Bauboom in EuskirchenStadt wächst rasant – Sozialstrukturen müssen Schritt halten
Euskirchen – Es boomt gewaltig. Innerhalb von sechs Monaten wächst die Stadt Euskirchen um 400 Einwohner – und das geht schon seit zweieinhalb Jahren so. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht.
Weitere Baugebiete mit mehreren Hundert neuen Wohneinheiten sind in Vorbereitung. Andere befinden sich bereits im Bau und sind vermarktet, etwa die Areale „Alte Lederfabrik“ und „Am Sportplatz“ in Flamersheim oder „Am Himmelsgarten“ in Stotzheim sowie „Gertrudisgärten“ und „Weiße Erde“ in der Kernstadt.
Soziale Infrastruktur muss Schritt halten
Bei aller Freude über diese Nachfrage weiß der Technische Beigeordnete der Stadt, Oliver Knaup, auch um die Herausforderungen, die diese Entwicklung mit sich bringt.
„Das Wachstum von Euskirchen weicht erheblich von den verhaltenen Erwartungen des Landes ab“, stellt Knaup fest. Das berge Chancen, doch müsse auch die soziale Infrastruktur – zum Beispiel Kitas, Schulen, Feuerwehren – mit dieser Nachfrage Schritt halten. „Auch die technische Infrastruktur – Kanalisation, Verkehrswege – stößt an einigen Stellen bereits an ihre Kapazitätsgrenzen“, stellt Knaup fest.
Hoher Bedarf an Wohnfläche
445 Mal hat die Stadt in der Zeit von Juni 2017 bis Mai 2018 Bau- und Umbaumaßnahmen sowie Nutzungsänderungen und Freistellungsverfahren genehmigt, in den zwölf Monaten davor sogar 481. „Die Anzahl der Genehmigungen stagniert auf hohem Niveau“, sagt Knaup und nennt den Grund für diese Entwicklung: „Der Wohnraum in Köln und Bonn ist aus Sicht der Stadt nicht knapper, sondern nur teurer.“ Dadurch bekämen die umliegenden Städte und Gemeinden, darunter auch Euskirchen, eine deutliche Zuwanderung.
Die Serie
Hohe Mieten in den Großstädten, niedrige Quadratmeterpreise auf dem Land. Können die Städte und Gemeinden von den Wohnungsproblemen in den Ballungsgebieten profitieren? Frische Landluft statt Verkehrssmog? Die Städte und Gemeinden im Norden des Kreises weisen einen starken Zuzug auf.
Verschiebt sich die Welle nun in Richtung Süden? Wie reagieren Politik und Verwaltung in den Kommunen auf die Entwicklung? Welche Rolle spielen die Steuereinnahmen. Und: Wie viel Bebauung tut den Orten überhaupt gut?
In dieser Serie blicken wir in die Städte und Gemeinden des Kreises Euskirchen. (sch)
Dass diese ausgeprägte Nachfrage nach Baugrundstücken in Euskirchen den von Umweltschützern angeprangerten Flächenverbrauch steigert, bezeichnet Knaup als „normative Kraft des Faktischen“. Die Bedarfe nach Wohnbauflächen seien eindeutig vorhanden. „Die Aufgabe der Wohnflächenversorgung ist für die Stadt von höherer Bedeutung als das Nebenziel eines geringen Flächenverbrauches“, stellt der Technische Beigeordnete klar.
Preise haben angezogen
Erschließungsanlagen würden aber schon aus Kostengründen sparsam geplant und gebaut. Würde aber, so Knaup, die Vermeidung von Flächenverbrauch Vorrang bekommen, würde dies für die Stadt und die betroffenen Bürger Verzicht bedeuten und die Flächenknappheit die Preise noch stärker nach oben treiben.
Schließlich solle Familien oder Paaren mittleren Alters bezahlbarer Wohnraum angeboten werden, beantwortet Knaup die Frage nach der Zielgruppe.
Die Grundstücke in den Baugebieten seien zu Preisen zwischen 160 bis 270 Euro je Quadratmeter zu haben. Angesichts der Nachfrage haben die Preise aber in jüngster Zeit angezogen.
„Wobei insbesondere in den Ortslagen inzwischen auch 200 Euro pro Quadratmeter gezahlt werden“, erläutert Knaup. Vor einigen Jahren seien es noch 150 bis 160 Euro gewesen. „In der Kernstadt wurden auch vor einigen Jahren schon deutlich über 200 Euro pro Quadratmeter gezahlt.“ Nun bringen mehr Bürger auch mehr Schlüsselzuweisungen vom Land.
Sorge um Charakter der Ortschaften
Spielt das eine Rolle bei der Ausweisung neuer Baugebiete? Knaup winkt ab. Für die Landeszuweisungen seien Gewerbesteuereinnahmen und Kreisumlagezahlungen viel bedeutsamer. Wäre da noch die Sorge um den Charakter der Ortschaften, wenn immer mehr Baugebiete an den Rändern entstehen. „Die Gefahr besteht grundsätzlich immer“, konzidiert Knaup. Um den Austausch mit Neubürgern zu ermöglichen, würden verstärkt Wege für die Durchlässigkeit geplant.
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„Allerdings stößt dieser Gedanke stets auf Ablehnung der bestehenden Nachbarschaft, die keinen zusätzlichen Verkehr oder keine zusätzlichen Störungen wünschen.“ Neben diesen baulichen Vorkehrungen sei das Sozialgefüge eines Ortes sehr entscheidend: „Besteht eine aktive Dorfgemeinschaft mit verschiedenen Vereinen, gelingt es normalerweise, Neubürger in die Gemeinschaft des Ortes zu integrieren. Das kann die Stadtplanung oder die Verwaltung jedoch kaum steuern“, sagt der Dezernent.