Einmal mit vierbeinigen Profis im Wald arbeiten: Journalist Bernd Zimmermann hat sich einen Traum in Hellenthal erfüllt.
Pferde sind Profis im WaldEuropameister vermittelt in Udenbreth Techniken des Holzrückens
Cool steht der zweifache Europameister und Vize-Europameister im Wald. Ganz anders der Mann, der dem Profi jetzt die Ansagen machen soll. Wotan ist der Profi: Belgisches Kaltblut, und er scheint gar nicht zu registrieren, was unmittelbar hinter ihm passiert. Da versucht ein Anfänger, eine Kette um einen Baumstamm zu wickeln. Endlich geschafft!
Und schon kommt Leben in das, was eben noch wie ein Stillleben anmutet. „Jö, jö“ klingt es, und schon setzt sich der graue Riese samt angehängtem Holzstamm in Bewegung.
Wotan, außerdem deutscher und fünffacher nordrhein-westfälischer Meister, steuert zielsicher auf eine Lücke zwischen zwei Fichten zu. „Harr“, ruft es hinter ihm, Wotan dreht gehorsam nach links, steuert einen etwas größeren Zwischenraum zwischen zwei Bäumen an.
Hellenthal-Udenbreth: Europameister Dirk Zöll vermittelt Holzrücken
Richtig – es geht um ein Rückepferd und einen Neuling, der sich immer schon mal gewünscht hat, solch ein Kaltblut durch den Forst zu dirigieren. In einem Wäldchen bei Udenbreth hat Dirk Zöll, mehrfacher Europameister und Vize-Europameister im Holzrücken mit Pferden, zehn Menschen um sich versammelt, die Holzrücker werden wollen.
Neun davon haben selbst Pferde, reiten oder fahren Kutsche. Wie Sabine und Klaus aus einem kleinen Ort bei Prüm. Oder wie der Elektroniker Michael, der zwei Pferde sein Eigen nennt, darunter eine vierjährige Shire-Stute. Er ist eigens aus Hameln angereist, schon zum vierten Mal, wie er betont, weil er „jedes Mal richtig was lernt“.
Dirk Zöll kommuniziert auf mit den Pferden in der Sprache der belgischen Fuhrleute
Die Pferdeleute beobachten, ebenso wie Zöll und sein Helfer Daniel Hermes, was der Anfänger macht. Der Anfänger, das bin ich: 67 Jahre alt, jahrzehntelang als Zeitungsredakteur gearbeitet, noch nie ein Pferd geführt, geritten oder gar geputzt.
Ja, dieser Tag mit Wotan im Wald ist die Erfüllung eines Traumes. Dass nicht alles so gelingt wie den Pferdeprofis, ist offensichtlich. Doch niemand lacht mich aus, als mir eine der beiden Führleinen aus Biothane aus der Hand gleitet. Oder als ich nach dem Kommando für „rechts“ suche. „Hött heißt das“, sagt Zöll.
Er kommuniziert mit seinen Pferden in der Sprache der belgischen Fuhrleute, weil er sein Handwerk in Belgien gelernt hat. Hauptberuflich ist Zöll Materialprüfer in einem großen Edelstahl verarbeitenden Industriebetrieb.
Verschiedene Zugvorrichtungen für Holzrücken werden vorgestellt
In seiner Freizeit aber schlägt sein Herz fürs Holzrücken. Neben Wotan, dem 20 Jahre alten Wallach, besitzt er den vierjährigen Percheron-Wallach Hannes und einen dreijährigen schwarzen Hengst, ebenfalls ein französischer Percheron, dem er den Namen Mattes gegeben hat.
Zöll gibt sein profundes Wissen gern weiter. So erklärt er den Teilnehmern im Holzrückekurs, welche unterschiedlichen Zugvorrichtungen es gibt, wie die Pferde eingespannt werden, welche Kragen sie am besten tragen. Fachleute nennen diese Kragen Kummet.
