AboAbonnieren

1957 umgefallenNächste Generation übernimmt das Jahrhundertkreuz in Hellenthal-Zehnstelle

Lesezeit 5 Minuten
Seit fast 125 Jahren steht das Jahrhundertkreuz an der L 17 in Zehnstelle. Davor stehen drei Männer, die sich seit drei Generationen als Kreuzpfleger darum kümmern; von links Mario Bernat, Helmut Conrads und Heinrich Merten.

Seit fast 125 Jahren steht das Jahrhundertkreuz an der L 17 in Zehnstelle, wo sich drei Generationen „Kreuzpfleger“ an seinem Fuß versammelten: Mario Bernat (v.l.), Helmut Conrads und Heinrich Merten.  

Das Jahrhundertkreuz in Hellenthal-Zehnstelle wurde 1900 gestiftet. Es hat eine wechselvolle Geschichte und musste mehrfach erneuert werden.

Mächtig und dominant steht es an der L 17 am Ortseingang von Zehnstelle – das Jahrhundertkreuz. Scheinbar unverrückbar, für die Ewigkeit gebaut. Doch der Eindruck trügt. Denn das rund elf Meter hohe Kreuz, das so etwas wie das Wahrzeichen des Wolferter Bachtales geworden ist, steht hier bereits in der vierten Version. Gut also, dass es immer wieder Menschen gibt, die sich um seinen Erhalt kümmern.

Mario Bernat, Vorsitzender der Zehnsteller Dorfgemeinschaft, hat dazu vor kurzem den Staffelstab von Helmut Conrads übernommen, der seinerseits in der Aufgabe der Pflege des Kreuzes seinem Vorgänger Heinrich Merten gefolgt war. „Wenn du neben so etwas wohnst, liegt es dir am Herzen“, sagt Merten. Das sei auf dem Dorf eben anders als in der Stadt. Der 1937 in Reifferscheid geborene Merten ist in dem Haus neben dem Kreuz aufgewachsen und konnte so dessen wechselvolle Geschichte verfolgen. Denn so stolz, wie es derzeit über den Verkehr wacht, stand das Kreuz nicht immer.

Kreuz von Zehnstelle markierte untere Begrenzung des Bergbaugebietes

Die zentrale Figur der Geschichte des Kreuzes ist Pfarrer Engelbert Giesen, der es als letzte Amtshandlung in der Eifel im Jahre 1900 weihte, bevor er nach Steinbüchel ging. Er besorgte auch die Christusfigur aus Zink und Blei für 160 Mark bei der Firma Walchenbach in Stolberg. Den damals 14 Meter hohen Eichenstamm stiftete die Bergwerksgesellschaft Continental Diamond Rock Boring Corporation, die die Schürfrechte für den Bleiabbau im Bergwerk von Rescheid, ein wenig die L 17 hinauf, innehatte.

Das Kreuz in Zehnstelle markierte symbolisch die untere Begrenzung des Bergbaugebietes. Auch am oberen Ende des Schürfgebietes bei Rescheid stand ein ähnliches, jedoch nicht ganz so großes Kreuz. Das ist allerdings nicht mehr erhalten.

Das Schwarz-Weiß-Foto aus dem Jahr 1957 zeigt das umgestürzte Jahrhundertkreuz in Hellenthal-Zehnstelle.

1957 stürzte das Kreuz um. Der Fuß musste neu betoniert werden, wozu das Kreuz halb aufgerichtet wurde.

Das Schwarz-Weiß-Foto zeigt den Rescheider Pfarrer Engelbert Giesen, der das Kreuz von Zehnstelle im Jahr 1900 gestiftet hat.

Gestiftet wurde das Kreuz im Jahr 1900 von dem Rescheider Pfarrer Engelbert Giesen.

Zwei Weltkriege überstand das Zehnsteller Kreuz unbeschadet. Doch dem Zahn der Zeit hielt es nicht stand, der Fuß des Eichenstammes faulte durch. Im Jahr 1957 fiel es mit lautem Krachen um und landete im Garten der Familie Lux. Zwei Jahre später wurden das komplett erneuerte Kreuz und der restaurierte Korpus mithilfe von vier, für damalige Verhältnisse schweren Traktoren wieder aufgerichtet, die das Kreuz mit Seilen über einen Dreibaumbock in die Höhe zogen.

