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Suche nach Modellen und InvestorenAuch in der Gemeinde Kall fehlt preiswerter Wohnraum

Lesezeit 4 Minuten
Blick auf eine Baustelle.

Die Zahl der Wohnungen, die in Kall gebaut werden, reichen wie fast überall im Land nicht aus, um den Bedarf zu decken.

Weil in Kall günstiger Wohnraum fehlt, prüft die Gemeinde verschiedene Modelle. Ohne Investoren wird es aber wohl nicht gehen.

„Die Sozialbindungen fallen mit rasanter Geschwindigkeit weg. Wir werden bald in Kall kein Haus mehr mit einer Sozialbindung haben“, warnte Karl Vermöhlen (SPD) im Kaller Hauptausschuss. Das zeige eine Untersuchung der NRW-Bank. Dem müsse entgegengewirkt und mit verschiedenen Trägern und Modellen preisgünstiger Wohnraum geschaffen werden. Dieser Meinung schlossen sich auch die anderen Fraktionen und die Verwaltung an.

2023 seien in Deutschland gut 293.000 Wohnungen errichtet worden. Für 2024 wird nach Angaben der Gemeindeverwaltung keine höhere Zahl erwartet. Ursachen seien die gestiegenen Zinsen, hohe Baukosten, bürokratische Hemmnisse und überhöhte Anforderungen an Bauausführung und Energetik. Der private Wohnungsbau für Mietobjekte erziele bei Baukosten von bis zu 4000 Euro pro Quadratmeter nicht die erforderlichen Renditen, um Fremd- oder Eigenkapital bedienen und tilgen zu können.

Bei realisierten Projekten liege die Kaltmiete nach Angaben der Verwaltung bei fünf Prozent Renditeerfordernissen rechnerisch bei 16,67 Euro pro Quadratmeter. In der Gemeinde Kall würden für ältere Wohnobjekte bis zu 10 Euro pro Quadratmeter aufgerufen, für Neubauten mit bester Energetik und daher geringen Neben- und Heizkosten auch mehr.

Viele Gruppen haben kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt

Die Wohnungsnot führe dazu, dass die gesetzlichen Möglichkeiten zur Erhöhung von Kaltmieten durch Vermieter bis hin zur „kalten“ Entmietung von Gering- oder Normalverdienern ausgereizt würden. Diese seien von Wohnungslosigkeit bedroht. Alleinerziehende, befristet Beschäftigte, Frührentner, Bezieher von Bürgergeld oder anderen Transferleistungen, anerkannte Asylbewerber und Menschen in Ausbildung oder Umschulung hätten kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt.

Das führe zu einer nie da gewesenen Zahl von Menschen, die von den Kommunen wegen bestehender oder drohender Obdachlosigkeit untergebracht werden müssten. „Die Zahl der Wohnungslosen im Kreis Euskirchen ist von 2022 auf 2023 von 280 auf 1365 gestiegen“, erklärte Bürgermeister Hermann-Josef Esser. Familien lebten auf engem Raum, weil eine größere Wohnung nicht finanzierbar sei.

Fünf Modelle zur Bereitstellung günstigen Wohnraums aufgeführt

Nur zehn Prozent der Wohnungen in der Gemeinde seien kleiner als 60 Quadratmeter: „Das sind aber genau die Wohnungsgrößen, die verstärkt nachgefragt werden.“ Esser betonte: „Wir brauchen dringend zusätzlichen Wohnraum.“ Auf der anderen Seite steige aber die Quadratmeterzahl pro Kopf, weil viele alleinstehende Menschen in großen Häusern lebten, ergänzte Vermöhlen. Die könnten aber nicht in kleinere Wohnungen umziehen, weil diese nicht vorhanden seien.

Um Abhilfe zu schaffen, hatte die Verwaltung fünf Modelle zur Bereitstellung günstigen Wohnraums in einer Tabelle aufgeführt. Das Spektrum reichte von Investoren, die die neuen Gebäude entweder selbst vermarkten oder der Gemeinde vermieten, über öffentlich-rechtliche Gesellschaften und einer immer mal wieder angedachten Wohnungsbaugenossenschaft für den Südkreis bis hin zur Kommune selbst.

„Wir brauchen Modelle, die schnell wirken“, sagte Vermöhlen. In den nächsten Jahrzehnten werde es viele Menschen beispielsweise mit kleinen Renten geben: „Für die müssen wir vorsorgen.“ Die Gründung einer Wohnungsbaugenossenschaft dauere zu lange.

Rettungssanitäterin sucht in Kall händeringend eine Wohnung

„Wir müssen das Problem mit dem fehlenden Wohnraum angehen und müssen an die denken, die das wenigste Geld haben“, meinte Bert Spilles (CDU). Das Deutsche Rote Kreuz suche zurzeit händeringend nach Wohnungen für eine Rettungssanitäterin in der neuen Kaller Wache. Sozialer Wohnungsbau sei nicht die Aufgabe der Gemeinde: „Aber wir müssen uns das leisten.“ Am schnellsten könne man wohl Fortschritte erzielen, wenn ein Investor baue und die Gemeinde anschließend die Räume miete. „Wenn wir eine entsprechende Anfrage bekommen, sollten wir direkt zuschlagen.“

„Wir müssen als Gesellschaft etwas gegen die Wohnungsnot tun. Wenn das nicht schneller und preiswerter geht, kriegen wir ein Problem“, betonte Dr. Manfred Wolter (FDP). Wesentliche Rahmenbedingungen würden aber von anderen Beteiligten gesetzt.

Dr. Ulrich Meisen (Grüne) wollte wissen, ob es eine Analyse gebe, welche Wohnungen künftig benötigt würden. „Eine Bedarfsermittlung ist nicht machbar. Aber der Trend geht klar zu kleineren Wohnungen“, antwortete der Bürgermeister.

68 Prozent der Kaller leben laut dem Zensus von 2022 in Ein- und Zweifamilienhäusern. Das erhöht natürlich den Raumbedarf“, erklärte Bürgermeister Hermann-Josef Esser. Die Zahl der Mehrfamilienhäuser in der Gemeinde sei mit 290 nicht sehr hoch. Insgesamt gebe es 4000 Gebäude mit Wohnraum und 5650 Wohnungen, von denen aber nur 34 Prozent vermietet seien. 297 Wohnungen hätten zum Zeitpunkt der Abfrage leer gestanden.