen beim Tag der Architektur an diesem Wochenende ein Gebäude allen Interessierten vorstellt, das seine Aussage bestätigt – und das nicht nur wegen der Lebensdauer von Häusern, die die der Menschen in der Regel übersteige.

Das Haus in Euskirchen-Wißkirchen wurde 1966 gebaut

Natürlich müsse man jedes in die Jahre gekommene Gebäude erstmal mit fachlichem Blick unter die Lupe nehmen. Aber Strick ist davon überzeugt: Bei viel mehr Häusern als allgemein gedacht wäre eine lohnende Modernisierung möglich: „Der Kern muss natürlich in Ordnung sein, aber das ist er bei den meisten Häusern.“

Ein Haus im Stil der 60er-Jahre.

So sah das Gebäude vor der Kernsanierung aus.

1966 ist Stricks Vorzeige-Haus gebaut worden, das nun nach gut einjähriger Kernsanierung in neuem Glanz erstrahlt: Es sieht aus wie neu (ist es bis auf den Rohbau auch), lässt laut Strick kaum Wärme raus und wenig Hitze rein – und ist ohnehin energetisch auf dem neuesten Stand: Luftwärmepumpe, Photovoltaik, Fußbodenheizung, Dämmungen, Dreifachverglasung.

„Das Umbauen ist ungefähr genau so teuer wie ein Neubau“, sagt Strick: „Aber es rechnet sich trotzdem.“ Emotionen hätten bei dem Vorhaben auch eine Rolle gespielt. „Es ist mein Elternhaus, ich bin darin aufgewachsen“, erzählt der Wißkirchener Jung. Es abzureißen, wäre ihm schwer gefallen, aber natürlich habe die Wirtschaftlichkeit bei dem Vorhaben auch eine Rolle gespielt.

Architekt: Förderung für Umbauten ist besser als für Neubauten

Der große Vorteil sei halt, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) solche nachhaltigen Umbauten großzügig fördere, so Strick: „Für Neubauten wurde das hingegen stark zurückgefahren.“

Nach heutigem Stand bekomme ein Investor beim Umbau 150.000 Euro pro Wohnung als günstiges Darlehen – 1 bis 2 Prozentpunkte niedriger als auf dem Markt. „Das klingt vielleicht nicht nach viel“, so Strick, „aber bei einer Finanzierung, die über 10 oder 20 Jahre läuft, spart man dadurch Zehntausende von Euro.“

Der Staat unterstützt, wir schützen die Natur und unseren Geldbeutel.
Deitmar M. Strick über Haussanierungen

Beim Umbau gebe es, im Gegensatz zu Neubauten, zusätzlich Tilgungszuschüsse – quasi eine Schenkung des Staates, wenn bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt würden. In dem Fall des Hauses, das Strick nun der Öffentlichkeit präsentiert, waren das 50 Prozent der aufgenommenen Summe.

Die überschlägige Rechnung: Die 600.000 Euro bei vier Wohnungen wurden nicht nur niedrig verzinst, zusätzlich wurde die Hälfte als Tilgungszuschuss vom Staat übernommen, so dass am Ende Kosten von nur noch 300.000 Euro zinsgünstig zu finanzieren seien.

Porträtbild von Architekt Dietmar M. Strick.

Architekt Dietmar M. Strick nimmt wieder am Tag der Architektur teil

Das rechne sich umso mehr, als die Energiekosten erheblich sinken. „Ich gehe davon aus, dass die Heizkosten – und die machen ja ungefähr zwei Drittel der Nebenkosten aus – um 75 Prozent zurückgehen“, sagt Strick mit Blick auf die ersten Nebenkostenabrechnungen.

Davon profitiere auch der Investor, der die Miete entsprechend anpassen könne. Von der Wertsteigerung des Gebäudes, über die sich der Eigentümer bei einem späteren Verkauf oder die Erben freuen können, ganz zu schweigen.

Eine große Renovierung rechnet sich in vielen Fällen, sagt der Fachmann

„Wenn mich jemand fragt, wann man das machen soll, sage ich: ,Jetzt'“, so Strick. Zwar seien die Zinsen nicht mehr so niedrig wie vor wenigen Jahren noch, aber bei langfristiger Betrachtung immer noch gering. Als seine Eltern das nun auf Vordermann gebrachte Haus gebaut hätten, seien auch gerne mal 9 Prozent aufgerufen worden. Außerdem: Zinsen und Baukosten seien kommunizierende Röhren: Steige das eine, sinke das andere – oder umgekehrt.

Darum werbe er immer wieder für die Renovierung alter Häuser: „Der Staat unterstützt, wir schützen die Natur und unseren Geldbeutel.“ Der Flächenverbrauch werde zurückgefahren, energieaufwendige Steine müssten nicht neu hergestellt werden – und der Rohbau nicht mehr lange trocknen, was sich positiv auf die Bauzeit auswirken könne. Beim Bestand gebe es zudem auch keine Probleme mit den Baugenehmigungen.

Es wäre sinnvoll, so Architekt Strick, die Millionen von Gebäuden in Deutschland mal zu untersuchen, ob sie nicht doch noch zu nutzen seien. „Jedes Jahr werden in Deutschland 400 Milliarden Euro vererbt“, so der Wißkirchener – ein Großteil davon in Form von Immobilien.

Zu verkaufen und dabei zuzusehen, wie die Inflation das Geld auffresse, sei jedenfalls keine gute Alternative.

Das alles bringe er immer wieder in seinen Vorträgen vor. Da war das Projekt „Elternhaus“, das sich in der Nachbarschaft zu seinem Büro befindet, auch eine Frage der Ehre gewesen: „Ich wollte nicht nur immer predigen. Hier konnte ich auch zeigen, dass ich es selbst ernst nehme.“


Das Objekt in Wißkirchen kann am Wochenende besichtigt werden

Das Objekt von „Strick Architekten + Ingenieure“ kann am Samstag, 29. Juni, und am Sonntag, 30. Juni, jeweils von 14 bis 17 Uhr kostenfrei und ohne Anmeldung besichtigt werden. Führungen werden halbstündlich angeboten. Das Haus befindet sich in der Athletikstraße 4, 53881 Euskirchen-Wißkirchen.

Der Tag der Architektur in NRW steht unter dem Leitmotiv „Einfach (um)bauen“. Bei der nach Angaben der Organisatoren größten Architekturveranstaltung in Deutschland weisen die Architektenkammern darauf hin, „dass Architektur einerseits unser aller Leben beeinflusst und ändern kann, aber auch, dass bestehende Bauwerke in etwas Neues verwandelt werden können“.

Mit 153 erneuerten und auch neuen Bauwerken sowie Objekten der Innenarchitektur, der Landschaftsarchitektur oder Stadtplanung biete der Tag der Architektur in Nordrhein-Westfalen den Besucherinnen und Besuchern einen aktuellen Überblick über das Planungs- und Baugeschehen in NRW, heißt es in einer Mitteilung der Architektenkammer NRW.

„Planerinnen und Planer laden gemeinsam mit ihren Bauherren und Auftraggebern dazu ein, Architektur vor Ort hautnah zu erleben und sich die Besonderheiten des jeweiligen Objektes im persönlichen Gespräch erläutern zu lassen.“ Der Tag der Architektur habe sich bundesweit als Architektur-Event vor Beginn der Sommerferien fest etabliert. „Klimaschutz und umweltgerechtes Planen und Bauen sind die Herausforderung unserer Zeit“, erklärt Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Unter den zu besichtigenden Projekten fänden sich viele gute Beispiele dafür. Weitere Informationen gibt es online.