1987 musste das Kreuz zum zweiten Mal abgenommen werden

Im März 1987 war es wieder soweit: Die Fäulnis hatte dem Stamm oberhalb des Betonfußes derart zugesetzt, dass die Wolferter Feuerwehr bei einer Orkanwarnung das Kreuz mit Seilen sichern musste. Mit einem Kranwagen der Kaller Feuerwehr wurde das Kreuz wenige Monate später abgenommen, so dass der verfaulte Teil des Stammes abgesägt werden konnte. Auch der Querbalken musste bei der Gelegenheit erneuert und der Korpus neu verlötet werden.

Der Längsstamm hat einen leichten Schwung im oberen Drittel. Heinrich hat sofort gesagt: Da kommt der Herrgott hin.
Helmut Conrads

Mit einem Douglasienstamm wurde das Kreuz im Jahr 2000 neu aufgestellt. Doch diese Lösung hielt nicht lange. Bereits 2012 mussten die Kreuzeshüter wieder aktiv werden. Denn ein Specht hatte an der Stelle, an der Quer- und Längsstamm zusammengeschraubt waren, ein riesiges Loch in den Stamm gehackt. Ersatz wurde gebraucht, diesmal aber wieder aus Eiche. Im Gemeindewald von Hellenthal suchten Merten und Conrads die Bäume aus, die aktuell das Kreuz bilden. „Der Längsstamm hat einen leichten Schwung im oberen Drittel. Heinrich hat sofort gesagt: Da kommt der Herrgott hin“, erinnert sich Conrads.

Mit italienischem Olivenöl wurde das Holz getränkt, um erneute Fäulnis zu verhindern. Um an der Verbindungsstelle der beiden Stämme keine Schwachstelle zu haben, wurden diese mit einer Schelle verbunden und nicht durchgeschraubt. Das sollte halten, so Conrads. Doch seinem Nachfolger gibt er schon einen Auftrag. „In 15 Jahren kann es sein, dass das Splintholz abgemacht werden muss“, sagt er mit Blick auf Bernat. Dann müssten auch die Schrauben der Verbindungsschelle nachgezogen werden.

Mario Bernat kümmert sich nun um das Jahrhundertkreuz

Seit 2018 wohnt der bei Schoeller in Hellenthal arbeitende Bernat in Zehnstelle. Er hat den Vorsitz des Dorfgemeinschaftsvereins übernommen, als Conrads sich zurückzog. Erstes großes Bauprojekt war die Überarbeitung des Spielplatzes, der weit über die Grenzen des Dorfes bekannt ist. „In Zehnstelle ist es schön“, sagt Bernat. Was Conrads und Merten bestätigen können.

Auch wenn gerade einmal 70 Menschen hier leben, früher war viel los. „Wir hatten in den 1970er-Jahren eine Kirmes, da haben wir 1150 Karten verkauft“, erinnert sich Merten. Der Fußboden des Festzeltes hielt der Belastung jedoch nicht stand und brach durch. Abgestützt wurde er kurzerhand mit vollen Bierfässern, erinnern sich die Altvorderen. Da konnte es schon einmal sein, dass auch belgische Soldaten mitfeierten. Ihren fahrbaren Untersatz, einen Panzer, hatten sie dann im Dorf geparkt.

„Einmal im Jahr haben Engländer und Belgier das Sägewerk erobert, wenn sie dort Manöver machten“, weiß Conrads. Zwei Flaschen Whisky habe sein Schwiegervater, Besitzer des Sägewerkes, als Dank von den Soldaten bekommen. Legendäre Dorffeste habe es gegeben, so sei Zehnstelle der erste Ort gewesen, in dem bei einer derartigen Gelegenheit Pizza gebacken wurde. Alkoholfrei ging es eher nicht zu. So war es einst Fritz Pohl, der belauscht wurde, wie er beim Heimweg am Kreuz stehenblieb und sagte: „Herrjöttsche, do hess et joot. Do hengs hee, un ich muss noch de Berch erop!“