Viel Erfolg mit wenig Stoff hat Muriel Klink mit handbestickter Unterwäsche, die sie mit ihrem Team in Mützenich herstellt.
Dessous aus MützenichEifelerin verkauft Stringtangas in die ganze Welt
Zwei Hauptstraßen führen durch Mützenich, das 2000-Seelen-Dorf an der belgischen Grenze. Die meisten Besucher sind Wanderer, die es ins Hohe Venn zieht. Es gibt eine Grundschule und einen Konsum-Supermarkt, der so klein ist, dass der Besitzer auf Einkaufswagen verzichtet hat.
Und es gibt Stringtangas. Muriel Klink heißt die Gründerin von „Lucky Cheeks“. Ihre Firma ist international erfolgreich, verkauft handbestickte Unterwäsche aus hauchdünnem Stoff in die ganze Welt. Auf Instagram hat das Unternehmen fast 90.000 Follower. Unter anderem Erotik-Model Micaela Schäfer hat Klinks Wäsche bereits getragen.
Die Lucky Cheeks GmbH kommt mit zwei Zimmern aus
Nur wer ganz genau hinsieht, entdeckt das Klingelschild an dem einstöckigen Haus, auf dem Lucky Cheeks GmbH steht. Weder Außenwerbung noch ein repräsentativer Firmensitz deuten auf den international erfolgreichen Höschen-Hersteller hin. Im Inneren erwartet Besucher ein Treppenhaus, das an eine gutbürgerliche Familie erinnert. In der oberen Etage befindet sich ein IT-Service. „Also eine Führung dauert nur drei Minuten“, kündigt Klink direkt zu Beginn an.
Sie ist Ende 40, trägt eine geblümte Bluse und rosafarbene Schuhe mit kleinen Absätzen. „Es gibt nämlich nur zwei Zimmer“, erklärt sie und deutet auf das Büro. Zwei Schreibtische stehen sich gegenüber – einer für Büromitarbeiterin Maike Müller und einer für Klink selbst. An der Wand hängen Fotos leicht bekleideter Models, ein Firmenplakat mit Unterwäsche und eine Weltkarte, die mit roten und weißen Reißzwecken übersät ist.
Die Dessous aus Mützenich werden in alle Welt versandt
„Die roten stecken da, wo wir Händler haben, und die weißen in den Ländern, wo wir schon verkauft haben“, erläutert die Gründerin. Es hätten schon Kunden auf entlegenen Karibik-Inseln ihre Ware gekauft, aber auch Frauen aus Saudi-Arabien, Marokko, Indien, Japan oder Australien. „Zu unserem Händler in Australien fällt mir immer diese Geschichte ein“, erinnert sie sich: „Der ist so begeistert von uns, dass er sich unser Logo auf sein Bein hat tätowieren lassen.“
Manche Kunden kauften 50 Tangas auf einmal, manche jeden Monat einen. Auch Männer bestellten in ihrem Online-Shop. Meistens für die Partnerin, doch ab und an auch für sich selbst. „Das weiß ich, weil uns die Kunden Mails dazu schreiben. Oft auch mit Sonderwünschen verbunden, denen ich natürlich immer versuche nachzukommen“, sagt die gebürtige Belgierin.
Viele Anregungen ihrer Kundinnen und Kunden hätten sie zu neuen Modellen inspiriert. Besonders gerne verarbeite sie Stickereien und Schmuckelemente in ihrer Ware. Hohe Qualität sei dabei das Wichtigste, sagt Klink: „Mir ist es wichtig, dass der Tragekomfort hoch ist, aber die Strings trotzdem edel aussehen. Deshalb probieren wir bei unseren Prototypen teils sehr viele Stoffe aus, bis wir den richtigen gefunden haben.“ Das kann manchmal auch länger dauern: „Ich bin auch ein wenig Perfektionistin. Es dauert teilweise ein bis zwei Jahre, bis ein Modell so ist, wie ich es haben will. Wir kaufen Elemente wie den Schmuck oder die Stickereien von Herstellern, zum Beispiel aus der Schweiz oder aus Frankreich, ein. Zusammengenäht wird aber alles hier bei uns.“
Drei Mitarbeiter bilden das Team in der Nähstube
Genau das geschieht im zweiten Zimmer: der Nähstube. Drei Mitarbeitende sitzen hier, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Karin Förster ist 59 Jahre alt, Damenschneiderin und Großmutter. „Ich nähe den Schmuck an die Unterwäsche. Und ja, ich erzähle jedem davon, der fragt. Keiner hat dazu je etwas Komisches gesagt“, berichtet sie.
