AboAbonnieren

K.o.-Tropfen an Karneval„Ich war nicht mehr ich selber“

Lesezeit 6 Minuten
ko_tropfen-symbolbild

Als Jana mit Freunden in der Kölner Südstadt Karneval feierte, muss ihr jemand K.-o.-Tropfen verabreicht haben, glaubt sie heute. (Symbolbild)

  1. Jana (Name geändert) wurden vor vier Jahren im Karneval vermutlich K.o.-Tropfen verabreicht.
  2. Sie schämte sich im Nachhinein für ihr seltsames Verhalten, das sie sich selber nicht erklären konnte.
  3. Landläufig wird mit der Bezeichnung K.o.-Tropfen assoziiert, dass jemand, der diese ungewollt zu sich nimmt, ausgeknockt und damit bewusstlos wird. Das ist aber eher selten so.

Kreis Euskirchen – Jana (Name geändert), ehemalige Euskirchenerin, wurden vor vier Jahren im Karneval vermutlich K.o.-Tropfen verabreicht. Die heute 27-Jährige hat erst viel später begriffen, was ihr widerfahren ist. Sie schämte sich im Nachhinein für ihr seltsames Verhalten, das sie sich selber nicht erklären konnte.

Jana, Sie haben vor vier Jahren während der Karnevalszeit Erfahrungen gemacht mit sogenannten K.o.-Tropfen. Was ist damals geschehen?

Ich war mit einer Gruppe von Freunden in der Kölner Südstadt feiern. Wir hatten alle Alkohol getrunken – aber was ich dann erlebte, hatte nichts mit den Erfahrungen zu tun, die ich bis dahin mit Alkohol gemacht hatte. Heute – mit mehr Hintergrundwissen – weiß ich, dass mir damals jemand etwas verabreicht haben muss.

Was genau war denn anders als am Betrunkensein?

Meine Stimmung ist plötzlich gekippt. Ich hatte Probleme, auf den Beinen zu bleiben, bin ständig hingefallen. Ich fand das aber alles nur unfassbar witzig, selbst, als ich in Scherben lag. Ich war komplett überdreht.

Was haben Ihre Freunde gemacht?

Die haben sich zwar gewundert, dachten aber, ich wäre nur betrunken – genau, wie sie. Nur einem Freund war es unheimlich, wie ich mich benommen habe. Er hat dann versucht, mich nach Hause zu bringen. Das ist ihm nicht gelungen. Erstens, weil ich kaum noch gehen konnte, zweitens war ich wie unter Strom.

Wie ging es an diesem Abend weiter?

Wir haben dann zufällig auf der Straße meinen WG-Mitbewohner getroffen, und der Kumpel, der mich eigentlich nach Hause bringen wollte, hat mich dann in dessen Obhut gegeben. Ich habe ziemliche Erinnerungslücken, wie es weitergegangen ist. Ich weiß aber, dass ich völlig enthemmt war – und sexuell unnormal stimuliert. Ich wäre in diesem Zustand vermutlich mit jedem mit- und ins Bett gegangen.

Ist es dazu gekommen?

Tatsächlich hatten mein Mitbewohner und ich in dieser Nacht Sex miteinander. Ungeschützt. Im Normalzustand hätte ich weder das eine, noch das andere jemals gemacht. Ich war nicht mehr ich selber. Trotzdem: Ich bin froh, in seinem Bett gelandet zu sein, nicht in dem eines Fremden. Ich weiß, dass das nur ein glücklicher Zufall war.

Wie ging es Ihnen im Anschluss?

Ich habe mich natürlich heftigst geschämt. Gleichzeitig hatte ich mit vielen Erinnerungslücken zu kämpfen. Damals habe ich ehrlich gesagt gar nicht daran gedacht, dass die Ursache für mein Verhalten irgendeine Substanz gewesen sein könnte. Ich hatte keine Idee, was da mit mir los gewesen war, habe mich einfach nur schuldig und schlecht gefühlt. Der Groschen fiel erst viel, viel später.

Mehr als 100 Substanzen werden als K.o.-Tropfen benutzt

Eltern, die ihre Kinder des Abends auf Partys oder in die Disco lassen, wünschen ihnen in der Regel nicht nur viel Spaß. Ein mahnendes „Mach keinen Quatsch!“ oder ein „Pass auf dich auf!“ werden wie magische Schutzformeln gesprochen. Und vor allem Mädchen gilt oft der Zusatz: „Achte auf dein Getränk!“ Denn die Gefahr, dass unbemerkt sogenannte K.o.-Tropfen darin landen, ist nicht zu unterschätzen.

Landläufig wird mit der Bezeichnung K.o.-Tropfen assoziiert, dass jemand, der diese ungewollt zu sich nimmt, ausgeknockt und damit bewusstlos wird. Das aber ist eher selten so. Die Wirkstoffe, die missbräuchlich als K.o.-Mittel eingesetzt werden können, führen zu Bewusstseinsstörungen, Verhaltensänderungen und Willenlosigkeit, häufig auch zu Euphorisierung und sexueller Enthemmung. „Genau das macht es den Opfern oft schwer, im Anschluss Anzeige zu erstatten oder einen Arzt aufzusuchen – sie schämen sich und fühlen sich mitverantwortlich für das, was geschehen ist“, weiß Uschi Kurten, Mitarbeiterin der Euskirchener Frauenberatungsstelle des „Vereins Frauen helfen Frauen“.

