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Hellenthaler WildfreigehegeEifel für Eifel lud ukrainische Flüchtlinge ein

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Aus Poltawa kommt die Gruppe, die bei der Familie von Irmel Abel eine Bleibe gefunden hat.

Hellenthal – „Dóbryj dén“ begrüßte Landrat Markus Ramers die Menschen im Wildfreigehege Hellenthal mit „guten Tag“ auf Ukrainisch. Das verstanden die allermeisten perfekt, denn an diesem Tag waren Ukrainer in dem Hellenthaler Tierpark deutlich in der Überzahl.

Mehr als 400 vor den Kriegswirren geflüchtete Frauen, Kinder und Männer waren mit ihren deutschen Gastgebern auf Einladung der Hilfsorganisation Eifel für Eifel ins Wildgehege gekommen. Und damit waren es für manche unter ihnen die ersten unbeschwerten Stunden, die sie in den letzten Wochen hatten genießen können.

Unbeschwerter Tag trotz vieler Sorgen

Im Grunde war es ein völlig normaler Tag im Wildfreigehege Hellenthal. Fröhliche Menschen zogen über die Wege zwischen den Gehegen, genossen scheinbar unbeschwert ihr Leben, fütterten die Tiere und ließen sich von den Wellensittichen umschwärmen. Kinder, deutsche und ukrainische, bestaunten die Abenteuer des Kasperles an der Waldbühne oder tobten auf dem Spielplatz.

Doch die Ereignisse der letzten Wochen ließen sich auch hier nicht immer abschütteln. Danach gefragt, wie es in ihrer Heimat aussehe, verlor Elvira aus Poltawa die Fassung und musste weinen. „Jetzt gerade ist meine Stadt sicher. Doch ich habe Angst, dass sie die nächste ist, in die die Russen einmarschieren“, sagte sie. Mit ihrer Tochter Sophia und zwei jungen Mädchen, Dascha aus Charkiw und Arina aus Poltawa, war sie mit ihren Gastgebern Irmel und Wolfgang Abel nach Hellenthal gekommen.

Elvira will bleiben

Insgesamt sieben Ukrainerinnen leben in Irmel Abels Elternhaus in Dormagen mit fünf Hunden und einer Katze. Mitte März sind sie aus ihrer Heimat geflohen. Dascha, deren Mutter in Charkiw ein Tierheim betrieb und mittlerweile auch nach Deutschland fliegen konnte, will so bald wie möglich wieder zurück. Elvira und ihre Tochter dagegen ziehen es vor zu bleiben. „Ich plane, für fünf Jahre hierzubleiben“, sagte die 36-Jährige. In der Ukraine sehe sie keine Zukunft.

Sie habe es nie bereut, den Geflüchteten das Haus zur Verfügung gestellt zu haben, sagte Irmel Abel entschieden. „Ganz im Gegenteil: Wir empfinden alle ihre Anwesenheit als Bereicherung“, betonte sie. Alle, das seien nicht nur sie und ihr Mann, sondern auch der Bruder und ihr Sohn, die sich auch mit um die Ukrainerinnen kümmerten. „Ich wusste immer, dass hier ein sicheres Land ist“, sagte Elvira. Sie hoffe, dass sie mit ihrer Tochter in Deutschland bleiben könne, wiederholte sie. Dass die Deutschen im Zweiten Weltkrieg in ihrer Heimat Gräueltaten verübt hatten, sei kein Thema mehr. „Es leben jetzt ganz andere Generationen“, sagte sie.

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Kuscheltiere als Geschenk für die Kinder gab es von Eifel für Eifel.

Dagegen sehe sie eine Freundschaft mit dem einstigen Brudervolk Russland als unmöglich an. „Erst muss es einen Generationswechsel geben, in vielen Jahren vielleicht. Deutschland hat sich auch geändert“, ist sie sich sicher. Doch Russland lebe immer noch in der stalinistischen Vergangenheit.

