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Mehr TheorieAngehende Hebammen aus Euskirchen erklären den neuen Weg in ihren Beruf

Lesezeit 5 Minuten
Zwei Studentinnen üben das Ertasten der Lage eines Kindes an einer schwangeren Übungspuppe.

Die Ausbildung zur Geburtshelferin ist ein Auslaufmodell. Ab 2027 wird es keine Hebammenschüler mehr geben. (Symbolbild): Jan Woitas

Hörsaal statt Schule: Zwei angehende Hebammen aus Euskirchen berichten vom Umstieg von der Ausbildung zum dualen Studium.

Die Ausbildung zur Geburtshelferin ist ein Auslaufmodell. Der Weg in den Hebammenberuf führt seit dem 1. Januar dieses Jahres nur noch über ein duales Bachelor-Studium. Ausbildungen, die im vergangenen Jahr oder früher begonnen wurden, müssen bis zum 31. Dezember 2027 abgeschlossen sein. Danach werden Geburtshelferinnen nicht mehr in Hebammenschulen ausgebildet, sondern in Hörsälen.

Mariola Ewert aus Palmersheim ist zurzeit in den letzten Zügen ihrer Hebammenausbildung am Luisenhospital Aachen. Die Euskirchenerin Anne Scholzen hat gerade ein duales Studium an der RWTH Aachen begonnen. Sie sprechen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Studium und Ausbildung. Über Erwartungen und Ängste. Und darüber, inwiefern die Akademisierung des Berufes sich auf den allgemeinen Personalmangel an Geburtshelferinnen auswirken könnte.

Die Theorie: Gelernt wird meist am Modell

Das duale Studium lege einen klaren Fokus auf die Theorie, sagt Anne Scholzen. In rund zwei Dritteln der akademischen Ausbildung gehe es um Hintergründe und Forschung. Hausarbeiten und Klausuren würden geschrieben. Gelernt werde in großen Teilen am Modell. Auch die Prüfungssituation einer Geburt werde simuliert, erzählt die Studentin. Dabei gehe es um die bessere Vergleichbarkeit der Studenten.

Die Praxis: Entscheidungen fallen oft in Sekundenschnelle

In der Ausbildung sei das anders, sagt Ewert. Da werde eine „echte“ Geburt zur Prüfung. Das habe allerdings den Nachteil, sagt Scholzen, dass die Schüler zum Teil lange auf ihre Prüfungssituation warteten und allzeit bereit sein müssten. „Eben wie im echten Leben“, findet Ewert. Sie schätzt den großen Praxisanteil der Ausbildung. Zusammengerechnet verbringe man nur etwas weniger als die Hälfte der Ausbildung in Schulungen. Die andere Hälfte sei eben die „echte Hebammenarbeit“.

Eine junge Frau sitzt mit Lehrunterlagen am Tisch, im Hintergrund hängen Babyfotos an der Wand.

n den letzten Zügen der Hebammenausbildung befindet sich Mariola Ewert.

Für Ewert ist das ein Glücksfall. Auf ihrer Suche nach einem für sie passenden Beruf hat sie damals nach „handwerklichen Berufen für Frauen“ im Internet gesucht – so kam sie auf den Beruf. Und handwerklich sei dieser eben auch. Es sei ein Beruf, der viel mit Intuition und „einfach machen“ zu tun habe, erklärt Ewert. Manchmal müsse man in Sekundenschnelle entscheiden, was zu tun sei. Und dieses schnelle und intuitive Handeln lerne man nur dadurch, dass man Routine entwickele.     Und die gewinne man nur durch Erfahrung.

Die Anforderungen: Zuhören und abgucken in der Ausbildung

Dadurch, dass man mehr Zeit in den Praxisblocks verbringe, werde man auch nicht zu schnell ins kalte Wasser geworfen, sagt Ewert. Man könne zunächst den erfahrenen Hebammen über die Schulter gucken und beobachten, wie diese mit den Patientinnen reden. Man höre zu, man gucke ab, man eigne sich an.

Eine junge Frau sitzt mit ihren Lehrbüchern am Tisch.

Anne Scholzen hat vor kurzem mit dem Hebammen-Studium an der RWTH angefangen.

