Reisebüros in der Corona-Krise„Tui bekommt 1,8 Milliarden, wir bekommen nichts“
- Reisebüros und Reiseveranstalter trifft die Corona-Krise besonders hart und womöglich besonders lang.
- Weil Reisen abgesagt werden, müssen sie Provisionen zurückzahlen – Geld, das bereits für Mieten und Gehälter geplant war.
- So wollen die Reiseveranstalter im Kreis Euskirchen auf dieses Problem reagieren und das raten sie Kunden.
Gemünd/Mechernich – Egal, ob Sonnenbaden am Strand von Mallorca oder Wandern in den Alpen – wer für die vergangenen zwei Monate Urlaub gebucht hatte, musste darauf verzichten. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Grenzen dicht, Flugzeuge fliegen nicht mehr, Hotels und Campingplätze waren bislang geschlossen, und das Auswärtige Amt hat eine weltweite Reisewarnung herausgegeben. Nordrhein-Westfalen und einige andere Bundesländer haben angekündigt, das Hotel- und Gastgewerbe langsam wieder zu öffnen, und die Niederlande etwa wollen im Sommer auch wieder Touristen zulassen. Doch bis ein Tourismus wie vor der Pandemie möglich ist, kann es noch Monate dauern.
„Eigentlich verkaufen wir Traumurlaube – jetzt machen wir nur noch Abwicklung“, berichtet Anna Carina Krebs. Sie leitet die Reisebüros der Linden Reisen GmbH. Immer wieder klingelt an diesem Vormittag in der Gemünder Filiale das Telefon. Kunden wollen wissen, ob ihre geplanten Reisen noch stattfinden, wann sie Urlaube besser stornieren sollten oder wie sie ihr Geld zurückbekommen. Fragen, auf die Krebs und ihr Team auch nicht immer eine Antwort haben. Trotzdem wollen sie ihren Kunden weiterhin beratend zur Seite stehen, so Krebs. „Es wird eine Zeit nach Corona geben, und wir wollen, dass die Kunden danach wieder kommen“, erklärt sie.
Anfangsphase der Krise war besonders anstrengend
Gerade in der Anfangsphase im März sei es sehr anstrengend gewesen, die Rückreisen zu organisieren. Zwar sei dafür insgesamt der Reiseveranstalter verantwortlich gewesen, aber das Reisebüro sei für viele der erste Ansprechpartner. Deshalb saßen sie und ihre Mitarbeiter Tag und Nacht am Schreibtisch. „Das war sehr sehr viel Arbeit für null Umsatz“, berichtet Krebs.
Denn Reisebüros bekommen für jede verkaufte Reise eine Provision vom Reiseveranstalter. Fällt die Reise aus, muss das Reisebüro die Provision zurückzahlen. „Es ist nicht nur das Problem, dass jetzt die Einnahmen fehlen“, erklärt Krebs. Die Reisen, die derzeit ausfielen, seien zum Teil bereits im Oktober gebucht und von dem Geld aus den Provisionen schon Gehälter, Steuern und Mieten bezahlt worden.
Zudem generierten sie normalerweise nun den Umsatz der kommenden Monate, doch nur wenige Kunden buchten derzeit eine neue Reise, berichtet Krebs. „Die Touristik-Branche ist die Branche, die als Erste betroffen war und die am längsten betroffen sein wird.“
Eine finanzielle Last. Im Reisebüro Linden herrscht deshalb wie in vielen Betrieben Kurzarbeit. Allerdings nur in Teilen, denn nach wie vor gebe es viel zu tun, so Krebs. Zum Glück gehöre zu dem Unternehmen noch eine Busflotte, die auch ÖPNV fahre, sagt sie. Damit mache der Betrieb gerade noch etwas Umsatz. Auch Soforthilfe habe das Reisebüro beantragt. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein am Ende des Tages“, sagt sie.
„Tui bekommt 1,8 Milliarden, Reisebüros bekommen nichts“
Die 30-Jährige ist mit ihren Sorgen dabei längst nicht allein. In ganz Deutschland haben Ende April in mehr als 30 Städten Reisebüros demonstriert, um die Politik auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Ein Anliegen, das auch Jürgen Vossen umtreibt. Er ist Geschäftsführer der Reisebüro Schäfer GmbH in Mechernich. „Die Tui bekommt 1,8 Milliarden und die Reisebüros bekommen nichts“, stellt er fest.
