Kampf gegen die PandemieKreis Euskirchen bewirbt sich für das Tübinger Modell
Kreis Euskirchen – Können die Bürger im Kreis Euskirchen schon bald auf Lockerungen bei den Corona-Restriktionen hoffen? Die Antwort lautet wie so oft in der Pandemie: „Jein.“
Es wäre ein Ja, wenn der Kreis eine der etwa zehn angedachten Modellregionen würde, in denen das Land Öffnungsstrategien unter wissenschaftlicher Begleitung testen will. Und ein Nein, wenn sich der aktuelle Trend der Infektionen nach oben fortsetzt.
Denn eine Grundbedingung ist, dass der Kreis schnellstmöglich wieder deutlich unter die 100er-Inzidenzmarke fällt, wie sie in den vergangenen Wochen verzeichnet wurde. Seit Mittwoch ist die Marke jedoch überschritten. Am Donnerstag ging es mit einer Inzidenz von 126 weiter in die falsche Richtung.
Trotzdem hat die Politik im Kreis Morgenluft gewittert. Das Schlagwort heißt „Tübinger Modell“. In ausgewählten Regionen will das Land zeitlich befristete Projekte nach diesem Modell durchführen. Dort soll es zu Lockerungen kommen, wenn sich die Bürger vor Besuchen in Läden, Außengastronomie oder in Theatern und Kinos negativtesten lassen. Das löst überall im Land Begehrlichkeiten aus.
Landrat Ramers schreibt an Ministerpräsident Laschet
„Zurück zur Normalität“, wünschte sich am Donnerstag die Chefin der CDU-Kreistagsfraktion, Ute Stolz. In einem Antrag forderte ihre Fraktion den Landrat auf, sich als Partner für einen Modellversuch zu bewerben. Und kam damit schon einen Tag zu spät.
Bereits am Mittwoch hatte Landrat Markus Ramers aus seiner Quarantäne heraus einen entsprechenden Brief an Ministerpräsident Armin Laschet geschickt. Der Vorschlag, so erklärte Ramers, sei im Krisenstab entwickelt worden.
Doch auch Ramers ist nicht der Erste, der auf die Idee gekommen ist. Bereits am Dienstag hat sein Kollege Wolfgang Spelthahn den Kreis Düren ins Rennen geschickt.
Das Tübinger Modell
Der Weg, den die Universitätsstadt Tübingen mit ihrem Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) seit etwa einer Woche geht, ermöglicht es den Bürgern, bei entsprechenden negativen Testergebnissen weitgehend normal zu leben. Sie können Kinos besuchen, essen gehen oder in den Läden shoppen.
In der Stadt selbst soll die Inzidenz nach Angaben der dortigen Pandemiebeauftragten in der „Süddeutschen Zeitung“ seit zwei Wochen zwischen 20 und 30 liegen. Im Landkreis Tübingen lag die Inzidenz am Mittwoch aber bei 65,3. (ch)
Ramers und Spelthahn sind in bester Gesellschaft. Wie die Redaktion am Donnerstag von MdL Klaus Voussem (CDU) erfuhr, sollen in der Staatskanzlei bereits 300 entsprechende Bewerbungen von Kreisen, Städten und Gemeinden eingegangen sein.
Der Eifel-Faktor könnte helfen
Trotz der keineswegs erstaunlich hohen Zahl an Konkurrenten sieht man im Kreis gute Chancen. Die Voraussetzungen für einen solchen Modellversuch, so argumentiert Ramers, seien hier bestens geeignet. Im Kreis sei seit Beginn der Pandemie ein hohes Maß an Solidarität, Hilfsbereitschaft und Kreativität in der Bevölkerung zu finden.
Etwa zehn Prozent der Kreisbürger haben bis jetzt eine Erstimpfung erhalten. Auch, so Ramers, habe es hier keine ungewöhnlichen Ausschläge bei der Inzidenz gegeben. Durch die ländliche Struktur des Kreises gebe es keine Hotspots. Interessant sei der Kreis auch deshalb als Modellregion, weil das Infektionsgeschehen – oft zeitlich verzögert – leicht unter dem Landesdurchschnitt liege.
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Noch eine Besonderheit kennzeichnet aus Sicht des Landrats den Kreis und prädestiniert ihn für den Modellversuch. Die Eifel könne in den kommenden Monaten ein wertvolles und beliebtes Naherholungsziel für Bürger aus den Ballungsräumen sein. Hunderte Kilometer an Wander- und Fahrradwegen böten viel Platz, um Natur und Ausgleich infektionssicher erleben zu können.
Gastronomische und touristische Anbieter hätten in der Region bereits im vergangenen Sommer erfolgreich pandemiegerechte Konzepte umgesetzt.Auch die Schnellteststruktur nennt Ramers als Argument. Binnen kürzester Zeit sei in Kooperation mit dem Gewerbe, mit Vereinen, Kommunen, Ärzten und Apotheken ein flächendeckendes Netz entstanden.
Derzeit seien es 55 Teststellen, und es würden noch mehr. Die Datenverwaltung erfolge automatisiert, von der Registrierung bis zur Weitergabe positiver Testergebnisse ans Gesundheitsamt bis zur Zustellung der Ergebniszertifikate an die Getesteten. Außerdem rechnet der Landrat damit, eine breite Unterstützung für einen derartigen Modellversuch zu gewinnen.
Der Kreis verfüge über bewährte Vernetzungsstrukturen zur Wirtschaft, zu den Kommunen und zur Wissenschaft. Auf dem Weg zum Modellkreis ist sich Ramers außerdem der parteiübergreifende Unterstützung aus den Kommunen sicher.
Dies zeigt auch der jetzige Antrag der CDU, der von FDP und UWV unterstützt wird. Ute Stolz ärgerte sich zwar darüber, dass der Landrat losgeprescht sei, ohne zuvor die Fraktionen zu informieren, doch inhaltlich sind CDU, FDP und UWV exakt auf der gleichen Linie mit dem SPD-Landrat. Stolz: „Als Flächenkreis könnten wir zeigen, dass eine Öffnung für negativ getestete Gäste und Käufer möglich ist, ohne dass die Ansteckungsrate dadurch steigt.“
Schützenhilfe kommt aus Berlin auch durch den CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif. „Was in Tübingen klappt, geht auch bei uns“, erklärte er. Seif: „Nach einem Jahr der Pandemie gibt es andere Optionen als einen pauschalen Lockdown. Ich unterstütze den Vorschlag ausdrücklich.“
Bereits Anfang Februar, so Seif, habe er dem Land und dem Bund den Vorschlag für branchenspezifische Modellregionen gemacht. Seif: „Ich erwarte von den Ländern mehr Mut und den Willen, für neue Wege verantwortungsvoll mit der Pandemie umzugehen.“
Landrat Ramers weist allerdings auch auf einen Unsicherheitsfaktor hin, den der Kreis mit den übrigen Kandidaten teilt: die Ausbreitung der Mutationen. Der Anteil der ansteckenderen britischen Variante, so sagte er im Gespräch mit der Redaktion, liege auch im Kreis Euskirchen schon über 50 Prozent.