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ExistzenzkampfSo stemmen sich Bäcker im Kreis Euskirchen gegen die Krise

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Die Krise mache auch den besten Betrieben zu schaffen, sagt Innungsobermeister Siegwin Zimmer. 

Kreis Euskirchen – 1990 gab es 116 backende Betriebe im Kreis Euskirchen. „Heute sind es 22“, sagt Innungsobermeister Siegwin Zimmer: „Ich hoffe, sie werden alle überleben.“ Sicher ist das nicht. Kaum eine Branche leidet so heftig unter den Preisexplosionen bei Energie und Rohstoffen. Wir haben drei Bäcker im Kreis besucht. Sie erzählen von ihren Sorgen, aber auch davon, was ihnen Mut macht.

Gejammert hätten sie noch nie, sagen Alice und Klemens Friederichs. „Vielleicht kommt ja alles nicht so schlimm“, hofft der 58-jährige Bäckermeister. Er trinkt Kakao, es ist morgens 10 Uhr. „Ich habe schon genug Kaffee, ich will ja noch was schlafen.“ Seit 2 Uhr ist er auf den Beinen.

„Ich habe schon mal besser geschlafen“

Das mit dem Schlafen sei aber zurzeit so eine Sache, gesteht er: „Ich habe schon mal besser geschlafen.“ Herausforderungen kennt Friederichs, der 1987 den Betrieb in dritter Generation übernahm. Vor gut 15 Jahren kosteten Haselnüsse über Nacht das Doppelte. Schlechte Zeiten für Nussecken-Fans. Da habe man halt mehr mit Mandeln gebacken, erinnert sich Friederichs: „Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie. Es kommt von allen Seiten.“

„Alarmstufe Brot“

„Mit jeder geschlossenen Bäckerei geht auch ein Stück Brotkultur und ein Grundversorger verloren, gerade im ländlichen Raum“, sagt Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks. Es herrsche „Alarmstufe Brot“.

Anders als etwa beim Auto, wo Kunden auf ihr Fahrzeug warten könnten, werde „Brotessen nicht nachgeholt“. (rnd)

Fürs Kilo Zucker hat er Anfang des Monats 70 Cent gezahlt, inzwischen sind es 1,10 Euro. Andere Bäcker, die später gekauft haben, zahlen schon 1,36 Euro. Das Kilo Rapsöl hat´s im Januar für 89 Cent gegeben, inzwischen kostet es 5,70 Euro. Diese fast 500-prozentige Steigerung sei zwar ein Ausreißer, sagt Friederichs. Aber Mehl, Weizen, Milch, Salz oder Nüsse – alles sei zwischen 20 bis 100 Prozent teurer geworden.

Corona, Flutkatastrophe, Krieg und Inflation

Dabei war bei ihm gerade die Hoffnung gekeimt, nach Corona und nach der Flut. Im Dezember wurde der Laden wiedereröffnet, im Mai das Café. Dann ist der Krieg ausgebrochen, die nächsten Tiefschläge sind gefolgt. Der Begriff „energieintensiv“ ist in den allgemeinen Wortschatz eingegangen, und das gute alte Backhandwerk ist ganz vorne mit dabei.

Noch weiß Friederichs nicht, was das in Heller und Pfennig bedeutet, noch gelten alte Lieferverträge: „Die e-regio ist da sehr fair.“ Aber auch die langfristigsten Verträge enden irgendwann.

Energiespartag: Montags sind die Läden nun geschlossen

„Es ist wenig planbar“, so der Schleidener. Sicher sei nur, dass es teurer werde. Wehklagen helfe da aber auch nicht. Stattdessen dreht er an den Stellschrauben, die er hat. Seit 1. September bleiben die Läden in Schleiden und Gemünd montags zu: Energiespartag. Wenn der gasbetriebene Ofen an diesem Tag ruhe, spare das 15 Prozent Energiekosten, so Friederichs: „Das bringt wirklich was.“

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Montags bleiben die Läden geschlossen: Klemens und Alice Friedrichs.

Den Kunden erklärt er das auf einem Aushang. Diese Transparenz komme gut an, stellt Friederichs fest. An den übrigen Tagen heize der Ofen von 2 bis 7.30 Uhr statt wie früher bis 10 oder 11 Uhr. Die Bäcker legen die Böden nun für die Konditoren früh in den Ofen, bevor diese später ihr Werk verrichten.

Auch der Fachkräftemangel macht den Bäckern zu schaffen

Seine 20 Beschäftigten behalte er trotz allem, stellt der Bäckermeister klar: „Wir haben ja eher zu wenig Mitarbeiter.“ Stichwort: Fachkräftemangel. Friederichs prüft auch sein Sortiment: „Da wundert man sich manchmal, dass eine Ware teurer in der Herstellung ist, als sie im Verkauf bringt.“

Aber Vorsicht! Kunden kämen zuweilen gerade wegen dieses Produkts, kaufen dann aber ein Brot oder ein Stück Kuchen dazu, das Gewinn abwirft. So funktioniert Mischkalkulation. Das Brötchen kostet bei Friederichs seit 1. September 42 Cent, vier Cent mehr als zuvor. Doch auch die Preisschraube will sensibel behandelt werden.

