Timing ist im Amazon-Verteilzentrum im IPAS in Euskirchen wichtiger als Schnelligkeit. Tausende Pakete werden hier jeden Tag umgeschlagen.
Hinter den KulissenSo arbeitet das Amazon-Verteilzentrum in Euskirchen

Mit bunten Taschen geht es für die Fahrer aus dem Industriegebiet in Großbüllesheim auf Tour. Keine Tasche wiegt mehr als 23 Kilogramm.
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Amazon hat ein Problem: Der Online-Versandhändler ist bei Katzen unten durch. „Wir setzen praktisch nicht mehr auf Kartons, sondern – wann immer es geht – auf Versandtaschen und Polsterumschläge. Da können sich Katzen aber leider nicht gut reinsetzen“, sagt Steffen Adler, Amazon-Pressesprecher. Aber ein bisschen Hoffnung dürfen sich die Tiere noch machen. Denn unter den rund 55.000 Sendungen, die im Euskirchener Verteilzentrum im IPAS täglich ankommen und verschickt werden, sind auch zahlreiche Kartons und Kisten.
Laut Standortleiter Stefan Stockhausen kommen pro Nacht zwischen 30 und 40 Sattelschlepper im Industriegebiet am Silberberg an. An Bord haben sie 4000 bis 6000 Pakete. „Alles, was reinkommt, geht auch wieder raus. Bis auf ganz wenige Ausnahmen“, so Stockhausen.
Verteilzentrum: In Euskirchen arbeiten bei Amazon 165 Menschen
Über das DNW6. So heißt das Verteilzentrum im internen Amazon-Sprachgebrauch. Das D steht dabei nicht für Deutschland, sondern für Delivery. Die Buchstaben NW kürzen Nordrhein-Westfalen ab und die 6 ist die Nummer des Verteilzentrums. Davon gibt es deutschlandweit 60. Eine Nummer größer sind die Sortierzentren (9). Zudem betreibt Amazon in Deutschland 23 Logistikzentren mit jeweils etwa 2000 Mitarbeitenden.
In Euskirchen sind es laut Adler 165 Mitarbeitende. Das sind 45 mehr als 2020 ursprünglich geplant. Seit fünf Jahren gibt es das DNW6 gegenüber von Procter & Gamble im IPAS. Und Adler zufolge dürften noch einige hinzukommen. Der Grund: Am Standort soll ein umfangreiches Update in Sachen Technik erfolgen.

Standortleiter Stefan Stockhausen erklärt die Arbeitsabläufe im Amazon-Verteilzentrum in Euskirchen-Großbüllesheim.
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Pro Tag verlassen etwa 55.000 Sendungen das Amazon-Verteilzentrum im IPAS.
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Lkw-Fahrer müssen den Schlüssel abgeben, sobald sie an der Laderampe vorgefahren sind. Erst, wenn das Tor wieder unten ist, bekommen sie den Schlüssel zurück.
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Es wird also in die Zukunft investiert. „Künftig sollen Pakete auf dem Band an der richtigen Stelle abgelegt werden, um sie weiterzuverarbeiten. Wir brauchen dann noch genau so viele Mitarbeiter, aber die Drehbewegung in der Hüfte fällt dann weg. Und vor allem muss man das Band nicht anstarren und darauf warten, dass mein Paket endlich kommt“, sagt Adler.
Aber auch jetzt läuft im Verteilzentrum schon ziemlich viel automatisch – und vor allem bis ins kleinste Detail durchdacht.
250 Lieferwagen verlassen das Verteilzentrum pro Tag
Die Sendungen, die in der Nacht ankommen, sind bis in die Morgenstunden schon eingescannt, in seltenen Fällen neu verpackt und in unzählige bunte Taschen verstaut worden. Die wiederum werden vormittags in einen der 250 Lieferwagen geladen, die die Online-Bestellungen von Großbüllesheim bis in den Kölner Süden, den Westerwald, Düren oder Neuwied bringen. Und das eben mit System.
Über Förderbänder kommen die Sendungen zum Vorsortieren. Dort werden die Pakete mithilfe eines Scanners erfasst und mit einem gelben Aufkleber versehen. Das geht mitunter so schnell, dass man sich fragt, ob das Paket tatsächlich registriert worden ist – ist es laut Adler aber in 99 Prozent der Fälle. „Der Aufkleber sagt nichts anderes, als in welche Tasche die Sendung kommt“, sagt der Pressesprecher.

In solche Taschen werden die Sendungen verpackt, die täglich beim Amazon-Verteilzentrum ankommen und wieder verschickt werden.