Näherin Carina Käfer geht sogar noch weiter: „Ich habe eine Schneiderpuppe bei mir im Flur aufgestellt mit der Wäsche, damit jeder, der mich besucht, gleich weiß, was Sache ist.“ Sie lacht, während sie an einer der beiden Industriemaschinen nacheinander Höschen zusammennäht. Gelernte Schneiderin sei sie zwar nicht, habe aber langjährige Erfahrung in dem Bereich, weil sie selbstständig Kinderkleidung herstelle. „Ich bin stolz, hier zu arbeiten. Ich trage die Sachen auch selbst. Zu Leuten, die das schlüpfrig finden, sage ich: ‚Du hast deine Kinder doch auch irgendwie gemacht.‘ Das ist also was ganz Natürliches.“
Sherwan Rashid ist der „Hahn im Korb“ in der Dessousschneiderei
Auch einen „Hahn im Korb“, wie Käfer es nennt, gibt es in dem Team. Sherwan Rashid ist 42 Jahre alt und stammt aus Syrien. Er ist gelernter Schneider. Vorher habe er unter anderem Röntgenschürzen hergestellt. „Klar, es ist ein Unterschied, ob ich Röntgenschürzen oder Dessous nähe. Aber im Endeffekt ist es auch nur Kleidung“, sagt er: „Wenn ich von meinem Job erzähle, gibt es auch mal Leute, die lachen. Aber das ist mir egal. Ich arbeite gerne hier.“
„Sherwan kann auch Schnittmuster herstellen“, erzählt Klink: „Das ist eine große Bereicherung für uns.“ Für sie sei der 42-Jährige ein „Glückstreffer“ gewesen: „Sherwan versteht einfach, wie ich mir die Produkte vorstelle.“ Der gelernte Schneider habe auch schon selbst Produkte für Lucky Cheeks entworfen, etwa einen Kimono aus dehnbarem Satin.
Mehrere Exemplare davon lagert Klink auf einem Kleiderständer im Nähzimmer. Wenn ein Kunde einen der Kimonos kauft, muss dieser nur auf dem nebenstehenden Tisch eingepackt werden. „Wir verschicken unsere Ware eigentlich noch am gleichen oder spätestens am nächsten Tag“, erzählt Klink.
Für die Chefin ist Unterwäsche etwas Romantisches
„Ich weiß eigentlich gar nicht, woher meine Leidenschaft für Dessous kommt“, sagt sie. Sie muss einige Sekunden überlegen, bevor sie weiterspricht: „Niemand in meiner Familie hat mir das Nähen beigebracht. Das kam ziemlich früh, so mit 15, einfach aus mir selbst.“ Sie habe schon immer eine schmale Taille und breite Hüften besessen: „Ich habe dann Nähen gelernt und mir meine Röcke selbst gemacht.“ Warum sie sich schließlich auf Unterwäsche fokussiert habe? „Unterwäsche ist für mich auch etwas Romantisches.
Es geht darum, dem Partner auch nach langer Zeit noch eine Freude zu machen. In meinen Augen gehört das zu einer guten Partnerschaft dazu, sich für den anderen schön zu machen und zu fühlen.“ Mit ihrem Mann sei sie seit 22 Jahren verheiratet. „Vielleicht ist diese Einstellung auch ein Grund für unsere glückliche Ehe. Nicht nur, aber eben auch“, mutmaßt sie und lacht.
Ihr Mann habe sie immer bei ihrem Vorhaben unterstützt, erinnert sich Klink. „Nach der Geburt unseres zweiten Kinds wollte ich eigentlich wieder arbeiten. Aber mein Mann war zu der Zeit Vollzeit berufstätig. Wir waren uns einig, dass jemand auf die Kinder aufpassen muss. Also hat er vorgeschlagen, dass wir uns einen Online-Shop zulegen. Und ich hab’ dann gesagt: ,Wenn, dann mit Dessous.’“
An einem Wochenende wurden mal 300 Stringtangas angefertigt
Anfangs habe sie nur drei Modelle verkauft, hauptsächlich über Amazon: „Ich bin auch zu Fachhändlern gefahren und habe denen meine Strings angeboten. In jeder Stadt, in die ich gefahren bin, gab es den ein oder anderen, der sie genommen hat.“ Schnell habe sie gemerkt, dass der Markt für hochwertige Lingerie mit Schmuck noch klein sei: „Ich dachte mir, diese Nische nutze ich.“ Seit 2013 gebe es das Unternehmen. Die ersten Jahre habe sie umsonst gearbeitet, sagt Klink: „Aber ich habe nicht aufgegeben, auch wenn es manchmal schwer war.“
Einen Umschwung habe sie bemerkt, als ein großer Katalog eine kleine Menge ihrer Wäsche angefragt habe: „Die haben sehr vorsichtig kalkuliert, wollten anfangs nur 160 Stück für das Weihnachtsgeschäft haben. Insgesamt wurden dann 800 Stück in diesem Jahr verkauft.“ Innerhalb nur eines Wochenendes habe sie 300 Stringtangas herstellen müssen. „Zu dem Zeitpunkt war ich noch alleine. Ich habe nur Hilfe von einer Freundin und von der Familie gehabt. Ich weiß nicht, wie ich das damals geschafft habe. Was noch erschwerend hinzu kam, war, dass mein Mann an dem Freitag davor eine Krebsdiagnose erhalten hat.“
Mittlerweile habe er den Krebs besiegt, sagt sie: „Aber zu dem Zeitpunkt wussten wir das natürlich noch nicht. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte für ihn da sein, aber ich konnte auch nicht aufgeben, was ich mir über Jahre hart erarbeitet hatte.“ Heute unterstütze ihr Mann sie in seiner Freizeit, indem er etwa die Produktfotos nachbearbeite. Auch für ihre Kinder sei ihr Job zur Normalität geworden: „Mein Sohn hat sogar schon einen Tag hier Praktikum gemacht.“
Neben einer Erweiterung des Bikini-Sortiments plant Klink eigenen Aussagen zufolge als Nächstes, abseits von Strings auch andere Passformen wie etwa Slips und Bralettes zu produzieren. „Mein Ziel ist es, dass sich jede Frau in meiner Unterwäsche wohl- und sexy fühlt“, sagt die Gründerin und strahlt.