Der Inhaber des „Flames“-Restaurants in Euskirchen sah sein zerstörtes Heimatdorf im türkischen Erdbeben-Gebiet mit eigenen Augen.
Erschütternder BerichtEuskirchener Restaurantbetreiber besucht zerstörtes türkisches Heimatdorf
In Sakcagözü ist seit dem 6. Februar nichts mehr, wie es war. Von den 1100 Menschen, die in dem Dorf im Süden der Türkei lebten, seien 680 durch das Erdbeben gestorben, erzählt Ali Demirbas, der aus Sakcagözü stammt. Nur etwa jedes fünfte Haus steht noch. Die anderen Gebäude sind eingestürzt.
Demirbas’ Schilderung ist genauso unfassbar wie das, was seine Lebensgefährtin Selver Bicilir berichtet. Ihre Familie in der Türkei habe 17 Todesopfer zu beklagen, sagt die Inhaberin des Euskirchener Restaurants Flames, das sie und Demirbas gemeinsam betreiben.
Seit dem Tag der Naturkatastrophe, die wohl mehr als 50.000 Todesopfer gefordert hat, engagieren sich die Gastronomen unermüdlich für die Erdbebenhilfe. Sie sammeln Geld- und Sachspenden, haben Hilfstransporte organisiert und machen immer wieder auf das unermessliche Leid der Menschen in ihrer Heimat und in Syrien aufmerksam, die die schrecklichen Erdstöße überlebt haben.
Euskirchener brachte Spenden in die Türkei
Ali Demirbas war im Februar für mehrere Tage im Erdbebengebiet. Mit zehn Freunden und Bekannten, die meisten selbstständige Unternehmer aus dem Rheinland, flog er mit Spenden aus Deutschland nach Ankara. Von dort ging es in zwei Minibussen weiter in die Provinzen, in denen das Beben an vielen Stellen keinen Stein auf dem anderen gelassen hat.
In Ankara hatte die Gruppe Euro in türkische Lira getauscht. „Mit dem Geld haben wir vor Ort Hilfsgüter gekauft, für die Kinder auch Schokolade und andere Süßigkeiten. Manche von ihnen hatten nicht einmal mehr Socken an den Füßen. Viele besaßen auch keine Unterwäsche mehr, weil ja ganze Haushalte unter den Trümmern verschwunden sind. Sie haben wir mit neuer Wäsche versorgt.“
Ali Demirbas, der mit seiner Gruppe neben seinem Heimatdorf unter anderem Orte wie Gaziantep, Pazarcik, Gedikli und Kuyumcular besuchte, erzählt von furchtbaren Schicksalen. Etwa die Geschichte eines Syrers, der mit seiner Familie vor dem Krieg in seinem Land in die Türkei geflüchtet war, wo er nun durch das Beben seine beiden Töchter verloren hat. „Sie sind vor dem Tod weggelaufen – und sind jetzt doch gestorben.“ Ein anderer Mann habe in einem zerstörten Haus wie gefangen zwei Tage unter einem Betonteil gelegen. Sein Bein war eingeklemmt und so schwer verletzt, dass es nach seiner Rettung amputiert werden musste.
Gruppe aus Euskirchen brachte Generatoren und Schutzhelme mit in Erdbeben-Gebiet
Ein schönes Erlebnis hatte der 47-Jährige, der seit 31 Jahren in Euskirchen lebt, als er nach der Rückkehr auf einer Hochzeitsfeier in Weilerswist zu Gast war: „Dort hat mich ein Mann angesprochen, den ich nicht kannte. Er bedankte sich dafür, dass ich in der Türkei seinem Bruder geholfen habe.“
Die Gruppe aus Deutschland hatte auch Generatoren, Schutzhelme und Arbeitshandschuhe mit in die Türkei genommen – praktische Dinge für Aufräumarbeiten und für die Wiederherstellung der Infrastruktur, die nun ebenso zu den großen Aufgaben gehört wie der Aufbau von Containerdörfern.
Die praktische Seite hatten auch Vertreter des Lions-Clubs Euskirchen-Veybach im Sinn, die jetzt zu einer Spendenübergabe ins Restaurant Flames kamen. Sie überreichten einen symbolischen Scheck über 3000 Euro sowie Schaufeln, Hämmer und Wasserwaagen an Sami Dogan und Ibrahim Demirci vom Vorstand der Alevitischen Kulturgemeinde Rhein-Erft-Kreis.
Die Religionsgemeinschaft mit Sitz in Kerpen-Sindorf engagiert sich seit dem Tag der Katastrophe in der Erdbebenhilfe und hat schon mehrfach Hilfstransporte in die Türkei und nach Syrien geschickt. Dabei kooperierte sie unter anderem mit Selver Bicilir, Ali Demirbas und anderen Spendensammlern aus dem Kreis Euskirchen. Der Lions-Club hatte von den Aktionen der Kulturgemeinde erfahren und beschlossen, sie mit Geld- und Sachspenden zu unterstützen. Der Förderverein des Clubs um den Vorsitzenden Heinz-Michael Pitzen stellte 2000 Euro bereit. Club-Mitglieder und Freunde erhöhten den Betrag auf 3000 Euro.
„Wir waren alle erschüttert, als wir von dem Erdbeben hörten. Unser Club hat nur 19 Mitglieder, und wir beschränken uns mit Spenden normalerweise auf Euskirchen und Umgebung. In diesem Fall helfen wir aber auch im Ausland, zumal viele Euskirchener ja Verwandte haben, die unter den Opfern sind“, sagte der Präsident des Lions-Clubs, Michael Bausch. Die Alevitische Kulturgemeinde habe man als Spendenempfänger ausgewählt, weil man von der Effizienz ihrer Hilfsmaßnahmen überzeugt sei. Eine Gruppe aus den Reihen der Kerpener Gemeinde will im Mai ins Erdbebengebiet fahren, wie der Vorsitzende Sami Dogan berichtete.
Ali Demirbas plant schon seine nächste Tour, nach dem jetzigen Stand für April. „Wir sammeln auch weiterhin Spenden, mit denen wir vor allem Menschen helfen möchten, die schon vor dem Beben bedürftig waren, zum Beispiel einem gelähmten Mann, der dringend einen Rollstuhl braucht.“