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Fotos von Dietrich SchubertAusstellung „Zwangsarbeiterlager in der Nordeifel“

Lesezeit 4 Minuten

Dietrich Schubert fotografiert einstige Kriegsgefangenenlager.

Berk/Euskirchen – „Man sieht überall nichts. Eigentlich habe ich etwas fotografiert, was nicht da ist“, sagt Dietrich Schubert mit einem verschmitzten Lächeln über seine Fotografien. Doch die Abwesenheit des Seins sagt fast mehr über das Motiv aus, als es das Objekt selbst könnte. Schubert hat die Standorte der Kriegsgefangenenlager aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf Zelluloid gebannt und großformatig ausgedruckt. Die beeindruckende Ausstellung „Zwangsarbeiterlager in der Nordeifel“ ist ab Sonntag, 20. Juni, im Kleinen Kunstraum am Historischen Rathaus zu sehen.

Das Interesse des Filmemachers und Fotografen Schubert an der Materie ist schon viele Jahre alt. 1989 hat er den Film „Kriegsjahre in der Eifel“ gedreht und dabei von einem Zeitzeugen von den sowjetischen Kriegsgefangenen gehört. „Rudi Schneider aus Rescheid erzählte, wie die Kriegsgefangenen damals im Garten gearbeitet haben“, so Schubert. Diese seien damals im Lager Bevertberg untergebracht gewesen.

Auf einem historischen Foto ist das Lager Bevertberg, etwa drei Kilometer von Berk entfernt, zu sehen.

„Das seien jammervolle Gestalten gewesen“, so erinnert sich Schubert an Schneiders Bericht. Dieser habe erzählt, wie seine Mutter die halbverhungerten Menschen auf der Straße gesehen habe, als sie gerade Kartoffeln für die Schweine kochte. Kurzerhand habe sie den Topf genommen und zu den Gefangenen getragen. Der Posten habe noch gerufen, dass sie das nicht dürfe – doch da Schneiders Mutter schwerhörig gewesen sei, habe sie einfach nicht auf das Verbot reagiert.

Keine Dramatisierung

Das Wissen um das längst aufgelassene Lager habe nicht losgelassen. Das Gelände, auf dem seit vielen Jahren keine Gebäude mehr stehen, liegt direkt an der L17 von Rescheid nach Berk. Seit einigen Jahren, so berichtet Schubert, sei es eingezäunt. Noch ist gut die Terrassierung zu erkennen, wo vor 80 Jahren die Gebäude standen. „Es war, wie viele der Kriegsgefangenenlager, ein ehemaliges Reichsarbeitsdienstlager, das zur Unterbringung der Arbeiter am Westwall eingerichtet worden war“, erläutert der Fotograf.

Das Lager

Mit 450 Plätzen, so der Stand 1940/41, war das Lager Bevertberg bei Berk eines der größten in der Nordeifel. Es bildete die AK (Arbeitskolonne) 799. In fünf Baracken waren rund 200 sowjetische Kriegsgefangene untergebracht, berichtet F.A. Heinen in seinem Buch „Abgang durch Tod“. Über Opferzahlen und Schicksale der Gefangenen ist nur wenig bekannt. Zwei Massengräber mit 25 Leichen wurden angelegt. Wie viele Menschen hier insgesamt starben, ist nicht bekannt. Ab 1961 wurden die sterblichen Überreste von 2322 sowjetischen Bürgern aus den Kreisen Düren, Aachen und Euskirchen auf der Kriegsgräberstätte Rurberg beigesetzt. (sev)

„Jedes Mal, wenn ich hier vorbeigefahren bin, musste ich an die Geschichte und die Menschen, die hier gelitten haben, denken“, fährt er fort. Wie viele Kriegsgefangene dort gestorben seien, sei nicht bekannt. „Die Rescheider haben mir erzählt, dass in einem Winter im Hinterhof die Leichen gestapelt waren“, so Schubert. Der Boden sei gefroren gewesen, so dass keine Gräber ausgehoben werden konnten.

Die historische Aufarbeitung der Geschehnisse um die Lager und die systematische Vernichtung der Kriegsgefangenen hat Schubert anderen überlassen: „Archive sind nicht mein Ding.“ Es waren der Journalist Franz Albert Heinen, der das Thema für den Altkreis Schleiden aufgearbeitet hat, und Dieter Lenzen für den Altkreis Monschau.

Mit ihnen fuhr Schubert von einem ehemaligem Standort zum nächsten. „Ich habe mich dafür entschieden, mich mit der Großformatkamera den Orten zu nähern, weil mir die Langsamkeit der Technik als adäquat erschien“, sagt der gelernte Fotograf. Damit keine Dramatisierung durch Licht und Schatten aufkam, habe er gewartet, bis die Sonne von Wolken verdeckt wurde – und auch mal eine Stunde gewartet, bis das Licht seinen Anforderungen entsprochen habe. „Dann habe ich die Planfilme selber entwickelt und die Negative dann eingescannt“, sagt er. Die brillante Auflösung erlaube Ausdrucke bis DIN A2.

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Herausgekommen sind ruhige Bilder, die in ihrer Ausdruckskraft an große Vorbilder wie Ansel Adams oder Hilla und Bernd Becher erinnern. Das Wissen um die Geschichte wirkt beklemmend. Denn, wie F.A. Heinen sagte: „Der Boden vergisst nicht.“

„Du siehst die Gestalten vor dir“, so Schubert über die Arbeit. Doch bei keinem der einstigen Lager mache ein Hinweisschild auf die Geschichte aufmerksam: „In Berk weiß bald niemand mehr, was hier geschehen ist.“ In den Nachkriegsjahren hätten die Gemeinden alles getan, um die Ereignisse in Vergessenheit geraten zu lassen. „Eine Erinnerungstafel wäre kein großer Aufwand“, so Schubert.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 20. Juni, 15 Uhr, im Kleinen Kunstraum, Bischofstraße 1, eröffnet und ist dort bis zum 29. August sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.