„Endlich hab ich wieder ein Zuhause“Flutopfer haben in Kall Tiny-Häuser bezogen
Kall – Für Monika Zahn aus Urft hatte das Weihnachtsfest schon zwei Tage vor Heiligabend begonnen: „Da teilte mir die Gemeindeverwaltung in einem Anruf mit, dass ich in eines der Tiny-Häuser einziehen kann. Ich habe mich riesig gefreut, dass ich endlich wieder ein Zuhause habe.“ Insgesamt zehn dieser mobilen Unterkünfte stellt die Gemeinde Flutopfern zur Verfügung. Den Kauf und die Ausstattung der Häuser unterstützt die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland mit bis zu einer Million Euro aus Spenden des Hilfsbündnisses „Aktion Deutschland hilft“.
Ursprünglich waren die Häuser für das Ahrtal vorgesehen. Der Kaller Bauamtsleiter Markus Auel erfuhr aber, dass sie dort nicht gebraucht wurden und setzte seinen Mitarbeiter Christoph Graf darauf an, die Unterkünfte nach Kall zu holen. Und Graf war erfolgreich: Die ersten Häuschen wurden in der zweiten Dezemberwoche geliefert. Der Bauhof der Gemeinde verlegte mit Unterstützung von Firmen Strom-, Wasser- und Abwasserleitungen und richtete die drei Plätze her, auf denen die Häuser aufgestellt wurden.
„Kurz vor dem Weihnachtsfest konnten dann die ersten vier Unterkünfte bezogen werden“, berichtet Bürgermeister Hermann-Josef Esser. Die anderen Häuser seien mittlerweile auch eingerichtet und könnten in den nächsten Tagen weiteren Flutopfern zur Verfügung gestellt werden.
Wasser stand ein Meter hoch im Erdgeschoss
Monika Zahn wohnte bis zu der Flut in Urft in einem Haus zur Miete, das am Fuße einer Anhöhe rund fünf Meter hoch über der Urft liegt: „Deshalb habe ich nie gedacht, dass ich einmal Probleme mit Hochwasser bekommen könnte.“ Umso geschockter war die 62-Jährige von den Ereignissen in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli. Da wurde ihr nicht nur das Hochwasser der Urft, sondern auch der Starkregen zum Verhängnis. „Gegen 21.30 Uhr kam das Wasser von der Anhöhe runtergeschossen wie ein Wasserfall und lief ins Haus. Gleichzeitig stieg der Pegel der Urft immer weiter an, bis das Wasser an der Hauswand stand“, erinnert sich Zahn.
Vorher habe sie im letzten Moment noch einige wichtige Dinge in die erste Etage retten können. Das sei wenig später nicht mehr möglich gewesen, weil das Wasser rund einen Meter hoch im Erdgeschoss gestanden habe. Deshalb habe sie vieles, was noch in den Räumen war, als Flutmüll entsorgen müssen.„Das war ein harter Schlag“, erzählt die Rentnerin. Das Rauschen des Wassers habe sie bis heute noch im Ohr.
Danach habe sie noch zwei Tage und Nächte in der ersten Etage des Hauses verbracht, ehe Ortsvorsteher Fabian Nowald ihr eine Unterkunft im Jugendwaldheim in Urft vermittelt habe. „Dort war ich dann rund fünfeinhalb Monate untergebracht. Ich hatte ein Zimmer und ein Badezimmer und konnte die Kaffeeküche mitbenutzen“, berichtet Zahn. In ihrer Unterkunft seien alle sehr nett gewesen. „Aber bei bis zu 50 Kindern, die auch dort untergebracht waren, gab es schon einigen Trubel.“
Die Ausstattung
Die mobilen Unterkünfte, die in Kall aufgestellt wurden, sind knapp 35 Quadratmeter groß. Sie verfügen über zwei Schlafräume mit jeweils zwei Betten, Toilette und Dusche, eine komplett ausgestattete Küche samt offenem Wohnraum und Abstellraum. In den nächsten Wochen sollen vom Hersteller Adria auch noch kleine Holz-Terrassen geliefert werden. Die insgesamt zehn Häuser sind verteilt auf die drei Standorte „Auf dem Fels“, „Im Vogtpesch“ und „Im Sträßchen“. An den drei Standorten wurde zusätzlich jeweils ein Waschcontainer aufgestellt, in dem sich für die Bewohner jeder Einheit eine Waschmaschine und ein Wäschetrockner befinden. (wki)
Fünf Monate habe sie vergeblich versucht, eine neue Wohnung zu finden. „Umso glücklicher bin ich, dass ich nun wieder eine Rückzugsmöglichkeit habe, in der ich auch zur Ruhe kommen kann. Dafür bin ich der Gemeinde sehr dankbar“, sagt Zahn. Die Rentnerin, die im Gemeinnützigen Kaufhaus des Vereins Wirkstatt in Kall aushilft, hat trotz des Schicksalsschlags ihren Optimismus nicht verloren. Ausdrücklich bedankt sie sich bei allen Helfern, die mitangepackt haben: „Ohne die hätte ich es nicht geschafft.“
Ehepaar spendete Auto
Die 62-Jährige hatte sogar noch etwas Glück im Unglück: „Der Wagen des Sozialkaufhauses war bei der Flut auch abgesoffen. Dann habe ich von einem Autohaus in Alsfeld ein Auto bekommen, das ein Ehepaar aus Heilbronn für Flutopfer gespendet hatte.“
„Die Menschen sind oft zu Tränen gerührt, wenn sie in die Tiny-Häuser einziehen können“, berichtet Paul Neufeld von der Gemeindeverwaltung. Die Verwaltung habe mehrfach den Wohnungsbedarf bei den Flutopfern abgefragt. „Nachdem alle verfügbaren Plätze in Asyl- und Obdachlosenunterkünften belegt waren und es auch auf dem freien Wohnungsmarkt keine Angebote mehr gab, musste schnell eine alternative Lösung gefunden werden“, so Neufeld.
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Mit den zehn Unterkünften sei der akute Bedarf zunächst gedeckt. Es gebe aber immer wieder Veränderungen, beispielsweise, wenn Leute ihre Häuser verlassen müssten, weil dort mit den Sanierungsarbeiten begonnen werde.
„Die Gemeinde ist der Vermieter und muss sich auch um die Unterkünfte kümmern“, betont Bürgermeister Esser: „Wir nehmen aber keine Miete, die Bewohner zahlen nur die Nebenkosten.“ Genutzt werden die Häuser, die Platz für maximal vier Personen bieten, bislang von Singles, Paaren und Familien mit einem Kind. Esser geht davon aus, dass die Tiny-Häuser noch zwei bis drei Jahre für die Unterbringung von Flutopfern benötigt werden. Danach will die Gemeinde sie anderen bedürftigen Menschen zur Verfügung stellen.
Erst einmal macht es sich aber Monika Zahn in einem der Häuser gemütlich: „Zurzeit gehe ich davon aus, dass ich längere Zeit hierbleiben werde. Ich wohne gerne hier.“