Greifvogelstation45 zuweilen turbulente Jahre

Die heutigen Besitzer Karl Fischer (l.) und Ute Niesters mit Horst Pankatz, einem der „Väter“ der Hellenthaler Einrichtung.
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Hellenthal – Obwohl der eigentliche „Geburtstag“ erst auf den 16. September fällt, feiern Wildgehege und Greifvogelstation das 45-jährige Bestehen bereits am Wochenende mit einem großen Gehegefest. Der Blick zurück offenbart eine wechselvolle, zuweilen gar turbulente Geschichte.
Die begann mit der Flurbereinigung im Gebiet Harperscheid, das Mitte der 1960er Jahre bis an den Ortsrand von Hellenthal reichte. Schon zu dieser Zeit tasteten Horst Pankatz und der argentinische Großgrundbesitzer Guillermo Staudt, dessen Vorfahren aus Hellenthal stammten, die Möglichkeiten zur Etablierung eines Wildparks ab. Dazu stießen im Frühjahr 1967 der damals bekannte Fernsehförster Paul Losenhausen und Horst Niesters, Falkner und Wildfotograf.
Das Wildgehege umfasst rund 70 Hektar. Zurzeit leben im Park durchschnittlich 820 Tiere, darunter 220 Greifvögel und etwa 600 Wild- und Haustiere aus allen Kontinenten. Als kleinstes Tier lebt ein nur 65 Gramm schwerer Sperlingskautz im Gehege, der größte Kondor hat eine Flügelspannweite von rund 3,20 Meter. Zurzeit planen Ute Niesters und Karl Fischer Aktivitäten und Attraktionen, die das Naturerlebnis- und Unterhaltungsangebot auch kurzfristig erweitern können – etwa fünf neue Kontaktgatter, Naturpfad (Welche Tiere wohnen dort?), Sinnespfad (Was kann man schmecken, riechen oder hören?) und Pflanzgarten. Das Wildgehege und die Greifvogelstation beschäftigen zurzeit zwölf ständige und saisonal weitere sechs Mitarbeiter. (hjm)
Es war vor allem Niesters Verdienst, erstmals eine Greifvogelstation in einem Wildpark zu errichten. Das Vorhaben zur Einrichtung eines Wildgeheges mit Greifvogelstation fand das ungeteilte Interesse des damaligen Aachener Regierungspräsidenten Dr. Schmidt-Degenhard und vor allem des Hellenthaler Gemeindedirektors Werner Rosen. Dank ihrer Unterstützung konnte das Wildgehege mit Greifvogelstation am 16. September 1967 eröffnet werden.
Große Erfolge in der Greifvogel-Zucht
Obwohl einheimische Tierarten bevorzugt wurden, führte Besitzer Staudt auch südamerikanische Greifvögel wie Karakaras, Wüstenbussarde, Prachthaubenadler, Kondore und Kordillerenadler ein, insgesamt ein „Geschwader“, das einen riesigen Zuspruch fand. Vornehmlich die Kordillerenadler mit ihren rasanten Sturzflügen entwickelten sich schnell zu Publikumslieblingen – die sie heute noch sind.
Doch es blieb nicht bei diesen Publikumsmagneten. In den 1970 eingerichteten Raubtiergehegen fanden bald argentinische Pumas, kanadische Wölfe und finnische Luchse ein Zuhause. Dazu gesellten sich Wapiti- und Weißwedelhirsche aus den USA, die weltweit größten Hirsche. Dazu ihr Pendant, der kleinste Hirsch: der aus Südamerika stammende Pudu Pudu, der in Hellenthal erstmals nachgezüchtet werden konnte. Beachtung fand die Aktion, nach langen, oft vergeblichen Versuchen im Frühjahr 1974 die ersten drei nachgezogenen Jung-Uhus dem deutschlandweiten Arten- und Wiederauswilderungsprojekt zur Verfügung zu stellen. Im Laufe der Jahre wurde Staudt bewusst, dass keiner seiner Söhne das Erbe in Deutschland antreten würde. Horst Niesters, der 1975 den ersten internationalen Falkenkongress in Abu Dhabi vorbereitete, lernte dort den arabischen Großkaufmann Salem Ebrahim Al Saman kennen und konnte ihn für den Kauf des Wildgeheges gewinnen.
Al Saman investierte großzügig in den Bau einer Zuchtanlage für Falken und Adler, einen Kinderzoo mit angegliedertem Spielplatz und in den Ausbau des Restaurants. Gleichzeitig bestellte er Niesters, bis dahin Leiter der Greifvogelstation, zum geschäftsführenden Direktor des gesamten Parks und Karl Fischer, 1971 als ehrenamtlicher Helfer und Jungfalkner eingestellt, zum Gehegeleiter. 1980 gelang die weltweit erste Nachzucht des amerikanischen Wappentiers, des Weißkopfseeadlers. Zwei Jahre später wurden die Jungtiere „Carol“ und „Captain“ dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan als Geschenk der Bundesregierung von Kanzler Helmut Schmidt und Horst Niesters überreicht. Dieser Akt sorgte dies- und jenseits des Atlantiks für große Aufmerksamkeit.
Zu Beginn der 1990er Jahre verpachtete Al Saman einen Teil des Wildgeheges an Manfred Kreer, der bereits einen Wildpark in Willinngen/Sauerland führte, die Greifvogelstation jedoch an Niesters und Fischer. Es währte bis 1999, als Al Saman sich zum Verkauf entschloss. Kreer übernahm den größten Teil des Wildgeheges, Niesters und Karl Fischer Greifvogel- und Zuchtstation sowie einen verbliebenen Anteil des Wildparks. Damit vollzog sich eine erste Teilung der Gesamtanlage, was später zu erheblichen Differenzen zwischen den künftigen Betreibern und Inhabern führte.
Zuvor, am 23. August 1998, zerstörte ein Großbrand einen wesentlichen Teil der Zuchtanlage. Dabei fanden sieben Tiere den Tod in den Flammen. Das Feuer auf rund 2400 Quadratmetern wurde dank des unermüdlichen Einsatzes vieler Feuerwehrzüge und freiwilliger Helfer gelöscht, ein Übergriff auf weitere Parkteile verhindert.
2002 zog sich Kreer aus dem Wildgehege zurück, um sich um eine Etablierung eines Wildparks in Polen kümmern zu können. Horst Niesters und Karl Fischer übernahmen einen weiteren Anteil des Parks. Der verbleibende Anteil wurde von Wolfgang Fischer erworben. Niesters und Karl Fischer steigerten Attraktivität und Bekanntheitsgrad der Greifvogelstation. Ein weiterer Erfolg gelang ihnen im Frühjahr 2007 mit den Kaiseradlern „Arthus“ und „Asta“: Die Nachzucht dieser bedrohten Adlerart hatte weltweit Seltenheitswert und war für die Arterhaltung bedeutend.
Ab 2006 gab es Differenzen zwischen Niesters und Karl Fischer einerseits und Wolfgang Fischer andererseits, unter denen die Attraktivität des gesamten Parks litt. Nach langen gerichtlichen Auseinandersetzungen wurde ein Vergleich geschlossen, der inzwischen in der Übernahme des gesamten Wildparks mit Greifvogelstation durch Ute Niesters (in der Nachfolge ihres im Oktober 2009 verstorbenen Mannes Horst) und Karl Fischer mündete. Sie und Karl Fischer leiten nun das Gesamtgehege.