Die Ukrainer seien viel toleranter mit anderen Kulturen, mit queeren Menschen. „Wir haben auch ein paar Idioten, aber die meisten sind frei“, sagte sie.

Ein Ferienhaus für Flüchtlinge

„Zuerst hatten wir Flutopfer, jetzt haben wir Flüchtlinge“, berichtete ein Mann aus der Gemeinde Hellenthal, der in seinem Ferienhaus eine sechsköpfige Familie untergebracht hat. Eigentlich sei der Aufenthalt nur für wenige Tage gedacht gewesen, doch dann habe man sich nicht mehr trennen wollen. „Die Familie ist ein Zugewinn“, sagte er. „Wir sind glücklich in Deutschland, aber wir wollen wieder nach Hause“, so die Mutter dieser Familie, die aus Dnipro kommt, rund 400 Kilometer südöstlich von Kiew. Dort seien enge Verwandte und Freunde. Der Vater der Familie sei noch dort. „Vor wenigen Tagen haben die Russen dort eine Brücke gesprengt. Er hat den Rauch gesehen“, berichtete sie. Die Angst ist groß. „Wenn die Russen kommen, müssen wir unsere Heimat für immer verlassen“, befürchtet sie. Zwischen Deutschland und der Ukraine aber habe sich eine ganz neue Freundschaft entwickelt.

„Es ist berührend“, sagte Ramers, kurz nachdem er seine Begrüßung mit Hilfe des Dolmetschers Vitaliy Bondarenko gehalten hatte. Er sehe die ukrainischen Kinder neben seinem gleichaltrigen Sohn, die gemeinsam die Hängebauchschweine fütterten. Doch das Schicksal der geflüchteten Kinder sei so viel schwerer. „Das geht unter die Haut“, sagte er.

Mit dem Bus aus Erftstadt gekommen

Eingeladen hatte die private Hilfsorganisation Eifel für Eifel. „Wir hatten schon früh begonnen, ukrainische Flüchtlinge in private Unterkünfte zu vermitteln“, sagte Jörg Weitz, Initiator der Organisation. Nun sei die Idee gewesen, diese Menschen zu vernetzen. Darüber hinaus solle aber auch den Privatpersonen, die Wohnraum zur Verfügung stellten, ein Dankeschön gesagt werden.

„Die Gäste kommen von überall her. Es ist sogar ein Bus aus Erftstadt gekommen“, berichtete er. Ein Programm sei nicht vorgesehen. Aber den Menschen solle ein unvergesslicher Tag bereitet werden. Das Wildgehege sei halt ein besonderer Ort. „Für mich steht es für die Eifel“, so Weitz.

1850 Flüchtlinge im Kreis

Auch der Kreis Euskirchen war mit Sabine Sistig vom Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum (Kobiz) und dem Integrationsbeauftragten Erdmann Bierdel vor Ort. 1850 ukrainische Flüchtlinge seien aktuell im Kreis Euskirchen. 72 Prozent davon seien privat untergebracht. „Ich bin überrascht und begeistert von der Hilfsbereitschaft“, so Bierdel. Das größte Problem sei allerdings, auf Dauer Wohnraum für die Geflüchteten zu finden.

Mit einem Stand präsentierten sich die Caritasverbände Euskirchen und Region Eifel. „Wir nutzen die Strukturen, die 2015 entwickelt wurden“, teilte Ute Stolz von der Caritas in der Region Eifel mit. „Wir sind gut vernetzt“, ergänzte ihr Euskirchener Kollege Carsten Düppengießer. Im Kreis sei die Zusammenarbeit der Organisationen unkompliziert. „Doch es dürfen sich keine Flüchtlinge 2. Klasse bilden“, warnte Düppengießer.

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Flüchtlinge, die nicht aus der Ukraine stammen, bekämen bereits mit, dass die Menschen aus der Ukraine viel schneller Schul- oder Wohnplätze erhielten. „Wir müssen darauf schauen, dass uns das nicht um die Ohren fliegt“, sagte Stolz.