Lieber abwarten statt stornieren
Grundsätzlich könne sie Menschen, die in diesem Jahr einen Urlaub geplant haben, nur raten, abzuwarten, sagt Anna Carina Krebs von Linden Reisen. Das sagt sie nicht nur aus eigenem Interesse. Denn wer eine Reise von sich aus absagt, muss immer die Stornierungsgebühr zahlen. Auch, wenn die Reise später vom Veranstalter wegen der Corona-Pandemie komplett abgesagt wird.
Wer definitiv zurzeit nicht verreisen wolle – auch dann nicht, wenn die Reise stattfinde –, solle lieber kostenlos auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen, rät die Leiterin der Reisebüros. (jre)
Vossen und Krebs unterstützen daher beide die Forderungen, die einige Reisebüros in einem offenen Brief an die Bundesregierung gestellt haben: staatlich abgesicherte Gutscheine und ein staatlicher Hilfsfonds. Es solle Reiseveranstaltern erlaubt werden, statt einer Rückzahlung nur Gutscheine anzubieten, erklärt Vossen. Für Reiseveranstalter und Reisebüros wäre dies deshalb von Vorteil, da sie das bereits erhaltene Geld nicht zurückzahlen müssten. Bisher böten zwar schon einige Veranstalter ein Gutscheinmodell an, allerdings auf freiwilliger Basis, so Vossen weiter.
Der Kunde könne sich zwischen Geld oder Gutschein entscheiden. Das wollen die Unterstützer des Briefes ändern. Die Gutscheine müssten dann allerdings vom Staat abgesichert werden, falls der Reiseveranstalter in der Zeit Pleite mache, erklärt Vossen. Die Bundesregierung habe so ein Modell bereits auf den Weg gebracht, doch die Pläne dafür lägen derzeit bei der EU, und die habe noch nicht entschieden.
Reisebüros: Mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland
„Die Reisebüros haben schon immer eine schlechte Lobby gehabt“, sagt er weiter. Aber gerade jetzt sei es wichtig, dass sie nicht von der Politik vergessen würden. Immerhin arbeiteten in ganz Deutschland mehr als 100.000 Menschen in Reisebüros, sagt er. Hinzu kämen noch die Arbeitsplätze bei den vielen mittelständischen Reiseveranstaltern. „Die Leute sagen: ’Das ist ja nur Urlaub’, aber es geht hier um Arbeitsplätze“, betont Krebs. Sie seien gerne bereit, für die Sicherheit und Gesundheit aller „die Füße stillzuhalten“, aber die Branche könne mit der wirtschaftlichen Last nicht alleine gelassen werden.
Eine Last, die für kleine Reiseveranstalter in Teilen noch höher ist, als für die Reisebüros. „Wir haben das Problem, dass die Hotels zum Teil schon komplett vorbezahlt sind und wir nicht wissen, ob sie diese Krise überleben“, erklärt Vossen. Als mittelständischer Reiseveranstalter müsse und wolle er den Kunden ihr Geld für die Reisen erstatten.
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Allerdings gehe das Unternehmen dabei oft in Vorleistungen, ohne zu wissen, ob es das Geld je zurückbekomme. Er betont, dass sein Unternehmen die Mittel habe, um solch eine Krise zu überstehen, aber das gehe finanziell schon sehr an die Substanz. Viele kleinere Büros, die keine Rücklagen hätten, könnten die Krise vermutlich nicht überstehen. Auch Krebs ist zuversichtlich: „Es tut weh, und man braucht einen langen Atem für so einen Totalausfall. Aber den haben wir.“
Ob sie bei Lockerungen der Reisebeschränkungen mit einem Reiseboom rechne? „Ich glaube schon, dass der Reisehunger der Deutschen ungebrochen ist“, sagt sie. Allerdings vermute sie, dass erdgebundene Reisen zunächst mehr nachgefragt werden als Fernreisen. „Kunden werden kürzer verreisen und auch Deutschland noch mal neu entdecken“, prognostiziert sie. Deshalb wolle sich das Reisebüro Linden dahingehend aufstellen und verstärkt ein „Deutschland-Produkt“ anbieten. Damit es bald wieder Urlaube verkaufen kann, anstatt sie absagen zu müssen.