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EuskirchenFrauen-Stärken-Wochen – Reporterin wagt sich ans Tapezieren

Lesezeit 5 Minuten
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Katrin Krause beim Tapezierkurs

Euskirchen-Euenheim – Ich habe noch nie eine Wand tapeziert. Im Rahmen der Frauen-Stärken-Wochen bietet sich die Chance – mit dem Tapezier-Workshop im Berufsbildungszentrum Euskirchen (BZE) in Euenheim. Dabei will ich es ausprobieren, bevor ich mich in meinen eigenen vier Wänden ans Werk mache.

Der Kurs findet im Maler- und Lackiererbereich des BZE statt, zu dem auch spezielle Übungsboxen gehören. Die Räume haben hohe Decken, sind lichtdurchflutet. Geleitet wird der Kurs von Maler- und Lackierermeister Marco Matheis. Seinen Job habe er noch im elterlichen Betrieb gelernt, erklärt er. Beim BZE arbeite er nun seit 15 Jahren. Die Berufsvorbereitung für junge Menschen, die am Arbeitsmarkt geringe Chancen haben, liege ihm am Herzen. Sich selbst bezeichnet er als einen „Ausbilder auf Augenhöhe“.

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Als erstes muss die Tapete glatt ausgerollt sein.

Handwerk Tapezieren vielleicht unterschätzt

Neben mir sitzen drei weitere Teilnehmerinnen: Nancy Sinaga, Simone Geiß und eine 70-Jährige, die namentlich nicht genannt werden möchte. Sie alle haben verschiedene Gründe, an Matheis’ Tapezierkurs teilzunehmen. Geiß erklärt, sie sei zuhause gern kreativ: „Außerdem ist es immer schöner, wenn man etwas selber machen kann.“ Die 70-Jährige hat schon an vielen Heimwerker-Kursen teilgenommen. „Bei Hellweg habe ich schon Fliesenlegen gelernt“, erklärt sie. Sie habe ein 50 Jahre altes Haus, das viel Pflege brauche. Schon oft habe sie Handwerker engagiert, aber so richtig zufrieden sei sie mit dem Ergebnis nur selten gewesen.

„Eine kritische Kundin“ nennt Matheis die Teilnehmerin. Sie erzählt von vielen Problemen, die beim Tapezieren in Eigenregie bereits aufgetreten seien. Sinaga stimmt zu. Ich beginne mich zu fragen, ob ich mit ihnen mithalten kann. Es fallen Begriffe wie „Tiefgrund“ und „dimensionsstabil“. Ich glaube, dass ich das Handwerk Tapezieren unterschätzt habe.

18.000 Werkzeuge für Malerarbeiten

„Dann legen wir mal los“, sagt Matheis. Er geht zu einem Tisch, auf dem viel Werkzeug liegt. „Ich hab hier mal was vorbereitet“, spielt er auf Fernsehkoch Alfred Biolek an. Auf dem Tisch liegen Tapetenbürsten, Moosgummirollen, Perforierwalzen, Tapezierwischer, konische Nahtrollen, Dispersionskleber für Badezimmerarbeiten, Kleister und Pulver zum Anrühren. Ich frage mich, ob wir all das wirklich brauchen. Matheis kommt mir zuvor: „Ihr seht, es gibt 18.000 Werkzeuge für Malerarbeiten. Dann gibt es auch 18.000 verschiedene Arten, damit zu arbeiten. Dabei findet aber jeder seinen eigenen Weg.“ Am Ende, sagt er, zähle nur das Ergebnis. Das erleichtert mich.

Bevor wir loslegen, sagt er, müssen wir den Untergrund vorbereiten. „Durch manche Tapeten scheint einfach alles, was darunter liegt, durch“, sagt Matheis. Das sehe man nicht unbedingt, wenn die Tapete noch feucht sei. Matheis erklärt: „So eine Wand, die muss man sich vorstellen wie einen Sandstrand. Wenn das Meer darüberspült, ist der Sand dunkel. Getrockneter Sand ist hell.“ So sei das auch mit den Tapeten. Deswegen könne man häufig am Ende Markierungen, Flecken und Verschmutzungen durchscheinen sehen. Außerdem müsse man die Saugfähigkeit überprüfen. Matheis befeuchtet seinen Finger mit Spucke und streicht über die Wand. Wie schnell wird etwa der Kleister aufgenommen?

