Wenn ein geliebter Mensch stirbt, kann das gerade in der Vorweihnachtszeit ziemlich belasten.
Wie geht man damit um, wenn die eigene Oma, Mutter oder Lieblingstante aus dem Leben scheidet?
Zwei Expertinnen von der Caritas Eifel wissen Rat.
Kreis Euskirchen – Ruth ist 92 Jahre alt und hat Krebs. Sie spürt, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Bei Gesprächen über die kommenden Wochen seufzt sie nur. „Ob ich dann überhaupt noch hier bin?“ Sie ist sicher, dass dieses Weihnachten ihr letztes sein wird, falls sie es überhaupt noch erlebt.
Mit solchen Gedanken ist Ruth gewiss nicht allein. Doch wie damit umgehen, wenn es plötzlich die eigene Oma, Mutter oder Lieblingstante ist, die da im Sessel sitzt und seufzt?
„Nicht totschweigen, nicht bagatellisieren“, sagt Ute Braun. Sie leitet zusammen mit Barbara Berg den ambulanten Hospizdienst der Caritas in der Eifel. Sterbende und schwerkranke Menschen zu begleiten, ist ihr Beruf. Weihnachten und Ostern seien für Sterbende tatsächlich oft prägnante Daten, schildert Braun aus ihren Erfahrungen. Sie und ihre Kollegin haben schon erlebt, dass deshalb in Familien das Weihnachtsfest kurzerhand in den Sommer verlegt wurde, damit der sterbende Mensch noch ein letztes Weihnachten mit der Familie feiern konnte.
Ob nun kurz vor Weihnachten oder im Sommer – wichtig sei es, mit dem Betroffenen über die Situation zu sprechen, raten beide Expertinnen. Zurückzufragen, warum derjenige von seinem baldigen Tod ausgehe, könne ein guter Einstieg in ein solches Gespräch sein, weiß Berg aus ihrer langjährigen Arbeit. Dann müsse der Betroffene überlegen. „Das bringt Ruhe rein“, so die Trauerbegleiterin. Und ein tiefergehendes Gespräch könne für die ganze Familie „ein reicher Schatz sein“.
Es helfe, zunächst einmal die Gefühle zu definieren, die den Betroffenen umtreiben, berichtet Braun. Ist es Angst, Traurigkeit oder vielleicht auch Freude oder Erleichterung? „So nach dem Motto: Ich habe es bald geschafft“, führt Braun aus.
Bei Ruth ist es immer wieder Angst und Traurigkeit. Beides passt eigentlich nicht zu ihr. „Ich fühle mich nicht alt“, diesen Satz hat man sie häufig sagen hören, auch noch mit mehr als 90 Jahren. Doch das hat sich in diesem Jahr geändert. Und mit dem Alt-Fühlen kam auch die Furcht vor dem Ende. Manchmal, so sagt sie, kann sie nicht schlafen, weil sie sich vorzustellen versucht, wie es wäre, am nächsten Tag nicht mehr aufzuwachen. Für Angehörige kann eine solche Situation belastend sein. Sie wollen helfen, dem Sterbenden die Angst irgendwie nehmen. Schließlich wünschen sie sich, dass der geliebte Mensch noch möglichst viele schöne Stunden in seinem Leben verbringt.
Hilfe für Sterbende und Angehörige
Wenn ein geliebter Mensch stirbt, kann die Situation für Angehörige sehr belastend sein. Hilfe bietet der Ambulante Hospizdienst des Caritasverbands. Der Dienst ist kostenlos und steht jedem zur Verfügung.
Der Ambulante Hospizdienst für die Eifel ist telefonisch unter 0 24 45/85 07 216 zu erreichen, Der Dienst vom Caritasverband Kreis Euskirchen kann unter Tel. 0 22 51/12 65 10 kontaktiert werden. Beide Dienste sind auch per E-Mail (hospiz@caritas-eifel.de oder hospiz@caritas-eu.de ) zu erreichen.
Unterstützung bietet auch das Netzwerk im Kreis Euskirchen für Sterbe- und Trauerbegleitung (Nest e.V.), Telefon 08 00/ 955 77 44. www.nest-euskirchen.de
Den Wunsch können Berg und Braun nachvollziehen. Allerdings sei es wichtig, sich zu fragen: Geht es hier gerade um meine Gefühle oder um die des sterbenden Menschen? Letztendlich sei Sterben für den aus dem Leben Scheidenden ein langes Abschiednehmen und da gehöre Traurigkeit häufig eben einfach dazu. Das müssten Angehörige dann aushalten, so die beiden.
Helfen könne es, sich als Angehöriger selbst mit ins Boot zu nehmen, schlägt Berg vor. Zum Beispiel zu sagen: „Ja, ich habe auch Angst, dass du bald nicht mehr da bist und ich bin traurig, dass ich dir deine Angst nicht nehmen kann.“ Braun: „Gemeinsame Traurigkeit kann ja auch eine unglaubliche Stärkung sein.“
„Es ist wichtig, die Tage zu füllen.“
Einfacher gesagt als getan. Tod und Sterben sind in unserer Gesellschaft eher Tabuthemen und nichts, was man gerne an der Kaffeetafel anspricht. Dafür brauche es Mut, weiß Berg, der leider vielen fehle. Wer ihn aufbringen kann, sollte sich nach dem Rat der Expertinnen Gedanken machen, wie die verbleibende Zeit genutzt werden kann. „Es ist wichtig, die Tage zu füllen. Wie kann man noch schöne Tage gestalten?“, nennt Braun eine Überlegung. Welche Wünsche gibt es noch, was kann man noch zusammen tun? „Meine Oma hat nochmal ein Bier aus der Schnabeltasse getrunken“, erinnert sich Berg und lacht.
Wenn es um das letzte Weihnachten gehe, sollte vielleicht ganz bewusst die Frage gestellt werden: Wie möchte der sterbende Mensch das Fest verbringen? Viel Lametta oder gar keins? Mit Weihnachtsmesse oder im Schlafanzug auf der Couch? Deftiger Braten oder Dosensuppe? Mit der ganzen Familie oder doch lieber allein – da gehe es um die individuellen Wünsche.
Letztes Weihnachten das Schönste
Ihre Mutter habe Weihnachten nie besonders gemocht, erinnert sich Braun. Vieles hatte sie all die Jahre nur der Familie wegen gemacht. Als klar war, dass ihr letztes Weihnachten bevorstehe, habe die Familie deshalb „auf das ganze Brimborium“ verzichtet. Kein großes Essen, kein großes Beschenken – stattdessen habe die Familie einfach Zeit miteinander verbracht, erzählt sie. „Im Nachhinein war das das schönste und entspannteste Weihnachten“, sagt Braun und lächelt.
Ruth hatte bereits ihr letztes Weihnachten, im vergangenen Jahr. Kurz vor dem ersten Advent ist sie gestorben. Ihr letztes Weihnachten war das Weihnachten im Corona-Winter 2020. Es war das Weihnachten von dem weder sie noch ihre Familie dachten, dass es ihr letztes sein würde. Vielleicht war es deshalb für sie genau das richtige.