Hundertprozentigen Schutz vor K.o.-Tropfen gibt es nicht

K.o.-Tropfen werden in der Regel nicht einfach so verabreicht. Der oder die Täter haben meist anderes im Sinn: Häufig kommt es zu sexuellen Übergriffen. Jungs und Männer hingegen, denen man die Mittel unbemerkt verabreicht, werden oftmals ausgeraubt.

Kriminalhauptkommissar Toni Dickopp, Opferschutzbeauftragter der Euskirchener Kreispolizei betont: „Schon die Verabreichung von solchen Substanzen ist eine Straftat und kein Kavaliersdelikt. Dies wird entsprechend geahndet.“ Sein Kollege Lothar Willems, Polizei-Pressesprecher, empfiehlt: „Wer den Einsatz solcher Substanzen beobachtet, sollte konsequent die Polizei rufen.“

Einen hundertprozentigen Schutz vor K.o.-Tropfen gibt es leider nicht. „Viele wissen mittlerweile, dass man auf sein Getränk achtgeben muss. Dabei wird aber vergessen, dass es nicht immer Fremde sind, die solche Mittel zum Einsatz bringen“, gibt Uschi Kurten von der Frauenberatungsstelle zu bedenken. Selbst auf Privatpartys kommt es zu Vorfällen, bei denen K.o.-Tropfen im Spiel sind.

Gab schon Todesfälle durch K.o.-Tropfen

„Der einzige Schutz, der wirklich greift, ist, zuverlässig aufeinander aufzupassen“, unterstreicht die Beraterin. Sobald sich jemand aus der Gruppe auffällig verhalte, über ungewöhnlichen Schwindel klage oder aber entgegen seiner Art völlig überdreht oder gar sexuell enthemmt sei, solle man die Person aus der Situation holen. „Bestenfalls ruft man den Notdienst, denn man weiß ja nicht, wie hoch die Dosierung der Substanz war.“ In der Tat gab es schon Todesfälle durch sogenannte K.o.-Tropfen.

Und noch einen Rat geben die Experten von Polizei und Frauenberatungsstelle: Fremden, die sich als Helfer ausgeben und die betroffene Person an die frische Luft oder nach Hause bringen wollen, solle man mit Vorsicht begegnen. „Oft verbergen sich hinter den freundlichen Helfern die Täter , die so ungehindert ihre Tat ausführen können.“

Viele Substanzen sind acht bis zwölf Stunden nachweisbar

Auch wenn sie K.o.-Tropfen heißen, so führt die Verabreichung der Stoffe, die unter diesem Namen laufen, nicht immer zur Bewusstlosigkeit. Manche wirken enthemmend, euphorisierend und sexualisierend.

Außenstehende denken, die Betroffenen seien stark betrunken und sexuelle Handlungen würden freiwillig erfolgen. Willenlosigkeit und Kontrollverlust sind jedoch tatsächlich auf die chemischen Substanzen zurückzuführen.

Opfer sind überwiegend Frauen

Insgesamt sind über 100 Wirkstoffe missbräuchlich als K.o.-Mittel einsetzbar. Diese werden nicht ausschließlich von Fremden verabreicht. Auch im Freundeskreis kommt es vor, dass Mittel verabreicht werden, um den eintretenden Zustand der Willenlosigkeit auszunutzen. Opfer sind überwiegend Frauen, die Motive der Täter sind meist sexueller Art. Bei Männern kommen die Mittel eher zum Einsatz, um ihnen Geld, Handys oder andere Wertgegenstände zu rauben.

Der Nachweis von K.o.-Substanzen ist leider sehr schwierig. Viele sind nur bis zu sechs Stunden nach der Einnahme im Blut nachweisbar, im Urin acht bis zwölf Stunden. Viele Opfer sind in diesem Zeitraum noch nicht bei klarem Bewusstsein.

Spuren werden zehn Jahre lang gelagert

Damit ist die Ahndung dieser Straftaten erschwert. Bei Verdacht sollte bestenfalls Urin aufgefangen werden, den man auch kurze Zeit im Kühlschrank lagern kann, ehe man dann zur Kontrolle zum Arzt geht.Besteht der Verdacht, dass unter Einfluss von K.o.-Tropfen eine Sexualstraftat erfolgte, kann man neben der direkten Anzeigenerstattung bei der Polizei auch eine Anonyme Spurensicherung (ASS) am Marien-Hospital Euskirchen oder im Kreiskrankenhaus Mechernich durchführen lassen.

Die gesicherten Spuren werden zehn Jahre in der Rechtsmedizin gelagert, Opfer können in Ruhe entscheiden, ob sie später noch Anzeige erstatten.