Für Wotan hat Zöll ein belgisches Kummet anfertigen lassen, das nur diesem Pferd passt. Für andere Pferde setzt er ein Amish-Kummet ein, das die Amish-People in den USA bevorzugt für ihre Zugtiere verwenden. Es ist in der Größe verstellbar und sieht futuristisch aus. „Wir ziehen unsere Bäume mit Bullenanbindern aus dem Wald“, sagt Dirk Zöll und zeigt zwei Textilgurte. Sehen aus wie Rollladengurte, sind aber um einiges stabiler.
In NRW wird sind im Wald eher schwere Maschinen im Einsatz
Er macht die Teilnehmer auch mit der notwendigen Schutzbekleidung vertraut, die man bei Forst- oder Rückearbeiten im Wald nutzen soll: Sicherheitsschuhe, Handschuhe und am besten eine Schnittschutzhose empfiehlt er. Er erklärt auch, wozu ein Fällheber oder ein Sappie, also ein Haken mit Stiel, gebraucht wird: „Damit kann man kleine Baumstämme anheben.“ Außerdem erfahren die Kursteilnehmer, wie Blockstreifhaken eingesetzt werden, wenn mehrere Baumstämme an ein Zugtier angehängt werden.
Zöll macht auch keinen Hehl aus der Tatsache, dass Holzrücken mit Pferden trotz der bodenschonenden Arbeit in NRW offenbar bei den Forstbehörden keine Fürsprecher hat. Man setze eher auf schwere Maschinen, die den Boden im Wald aber verdichten.
Er finde seine Rückearbeit eher in Rheinland-Pfalz, wo die Forstbehörden den ökologischen Wert der Rückepferde in der Waldarbeit schätzten und auch honorierten. Bisweilen fahre er sogar nach Luxemburg – zwei Stunden hin, ebenso lange zurück.
Belgisches Kaltblut Wotan ist ein echter Profi
Doch zurück zum Kurs. Dass Wotan ein echter Profi ist, merken die angehenden Holzrücker, als sie mit ihm, mit dem vierjährigen Hannes und mit der achtjährigen Schwarzwälder Fuchsstute Hanina, die Teilnehmer Josef aus Würselen mitgebracht hat, auf den Übungsplatz gehen.
Hier hat Zöll für seine Trainingsarbeit einen Parcours aufgebaut, mit kleinen Hindernissen, die es zu umfahren gilt. Wotan trottet die Runde linksrum fast ohne Kommandos – nach dem Motto: „Ist mir egal, wen ich hinter mir habe.“
Gute Ausbildung von Pferden ist wichtig zum Schutz vor Verletzungen
Auf den Ruf „Hoh“ bleibt er zuverlässig stehen. „Das ist überhaupt das Wichtigste bei der Rückearbeit. Dass das Pferd klar im Kopf ist und zuverlässig stehen bleibt, wenn es die Anweisung dazu bekommt“, sagt Zöll. Alles andere könnte für den Fuhrmann lebensgefährlich sein oder zu schweren Verletzungen führen.
Wenn das Pferd plötzlich anzieht, während er mit der Kette hantiert und diese einhakt, wirken Kräfte von mehr als einer Tonne auf die Kette – und schlimmstenfalls die Finger. Und wenn das Pferd einen Stamm zieht und der Fuß des Fuhrmanns zwischen Stamm und stehenden Baum gerät, hilft ebenfalls nur das Haltekommando.
Beim Lehrgang im Wald lernen wir auch, dass sich die gut ausgebildeten Rückepferde am Ortscheit herumdrehen lassen, dass sie auf „zurück“ oder „rück“ tatsächlich rückwärts gehen – und dass ein Leckerchen aus der Hosentasche von Dirk Zöll sie bei Laune hält.
Wotan und ich haben es jedenfalls geschafft, den Stamm aus dem Wald zum Waldweg „vorzuliefern“, ohne stehenden Baumbewuchs zu beschädigen. „Du bist ja schon fast ein echter Fuhrmann“, konstatiert Zöll lachend. Konzentriert gehen auch Guido und Erik, der ebenso wie Karl aus Belgien zu dem Kurs gekommen ist, zu Werke. Und Josef stellt fest, dass seine Schwarzwälder Stute auch im Wald eine ausgezeichnete Figur macht.