Klimapolitik, WahlrechtJung-Politiker im Kreis wollen Veränderung – Kritik an Groko
Kreis Euskirchen – Sie sind jung, politisch interessiert und gehen für den Klimaschutz auf die Straße: Doch bei der Bundestagswahl entschieden sich viele Erstwähler nicht für die Grünen, sondern für die FDP. 23 Prozent aus der Wählergruppe setzten ihr Kreuz bei den Liberalen. Erst dann kamen knapp dahinter die Grünen (22 Prozent). Ähnliche Verhältnisse gibt es auch bei den Stimmanteilen bei den 18- bis 24-Jährigen: Auf den ersten Platz liegen mit 23 Prozent die Grünen, gefolgt von der FDP mit 22 Prozent.
Für Paula Lück ist das ein deutliches Signal. „Es gibt definitiv einen Wunsch nach Veränderung“, sagt die 18-Jährige, Sprecherin der Grünen Jugend im Kreis Euskirchen, der Nachwuchsorganisation der Grünen. Damit ist sie nicht allein. Auch Jan Griskewitz (24, FDP), Vincent Lemke (22, SPD) und Marlene Metternich (17, CDU) haben diesen Wunsch vernommen. Alle vier eint der Wunsch nach einer „ernst gemeinten Klimapolitik“.
Die Grünen
„Ich habe mir Rot-Rot-Grün gewünscht. Jetzt wäre ich mit einer Ampel-Koalition zufrieden, weil ich Armin Laschet nicht als Kanzler sehen möchte“, sagt Paula Lück, 18 Jahre alt und aus Mechernich. Der Kanzlerkandidat der CDU sei in den vergangenen Wochen „sehr unfähig rübergekommen“. Zudem habe die SPD die meisten Stimmen geholt und deshalb die demokratische Legitimation, nun Koalitionsgespräche zu führen. Bei einem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP sieht Lück bessere Chancen, echte Klimapolitik zu machen als bei einer Koalition zwischen CDU, Grünen und FDP. Fakt sei aber, dass Kompromisse eingegangen werden müssen. Obwohl die Grünen einen deutlichen Stimmenzuwachs verzeichnete, ist bei den jungen Parteianhängern nicht alles eitel Sonnenschein. „Wir hätten kleine Fehler vermeiden müssen – beispielsweise beim Lebenslauf von Annalena Baerbock. Dadurch sind vielleicht einige Wähler zur SPD abgewandert, nur um Laschet zu verhindern“, so Lück.
Mit der Arbeit der GroKo sei sie in den vergangenen vier Jahren „maximal unzufrieden“ gewesen. Wenn sie Kanzlerin wäre, würde sie den Kohleausstieg vorantreiben, um den Klimaschutz voranzutreiben. Gleichzeitig müsse der ÖPNV ausgebaut werden. Und wie soll das bezahlt werden? „Wir brauchen beispielsweise eine Vermögungssteuer“, so Lück, die sich fürs Stimmrecht bei der Bundestagswahl ab 16 Jahren stark macht. „Unsere Gesellschaft wird immer älter. Da muss man für einen Ausgleich sorgen“, sagt sie.
Sie habe das Gefühl, dass viele Jugendliche durchaus politisch interessiert seien. Sollte man aber wirklich darüber nachdenken, das Wahlrecht auf Bundesebene herabzusetzen, müsse man mehr in politische Schulbildung investieren. „Da muss ich der FDP schon recht geben“, sagt sie schmunzelnd.
Die FDP
„Aus Sicht der FDP ist die Wahl sehr positiv verlaufen. Wir haben uns noch einmal verbessert und wir haben die Chance, in der nächsten Regierung zu sitzen“, sagt Jan Griskewitz, 24 Jahre alt und Fraktionsvorsitzender der Schleidener FDP: „Mich freut, dass viele junge Menschen die Liberalen gewählt haben.“ Wäre es bei einem solchen Ergebnis nicht vielleicht sogar klug gewesen, mit Christian Lindner einen eigenen Kanzlerkandidaten zu stellen? „Nein, das wäre zu ambitioniert gewesen. Ich glaube, da waren wir realistisch genug, nicht den Kanzler zu stellen, sondern vielleicht den Finanzminister zu stellen“, sagt der Eifeler, der sich genau wie Lück für ein Wahlrecht ab 16 ausspricht, zumal das seit langem ein Wunsch der Jungen Liberalen sei. „Jetzt hat es endlich den Weg ins Wahlprogramm der Partei geschafft“, so Griskewitz.