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In der Frauen-Särken-Woche steht auch Handwerken auf dem Plan.

Weil an den Wänden in den Übungsboxen Kleister- und Tapetenüberreste kleben, müssen wir sie zunächst mit einem Flächenspachtel abschleifen. „Rakel sagt man im Rheinland“, erklärt Matheis. Wir Frauen ziehen in unsere Übungsboxen. Um die Tapete mit dem Rakel abzuschleifen, ist mehr Druck erforderlich, als ich vermutet habe.

Wenn der Malermeister es vormacht, sieht es so einfach aus. Seine Bewegungen sind fließend. Meine Arbeit mit dem Rakel ist eher ein Kratzen an der Wand. Ich gucke durch mein Fenster in die Übungsbox nebenan: Simone Geiß kratzt ebenso angestrengt über die Wand wie ich. Ich entdecke einige Schweißperlen auf ihrer Stirn. „Auf einer Anstrengungsskala von eins bis zehn würde ich dieser Arbeit eine Sieben zuordnen“, sagt Geiß. Ich könnte auch eine Neun vergeben, denke ich.

Den Beipackzettel der Tapeten richtig lesen

Nach dem Abschleifen weist Matheis darauf hin, den Beipackzettel der Tapeten richtig zu lesen. Darauf befindet sich die Anfertigungsnummer. Die sei wichtiger, als wir denken, erklärt er. Wer Tapeten mit den Nummern 4a und 5a auf derselben Wand nebeneinander anbringt, findet sehr schnell heraus, dass der Farbton nicht der gleiche ist.

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Beim Zuschnitt kommt es darauf an, die Muster richtig aneinander zu legen.

Hat man eine Mustertapete mit Motiv, sei es wichtig, das Motiv im immer gleichen Abstand anzubringen. Den Abstand zwischen zwei Motiven nenne man den Rapport, erklärt Matheis. Ein bisschen schwierig werde es, wenn die Tapeten Versatz haben. Bei versetztem Ansatz müssen die Bahnen vorher zusammengeschoben werden, damit das Gesamtbild am Ende passt.

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Wir schneiden die Bahnen mit einer Tapezierschere zurecht, rühren den Kleister an: „Unter ständigem Wirbel“, ermahnt Matheis. Ich bringe den Kleister mit Pinsel und Tapezierrolle auf die Wände. Der Kleister soll so dick sein, dass es eine Spur hinterlässt, wenn man mit dem Zeigefinger durchfährt. Ich trage den Kleister großzügig auf – denke ich. „Mehr!“, ruft Matheis im Vorbeigehen. Der Kleister tropft auf den Türrahmen und den Boden. „Das wischen wir gleich weg“, sagt Matheis.

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Unter der Tapete dürfen sich keine Blasen bilden.

Um die erste Bahn gerade anzubringen, benötigen wir Wasserwaage und Senklot. „Kann ich das denn ganz allein?“, fragt die 70-jährige Teilnehmerin. Das frage ich mich auch. Wir stehen auf Leitern, haben aufgerollte Tapeten in den Händen. Die ganze Wand ist voller Kleister. Wo die Tapete die Wand versehentlich berührt, bleibt sie kleben. Ich muss jetzt auf alles gleichzeitig achten. Darauf, dass die Tapetenbahn entlang der Markierung gerade herunterläuft. Dass ich sie nicht versehentlich schief festklebe. Dass ein paar Zentimeter überlappen – Richtung Türrahmen und Richtung Decke. Höchste Konzentration und Feinmotorik sind gefragt. Umso stolzer bin ich, als ich sehe, dass die erste Tapetenbahn gerade an der Wand klebt – sogar im ersten Versuch. Nur ein paar kleine Luftblasen sind zu sehen. „Wohl zu wenig Kleister“, sagt Matheis.

Ich bin stolz. Schon bei der zweiten Bahn fällt mir das Kleben leichter. Ich bin überrascht, dass ich das wirklich allein geschafft habe, und denke über eine Mustertapete mit Versatz in meinen eigenen vier Wänden nach.