Kunden im Kreis Euskirchen achten verstärkt auf Qualität

„Die Kunden leiden ja auch unter der Inflation“, sagt der Bäckermeister, der aber auch nicht alles düster malen will: Die Verbraucher setzten verstärkt auf Qualität, auf Klasse statt Masse. „Angesichts der Mengen von Lebensmitteln, die weggeworfen werden, ist es auch vernünftig, gezielt und gut einzukaufen“, meint Friederichs, der die Leitung in den kommenden fünf Jahren nach und nach seinem Sohn Alexander übergeben möchte. Doch nun gelte es erst einmal, gut durch die Krise zu kommen.

Innungsobermeister: An Qualität wird nicht gespart

Der Innungsobermeister präsentiert stolz das erste Spritzgebäck der Saison. „Probieren Sie mal“, sagt Siegwin Zimmer in der Küche des Ladens in Sistig. Lecker, doch was wird es kosten? Zucker ist drin, Nüsse, Butter und Mehl – das alles ist erheblich teurer geworden. „Da müssen wir natürlich neu kalkulieren“, sagt der 60-Jährige, der den Betrieb an seinen Sohn Patrick übergeben hat, aber mitarbeitet.

An Gewinnsteigerung sei nicht zu denken. Und an der Qualität, versichert er, werde auch nicht gespart. „Margarine statt Butter? Nein, das schmeckt nicht so gut.“ Qualität sei das wichtigste Verkaufsargument der 45 backenden Betriebe (23 im Kreis Düren), für die er spricht und auf die er nichts kommen lässt: „Die sind alle toll.“

Konkurrenz durch Discounter ist für Bäcker ein Problem

Dass zeige schon die Tatsache, dass es sie überhaupt noch gebe. Viele andere seien an Fachkräftemangel, Nachfolgeproblemen oder der Konkurrenz durch Discounter gescheitert. Wenn aber die Energiekosten auf das Mehrfache steigen, Beschäftigte mehr Geld fordern, weil sie es wegen der Inflation brauchen, und die Kunden den Euro mehrfach umdrehen müssen, wird’s auch für die besten Betriebe schwierig, so Zimmer.

Vergangenen Montag, bei einem Unternehmertag, habe der zugeschaltete Bundesfinanzminister Christian Lindner die Bäcker systemrelevant genannt, das bedeute wohl staatliche Hilfe, so Zimmer. Wann und wie viel, sei noch offen. „Wir sind nicht Bäcker geworden, um staatliche Hilfe zu bekommen“, sagt Zimmer. Doch für viele Betriebe gehe es nicht mehr anders.

Flut hatte drei Läden der Bäckerei Lennartz zerstört

Am 1. Juli 2021 hat Torsten Lennartz das Unternehmen von seinem Vater übernommen, mit 16 Filialen. Zwei Wochen später waren es drei weniger, die Flut hatte diese Läden für immer zerstört. Lennartz bittet in ein Büro in der Firmenzentrale in Kuchenheim. Auch hier wird das Bäckerhandwerk gepflegt, halt nur im größeren Stil.

Der Weg führt durch die große Backhalle. Die vielen großen Öfen, die Teigmaschinen und Kühlanlagen lassen erahnen, was hier das Wort Energiepreis-Explosion bedeutet. „1,5 Millionen Kilowattstunden Gas verbrauchen wir im Jahr“, sagt Lennartz, dazu 1,4 Millionen Kilowattstunden Strom zu gleichen Teilen in der Backstube in Kuchenheim und in den Ladenlokalen.

Warten auf Energierechnungen ist kein Vergnügen

Viele sind gemietet, das Warten auf die Nebenkostenabrechnungen ist kein Vergnügen. Die Rechnungen der Lieferanten sind es auch nicht: 40 Prozent Mehrkosten im Schnitt, hat Lennartz mal durchgerechnet.

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Der Start als Chef war für  Torsten Lennartz alles andere als einfach:   Erst kam die Flut, dann Krieg und Inflation.  

Die Autoflotte, die die Läden zweimal täglich beliefert sowie Krankenhäuser, Seniorenheime oder Mensen versorgt, habe er um einen Wagen auf vier reduziert, trotzdem müsse er rund 30 000 Euro mehr an Spritkosten einplanen. Auch Lennartz durchforstet das Sortiment, nutzt die Öfen noch effizienter.

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„Ich sehe mich auch in der Verantwortung für meine Mitarbeiter“, sagt der Chef von 160 sozialversicherten Beschäftigten und einer Reihe von Aushilfskräften. An der Qualität werde nicht gespart, die Filialen würden weiterhin zweimal täglich beliefert – der Frische wegen. Keine leichte Zeit, sagt der 48-Jährige, ohne den Blick auf die Ursache für die Misere, den Krieg in der Ukraine, zu verlieren: „Wir bezahlen mit Euro, andere mit ihrem Leben.“