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Blei-Thema schwappt nach Kall überBesorgnis in der Bevölkerung nimmt zu

Lesezeit 5 Minuten
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Hans Reiff vorm Förderturm am alten Westschacht zwischen Kallmuth und Scheven.

  1. Das Thema Blei ist in Mechernich zuletzt groß diskutiert worden. Aufgrund von zu hoher Bodenbelastung müssen Baugebiete und Spielplätze ausgebessert werden.
  2. In Kall war es diesbezüglich bisher deutlich ruhiger. Allerdings machen sich auch die Bewohner der Mechernicher Nachbargemeinde so langsam immer größere Sorgen.
  3. Wie hoch die Belastung wirklich ist und was Politiker aus der Gemeinde zu dem Thema sagen.

Kall – Und was ist mit Kall? Während in Mechernich die Wogen der Blei-Diskussion seit Jahren sehr hoch schlagen, war es in der Nachbargemeinde bislang relativ ruhig. Dabei heißt es doch nicht umsonst: Mechernich-Kaller Belastungszone.

Auch im heutigen Kaller Stadtgebiet wurde bis über die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinaus in der größten Bleierzlagerstätte Europas das Schwermetall aus der Erde befördert. Auch dort haben viele Menschen damit ihren Lebensunterhalt verdient. Und auch dort befindet sich heute noch Blei in einem Maße in der Erde, dass auf Dauer gesundheitliche Schäden nicht auszuschließen sind.

Nachfragen der Bürger in Kall nehmen zu

Wenn auch die Diskussionen in der rund 11.000-Einwohner-Gemeinde längst nicht so intensiv geführt werden wie beim großen Nachbarn, die besorgten Nachfragen der Bürger in Kall nehmen zu. Das stellen unter anderem das Grünen-Gemeinderatsmitglied Guido Huppertz und der Schevener Ortsvorsteher Hans Reiff (FDP) fest.

„Es rufen in letzter Zeit vermehrt Bürger bei mir an, die wissen wollen, wie es denn im Boden ihres Grundstücks aussieht“, teilt Reiff mit. Scheven und Dottel, das sich ebenfalls in Reiffs Ortsvorsteher-Gebiet befindet, gehören zu den Blei-Hotspots innerhalb der Gemeinde. Eine klare Antwort könne er ihnen dann auch nicht geben, gesteht Reiff. Parzellenscharfe Bodenanalysen gebe es nicht. Auch die Frage, wer denn eventuelle Sanierungsmaßnahmen auf den privaten Grundstücken bezahlen müsse, ist weder in Mechernich noch in Kall derzeit geklärt.

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Gedenken an die Toten vom Abbaugebiet Tanzberg in Keldenich

Hüben wie drüben zeichnet sich in der Bevölkerung eine höchstunterschiedliche Herangehensweise an das Thema ab. „Für alteingesessene Eifler vor Ort ist das Thema Bleibelastung im Boden ein alter Hut, mit dem sie seit Kindesbeinen an zu leben gelernt haben“, stellt Grünen-Ratsherr Huppertz fest. Er und Reiff erinnern sich an Berichte von alten Kallern, wonach schon mal die „Hühner im Kreis umherirrten“ (Reiff) und „Haus- und Nutztiere übermäßig früh und häufig verendeten“ (Huppertz) – beides Folgen einer Überdosierung mit dem Schwermetall.

Über die Jahre aber sei die Belastung und somit auch die Relevanz des Themas gesunken – bis vor kurzem, als in der Nachbarstadt das Thema auf die Tagesordnung kam und seitdem nicht mehr verschwunden ist. „Die Menschen sind sensibler geworden“, stellt Reiff fest. Das sei auch gut so. Nicht alles könne man als Hysterie abtun, findet der Liberale.

Belastung in Kall vergleichweise klein

Das zeigt auch ein Blick auf die Bleibelastungskarte des Kreises, in der grob die Menge des Bleis in der Erde aufgezeigt wird: Dottel etwa liegt in einem Bereich, in dem bei Messungen 2000 bis 5000 Milligramm pro Kilo Erde festgestellt wurden, Keldenich kommt auf 1000 bis 2000 und Kall in Randbereichen auf 200 bis 500 Milligramm pro Kilogramm Erde.

Der Prüfwert der Bodenschutzverordnung für Gebiete, in denen Kleinkinder spielen und nicht selten Erde direkt oder indirekt über die Finger in den Mund stecken, liegt bei 200 Milligramm. Ab dann sollte darüber nachgedacht werden, ob Handlungsbedarf besteht – und wenn ja, welcher.