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Pro Tag werden die etwa 55.000 Sendungen von 250 Fahrern ausgeliefert.
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Taschen gibt es im Amazon-Verteilzentrum sehr viele. Die sind farblich mitunter unterschiedlich, doch dazu später mehr. Was es nicht so häufig gibt – Pakete, die neu gepackt werden müssen. Aber es kommt vor. „Wenn ein Paket auf dem Weg zu uns so beschädigt ist, dass der Kunde das so nicht haben will, dann verpacken wird es neu“, erklärt Stockhausen. „Repacken“ nennt das der Standortleiter.
Von den 55.000 Sendungen, die täglich das Verteilzentrum durchlaufen, müssen laut Stockhausen vielleicht 100 neu gepackt werden. „Der Fahrer muss nachher nicht nach Adressen suchen, sondern bekommt im Handscanner eine Nummer angezeigt und muss nur nach dieser schauen“, so Stockhausen.
Eine bunte Tasche von Amazon pro Straßenzug oder Dorf
Zudem werden die Pakete auf dem Weg durchs Verteilzentrum auf die einzelnen Touren verteilt. Und eben in den bereits erwähnten Taschen. Die sind farblich so gegliedert und vorsortiert, dass der Fahrer auf seiner Tour genau weiß, welche Tasche nun an der Reihe ist. Dabei spiegelt eine Tasche einen Straßenzug oder in der Eifel auch schon mal gerne einen Ort wider.
Wenn wir hier am Anfang ,überpacen', dann staut es sich anderswo. Damit ist keinem geholfen.
Beim Sortieren und Packen im Verteilzentrum komme es nicht auf die Schnelligkeit an, sagt Adler. Das sei ein weit verbreiteter Mythos der Logistikbranche. Wichtiger als Zeit und Schnelligkeit sei, dass die Prozesse perfekt aufeinander abgestimmt sind. So läuft auch bei Amazon an der ersten Station eine Uhr. Die soll laut Standortleiter Stockhausen aber nicht dazu animieren, schneller zu arbeiten, sondern sich Zeit zu lassen.
„Wenn wir hier am Anfang ,überpacen', dann staut es sich anderswo. Damit ist keinem geholfen“, sagt er. Keine der Taschen wiegt nach Angaben von Stockhausen mehr als 23 Kilo – meistens deutlich weniger. Das Maximalgewicht orientiere sich am maximalen Reisegepäck. „Das durchschnittliche Gewicht einer Onlinebestellung beträgt ein Kilo“, sagt Amazon-Pressesprecher Adler.
Mitarbeitende müssen entweder Deutsch oder Englisch können
Die letzten Touren aus dem Verteilzentrum starten täglich 12.30 Uhr. Kein Fahrer fange vor 10 Uhr an, so Pressesprecher Adler. Bei Amazon werde im Schichtdienst gearbeitet – ohne rollierendes System. Man arbeite also immer in derselben Schicht – es sei denn, man entscheide sich bewusst für einen Wechsel.
Linien, Finger, Scanner, Aufkleber, Repacken, Taschen – wie lange dauert es, bis ein Mitarbeiter das System Amazon verstanden hat? „Das geht relativ schnell. Zwei, drei Tage“, sagt Adler: „Die Arbeitsschritte sind sehr kleinteilig und man hat den Scanner, der hilft. Das ist alles selbsterklärend.“ Einzige Voraussetzung sei, dass man entweder Deutsch oder Englisch verstehe. Und es hilft, Farben erkennen zu können. Der Grund: Auf den Wagen, auf denen sich die Taschen befinden, gibt es eine LED-Banderole. Die leuchtet auf, wenn das Paket gescannt ist und zeigt dem Mitarbeitenden, in welche Tasche die Sendung sortiert werden muss.
Sicherheit wird großgeschrieben: Es darf nur rückwärts geparkt werden
Nach Angaben des Unternehmens wird die Sicherheit der Mitarbeitenden großgeschrieben. So ist es unter anderem auf dem gesamten Betriebsgelände im IPAS verboten, vorwärts einzuparken. „Wenn nach einer Nachtschicht mehrere Menschen gleichzeitig rückwärts ausparken müssen, ist das ein Unfallrisiko, das vermeidbar ist“, erklärt Stockhausen.