Im Studium stehe zunächst das Lernen und Vorbereiten an, sagt Scholzen. Man durchdringe die Materie, bevor man das erworbene Wissen praktisch anwende. An der RWTH Aachen könnten die Studenten zum anatomischen Unterricht sogar in den Präparationssaal. Durch den Unterricht an den Körperspenden lerne man die menschlichen Strukturen besonders gut kennen. Von der Haut über die  inneren Organe bis zu den Fasern untersuchten die Studenten dort den Körper, mit dem sie später tagtäglich konfrontiert würden. In der Ausbildung sei das nicht der Fall. Um das Durchdringen und Hinterfragen gehe es auch generell im Studium, sagt Scholzen.

Die Reflektion: Die eigene Arbeit wird hinterfragt

Hebammen müssten lernen, ihre eigene Arbeit zu reflektieren. „Ich glaube, im Hebammenberuf gibt es viele Dinge, die man macht, weil man sie immer schon so gemacht hat“, sagt Scholzen. Darunter seien auch viele Dinge, die man einmal auf ihre Belegbarkeit hin hinterfragen sollte. Zum Beispiel warme Füße für Wehentätigkeiten, sagt Ewert. Oder die Auswirkungen von Buscopan auf die Öffnungen des Muttermundes, sagt Scholzen. Dieses intensive wissenschaftliche Arbeiten stehe in der Ausbildung zwar nicht so stark im Vordergrund, sagt Ewert, trotzdem glaubt sie, dass ehemalige Studenten und ehemalige Auszubildende im Berufsleben gleichwertige Hebammen sein können. Schließlich könne und solle man als ausgebildete Hebamme auch viele Fort- und Weiterbildungen machen. Und als studierte Hebamme komme die praktische Routine im Alltagsgeschäft ganz von alleine. Gute Hebammen könnten also aus dem Studium kommen, aber genauso aus der Ausbildung. Anne Scholzen stimmt zu. Auch sie hätte die Ausbildung gemacht, wenn es die Umstellung noch nicht gegeben hätte.

Akademisierung: Euskirchenerinnen sehen Weg aus dem Personalmangel

Trotzdem glauben sowohl Scholzen als auch Ewert, dass kein Weg an der Akademisierung des Hebammenberufs vorbeiführt. „In Europa sind wir das Schlusslicht“, sagt Scholzen. Alle anderen EU-Länder hätten den ehemaligen Ausbildungsberuf bereits auf ein vereinheitlichtes praxisintegrierendes Studium umgestellt. Wenn man im Ausland arbeiten möchte oder Hebammen aus anderen EU-Ländern in Deutschland, dann werde die Vereinheitlichung sicher vieles erleichtern, sagt Scholzen.

Außerdem, so Ewert, gebe es nun mehr Studienplätze, als es Ausbildungsplätze gegeben habe. Auch wenn der Eintritt in den Beruf jetzt höherschwelliger ist als vorher, auch wenn dadurch mit Sicherheit eine etwas größere Gruppe an potenziellen Hebammenschülern ohne Abitur wegbrechen könne, ebne man so doch den Weg, mehr Hebammen auszubilden. Und so dem allgemeinen Personalmangel entgegenzuwirken.

Die Arbeitsbedingungen: An diesen Stellschrauben sollte gedreht werden

Die Akademisierung sollte den Beruf attraktiver machen, sagt Scholzen. Sie glaube aber, dass der Beruf längst attraktiv genug sei. Viele junge Frauen wollten Hebamme werden. Das sehe sie an den hohen Anmeldezahlen an Hebammen- wie Hochschulen gleichermaßen.

Es seien andere Stellschrauben, die man drehen müsse, um dem Personalmangel entgegenzuwirken: faire Bezahlung, keine finanziellen Überbelastungen, ausbalancierte Arbeits- und Freizeiten. Das seien die Probleme. Deswegen würden die bereits ausgebildeten Hebammen wegbrechen, sagt Scholzen.

Ewert: „Zukunftsängste habe ich gerade auch schon.“ Zwar müsse man sich keine Sorgen machen, dass man einen Job finde, sagt sie, aber wie man dann über die Runden komme, das stehe noch in den Sternen. Vor allem, wenn man sich wie sie selbstständig machen wolle. Zudem mache sie sich Sorgen, ob studierte und ausgebildete Hebammen künftig auch wirklich gleichbehandelt würden – nicht nur finanziell. „Ich hoffe, dass man uns nicht vergisst“, sagt die Schülerin.

„Es ist wirklich kein Beruf, den man halbherzig machen kann“, resümiert Ewert. Man müsse den Job einfach lieben. Denn unter Hebammen wisse man: „Aus dem Job komme man nicht reich und gesund wieder raus.“ Trotzdem ist für beide, Studentin wie Schülerin, klar, dass sie nichts anderes mehr machen möchten.