Die Jugend sei so politisch wie nie zuvor und habe eine eigene Meinung. „Wahlen werden vor allem für die Zukunft gemacht, und das betrifft vor allem junge Menschen. Entsprechend fände ich es nur fair, wenn man ab 16 Jahren wählen dürfte“, berichtet der Eifeler. Von der GroKo seien viele Themen, die junge Menschen angehen – beispielsweise Digitalisierung und Klimaschutz – verschlafen worden.
Beim Thema „Klimaschutz“ habe die FDP bisher ein Kommunikationsproblem. „Ich höre immer wieder, dass wir Liberalen uns nicht genug für den Klimaschutz stark machen. Das stimmt nicht. Wir haben uns den Klimaschutz explizit auf die Fahnen geschrieben, aber halt einen anderen Ansatz als die Grünen“, sagt der Vorsitzender der Julis, der bei der kommenden Landtagswahl im Wahlkreis 12 antritt. Er sehe sich aber im kommenden Jahr noch nicht in Düsseldorf. Dafür sei er Realist genug. „Und Politik hauptberuflich zu machen? Das ist ähnlich wie Fußball- oder Popstar. Da muss viel zusammenkommen“, sagt Griskewitz.
Die SPD
„Ich freue mich auf jeden Fall über den Stimmenzuwachs. Ich ärgere mich aber, dass der nicht deutlicher ist“, sagt Vincent Lemke, 22 Jahre und im Kaller Rat für die SPD aktiv. Genau wie Paula Lück von den Grünen hofft auch der Eifeler auf eine Ampel-Koalition zwischen SPD, FDP und Grünen. „Wir haben in den Themenfeldern Klima und Soziales mit den Grünen große Schnittmengen. Bei den Verhandlungen müssen alle drei Parteien gute Arbeit leisten“, so Lemke, der zur Kanzlerschaft eine klare Meinung hat: „Ich glaube, die Leute wollen Armin Laschet nicht als Kanzler sehen.“
Beim Thema „Klima“ könne die SPD von den Grünen lernen, aber auch Aspekte der FDP findet der 22-Jährige „cool“. So sei die Idee der Liberalen, mit der Aktienrente das Rentensystem zu reformieren, durchaus lobenswert. Wichtig sei zudem, dass die Bürokratie weiter abgebaut werde. Es könne nicht sein, dass alle von fehlenden Wohnungen sprächen, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren aber so lange dauerten.
In der Region sei der Wahlkampf zwar fair gewesen, auf Bundesebene aber „durchaus dreckig“. „Dass es wenige Tage vor der Wahl eine Razzia im Finanzministerium gibt, finde ich bedenklich“, so Lemke, der sich ebenfalls fürs Wählen ab 16 ausspricht: „Junge Menschen haben eine Stimme verdient, weil sie spezielle Wünsche habe, über die nicht die ältere Generation entscheiden sollte.“
Die CDU
„Es wird auf den Spagat ankommen. Einerseits müssen wir den Klimaschutz innovativ voranbringen. Anderseits muss Deutschland ein innovativer Industriestandort bleiben“, sagt Marlene Metternich, 17 Jahre alt, Vorsitzende der Schüler-Union im Kreis Euskirchen. Die ersten Hochrechnungen habe sie vorm Fernseher verfolgt. „Ich war schockiert über das Ergebnis“, sagt die junge Vosselerin, die sich nach eigenen Angaben seit vier Jahren für Politik interessiert. Dass sie gerne gewählt hätte, stünde außer Frage.
Aber, so Metternich: „Ich bin trotzdem dafür, dass man bei Bundestagswahlen erst ab 18 wählen kann.“ Mit 16, 17 könne man sich noch leicht beeinflussen lassen. So mancher Jugendliche habe auch kein Interesse an Politik. Und was hat die CDU vor der Wahl falsch gemacht? „Wir hätten mehr junge Leute gebraucht“, so die Schülerin, die das Hermann-Josef-Kolleg Steinfeld besucht. Das müsse eine Lehre aus dem schlechten Abschneiden sein. Die CDU benötige, so Metternich, „junge Köpfe auf allen Ebenen“. Armin Laschet sei nicht der falsche Kandidat gewesen, es seien aber zu viele Fehler gemacht worden.
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„Ich war und bin von unserem Wahlprogramm sehr überzeugt“, so Metternich. Die neue Regierung müsse zukunftsorientiert handeln. Die Klimapolitik müsse ganz oben auf der Agenda stehen. Aber eben auch die Wirtschaft dürfe nicht vernachlässigt werden.