Und auch für die Lkw-Fahrer gibt es eine besondere Vorsichtsmaßnahme. Sobald der Lkw an der Verladerampe vorgefahren ist, wird ähnlich wie in der Formel 1 ein mobiles Stopp-Schild vor der Zugmaschine platziert. Vor allem aber muss der Fahrer seinen Schlüssel in eine Schüssel legen, die am Rolltor befestigt ist. Fährt das Tor nach oben, ist auch der Schlüssel für den Fahrer nicht greifbar. Das bedeutet: Der Lkw kann nicht losfahren, solange das Tor geöffnet ist und sich Mitarbeiter im Bereich der Verladerampe befinden.
Auf der Tour berechnet ein Algorithmus die Strecke. „Wir fahren lieber eine längere Strecke, um die Sicherheit zu erhöhen. Wir ziehen es vor, dreimal rechts zu fahren als einmal links“, so Stockhausen. Wenn Schnee angesagt sei, berechne das System dies mit und schlage auf jede Fahrzeit einen gewissen Prozentsatz drauf. „Und es ist ein lernendes System. Wenn an einer bestimmten Stelle häufig Stau ist, dann versucht das System, die künftig zu vermeiden und berechnet die Tour entsprechend neu“, ergänzt Pressesprecher Steffen Adler.
Elektrisch unterwegs: Laserpointer zeigt, welche Sendung dran ist
Der Online-Versandhändler und Internet-Gigant Amazon ist auch ein riesengroßer Logistikkonzern mit eigener Fahrzeugflotte für die Zustellung seiner Sendungen.
Am Verteilzentrum in Großbüllesheim wird seit einigen Wochen ein neues Fahrzeug eingesetzt: ein Rivian. Das Unternehmen hat die Fahrzeuge extra für Amazon entwickelt. Für den europäischen Markt hat Rivian eigens eine kürzere und schmalere Version seines Transporters entwickelt, das Modell EDV-500.
In den USA ist der größere EDV-700 im Einsatz. Dort sind dem Unternehmen zufolge mehr als 3000 der Rivian-Fahrzeuge im Einsatz. Rund 80 elektrische Rivian-Fahrzeuge kommen in den Amazon-Verteilzentren in Troisdorf und Euskirchen zum Einsatz. Amazon will nach eigenen Aussagen bis zum Jahr 2030 bis zu 100.000 Rivian-Lieferwagen weltweit einsetzen. In Europa hat Amazon bereits jetzt rund 3000 elektrisch betriebene Lieferwagen im Dienst.

Mit großen Displays und viel Technik sind die E-Transporter ausgestattet.
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Rund 80 elektrische Rivian-Fahrzeuge sind in den Amazon-Verteilzentren in Troisdorf und Euskirchen zum Einsatz.
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Der EDV-500 soll mit einer Akkuladung auch im Winter eine Reichweite von rund 200 Kilometern haben. Ein Fahrer sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Das Fahrzeug verfügt über eine 360-Grad-Kamera. Das erhöht die Sicherheit enorm. Insgesamt sind 16 Kameras verbaut. Der Fahrer scannt das Fahrzeug und bekommt auf dem Bildschirm sofort seine individuelle Tour angezeigt.“
Mithilfe eines Drittanbieters könne auch die Fahrweise der Fahrer analysiert werden, sagt ein Amazon-Mitarbeiter. Beispielsweise werde die Kurvenfahrweise, starkes Bremsen oder die Art der Beschleunigung registriert.
Und die Entwicklung am Rivian gehe weiter, sagt Amazon-Sprecher Steffen Adler. In den USA werde gerade neue Technik getestet. Mithilfe eines Laserpointers soll der Fahrer künftig angezeigt bekommen, welches Paket als Nächstes von der Ladefläche genommen werden muss.
55.000 Pakete verlassen täglich das Zentrum in Euskirchen
Das Amazon Verteilzentrum in Euskirchen ging am 8. April 2020 in Betrieb und hat eine Größe von rund 7800 Quadratmetern. In Euskirchen hat Amazon nach eigenen Angaben rund 165 Arbeitsplätze geschaffen – ursprünglich seien 120 geplant gewesen.
Täglich verlassen dem Standortleiter Stefan Stockhausen zufolge etwa 55.000 Pakete das Verteilzentrum. Dafür kommen auch 25 Elektrolieferfahrzeuge täglich zum Einsatz. Das Verteilzentrum verfügt zudem über 94 Ladesäulen.
„Für Kundinnen und Kunden in der Region schafft der Standort dadurch eine nachhaltigere Lieferoption“, so Stockhausen. Amazon arbeitet nach eigenen Angaben mit unabhängigen Geschäftspartnern in der Zustellung zusammen. Täglich seien 250 Fahrzeuge von neun Lieferpartnern im Einsatz.