Keine akute Gefahr

Akute Gefahr bestehe nicht, so die Experten, die sich mit ähnlichen Werten in Mechernich befassen, denn Blei entfaltet seine gesundheitlichen Folgen, etwa auf die Entwicklung bei Kindern, erst bei dauerhafter Aufnahme. Doch Handeln ist angesagt.

„Die Kaller Bürgerinnen und Bürger und insbesondere junge Familien sollten daher wie in Mechernich umfangreich und fachlich begleitet informiert werden“, fordert Huppertz. Finanzielle Erwägungen oder Wünsche zur Ausweisung neuer Baugebiete dürften dabei kein Hindernis sein, sagt der Grüne – und trifft damit einen wunden Punkt.

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Teils bewachsen sind in Mechernich und Kall die Halden des   Sandes, der mit Blei in Berührung gekommen war.

Denn vor allem die Grünen stehen der Ausweisung neuer Baugebiete sehr skeptisch gegenüber, wie die Diskussionen zum Landesentwicklungsplan im Vorjahr deutlich machten. Auch er nehme die Sorgen der Einwohner ernst, versichert Bürgermeister Hermann-Josef Esser (CDU). Daher lasse die Gemeinde, ähnlich wie Mechernich, die Böden aller 23 Kinderspielplätze sowie die der acht Außenanlagen der Kindertagesstätten testen.

Untersuchungen

Für Ziergärten kostet eine Bodenuntersuchung zwischen 400 und 500 Euro bei etwa 500 Quadratmetern; bei Nutzgärten rund 800 Euro mit einer Bewertung und Empfehlung durch den Kreis.

Auf seiner Homepage gibt der Kreis Handlungsempfehlungen für Bewohner in der Mechernicher und Kaller Belastungszone.

Auch Bereiche im Gemeindegebiet, die wenig bis gar nichts mit dem Bergbau zu tun hatten, würden in die Untersuchungen einbezogen. „Wir gehen bis nach Krekel und Sistig“, will Esser zeigen, wie ernst es den Verantwortlichen mit der Gesundheit der Bürger ist. Bis zu 25.000 Euro lässt sich die Gemeinde diese Untersuchungen kosten. Denn weil Politik und Verwaltung möglichst schnell Ergebnisse vorliegen haben möchten, sei auf ein langwieriges Förderantragsverfahren verzichtet worden, erläutert der Bürgermeister.

Mechernich: Mehr als 40 Spielplätze betroffen

Wenn es aber tatsächlich zu teuren Sanierungsmaßnahmen kommen sollte, werde die Gemeinde das Land an seine Verantwortung erinnern – ähnlich wie es Essers Mechernicher Amtskollege Dr. Hans-Peter Schick (CDU) immer wieder mit Erfolg tut. Bei den anstehenden Ausbesserungsmaßnahmen an mehr als 40 Kinderspielplätzen im Mechernicher Stadtgebiet trägt das Land einen großen Teil der Kosten.

Die Diskussion in der Nachbarstadt hat Esser intensiv beobachtet. „Ein Teil der Bürger macht sich wirklich Sorgen wegen der Gesundheit“, stellt er fest: „Das nehme ich ernst.“ Einigen, so Essers Beobachtung, sei es aber darum gegangen, sich an Bürgermeister Schick abzuarbeiten. Andere wiederum hätten das Thema Blei wohl vorgeschoben, um Bautätigkeiten vor der eigenen Haustür zu verhindern.

Baugebiete sollen nicht verhindert werden

„Ich hoffe, dass das Thema nicht von einigen instrumentalisiert wird, um Baugebiete zu verhindern, die sie nicht möchten“, sagt Esser mit Blick auf Kall. Die Verwaltung und große Teile der Politik möchten nämlich über Projekte wie „Region+“ und „Bauen an der Schiene“ gerne neue Bürger nach Kall locken.

Genau hier setzt Huppertz an. „Die Verwaltung sollte baldmöglichst die Ergebnisse ihrer Untersuchungen veröffentlichen“, sagt der Grüne. Er fordert Transparenz den möglichen Neubürgern gegenüber und ein Konzept zur Prüfung all der in Rede stehenden Flächen.

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Das werde selbstverständlich geschehen, versichert Esser. Dazu habe es der Aufforderung der Grünen gar nicht bedurft. Wer in Kall ein Grundstück erwerben wolle, werde auf die mögliche Bleibelastung hingewiesen. Zudem mache der Kreis im Zuge der Baugenehmigungen bei Neubauten grundstücksscharfe Vorgaben zu Bodenaustausch oder Bodenabdeckung sowie zur Gartennutzung, stellt der Bürgermeister klar.