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Liebesbrief an einen SportplatzDer Auel in Euskirchen braucht neues Leben, Liebe und Fußball

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Lesezeit 7 Minuten
Das Bild zeigt den verwilderten Aschenplatz der Sportanlage im Auel.

Seit der Flut wird im Auel in Euskirchen kein Fußball mehr gespielt. Der Aschenplatz ist sich selbst überlassen worden.

Der Auel ist zu einem Lost Place geworden, könnte aber bald einen neuen Heimatverein erhalten. Tom Steinicke erinnert sich an seine Auel-Zeit.

Lieber Auel, als ich mich das erste Mal auf deine rot-braune Asche geworfen habe, war ich fünf Jahre alt. Auch, als ich das erste Mal die Arme nach oben gerissen habe, weil wir ein Tor geschossen haben. Das erste Mal einen Ball gehalten habe ich auf dir. Als ich das erste Mal dreckig, völlig erschöpft und glücklich vom Platz gegangen bin, stand für mich fest: Ich bin verliebt.

Verliebt in eine Sportart, verliebt aber auch in einen Sportplatz, der über viele Jahre so viel mehr sein sollte als zwei Tore, die etwa 90 Meter auseinanderstehen.

Flut am 14. Juli 2021 hat dem Auel in Euskirchen schwer zugesetzt

Ich habe bei dir gelernt, zu verlieren. Ich habe bei dir gelernt, dass Siegen nicht immer Gewinnen ist. Ich habe bei dir gelernt, mit Liebeskummer umzugehen. Denn du warst meine erste große Liebe. Und die bricht nicht selten auch das erste Mal das Herz. Du warst nämlich der Ort, an dem ich auch mal keine Lust mehr auf dieses blöde Spiel hatte, bei dem 22 Spieler einem Ball hinterher rennen und der Torwart Schuld hat, wenn man verliert.

Aktuell bricht dein Zustand vielen das Herz – auch mir. Es tut weh, zu sehen, wie seit der Flut am 14. Juli 2021 die Natur den Platz zu einem Lost Place verwandelt hat. Die von der Stadt aufgestellten Zäune tun ihr Übriges. Vom freigespülten Fundament des Pfostens, an dem sich viele Fußballer über Jahrzehnte den Dreck zwischen den Stollen herausgeklopft haben, fange ich gar nicht erst an.

Auf den ersten Blick ist es nicht nachzuvollziehen, warum bei dir seit dem Hochwasser nichts gemacht worden ist. Doch solange es nicht gut ist, ist es nicht das Ende. Und ich hoffe, dass es am Ende gut werden wird. Nein, ich weiß es.

Das Bild zeigt den Strafraum auf dem Aschenplatz. Dickere Steine hatte die Flut angespült.

An Fußball ist auf dem Aschenplatz im Auel nicht zu denken. Seit der Flut rollte hier kein Ball mehr.

Lieber Auel, du stehst sinnbildlich für die guten Zeiten des Euskirchener TSC, auch wenn du gerade selbst sehr schlechte durchlebst. Du warst Heimspielstätte, Pilgerstätte für zahlreiche Fans, die Heinz Flohe als Trainer, Werner Regh oder Stefan Beyers als Spieler erleben wollten.

Auch ich war dabei, stand auf den großen Stufen der Gegengerade am Rasenplatz, als 1989 der Traum vom Aufstieg in die Oberliga platzte. Auf eben jenen Stufen, die ich viele Jahre später verteufelte, weil man sie hoch und wieder runterrennen musste – mit und ohne Medizinball.

Das Bild zeigt den Rasenplatz im Auel.

Auf dem Rasenplatz im Auel fanden zahlreiche hochklassige Spiele statt. Er soll einem Kunstrasenplatz weichen.

Wenn Heimat kein Ort ist, sondern ein Gefühl, dann bist das… In der Kabine mit den „State of the Art“-Holz-Metallbänken hatte jeder seinen festen Platz. Ich saß direkt um die Ecke kommend rechts. Mein kleiner persönlicher Safespace. Hier konnte ich ich sein. Mit all den Macken, die einem Torwart nachgesagt werden. Immer den Stutzen zuerst links, dann rechts anziehen. Gleiches galt für die Schuhe. Bei den Handschuhen war es genau andersherum.

Wertsachenbeutel wurde bis zur nächsten Niederlage mit Tape geflickt

In der Kabine ging vor jedem Spiel der Wertsachenbeutel herum. Eine Plastiktüte, in die jeder seine Schlüssel und sein Portemonnaie warf. Das unsicherste Fort Knox, das man sich hätte vorstellen können. Daran änderte auch das Panzertape nichts, mit der die Tüte so lange geflickt wurde, wie die Ohne-Niederlagen-Serie hielt.

Genau in dieser Kabine hörte ich auch einen Spruch, der bis heute hängengeblieben ist. Ein Mitspieler kommt nach der Examensarbeit zum Training. Frage: Und wie ist es ausgegangen? Antwort: 1:0. Bestanden. Michael Luppus: „Macht nichts. Hauptsache gewonnen.“ Fußball kann so einfach sein.

Ich weiß nicht, ob ich auf der Asche mehr Spiele gewonnen als verloren habe. Dafür weiß ich noch, dass ich auf dem Rasenplatz eines meiner besten Spiele als Torwart gemacht habe. Damals, in der B-Jugend-Mittelrheinliga. Die höchste Klasse damals. Heute nennt man sie Jugendbundesliga West.

Thorsten Nehrbauer schoss den Ball zweimal in den Winkel

Wir haben gegen Bayer Leverkusen gespielt. Bei denen lief Thorsten Nehrbauer auf, schoss in den ersten fünf Minuten zweimal in den Winkel und ließ sich mehr oder weniger gelangweilt auswechseln. Starallüren eines Jugendnationalspielers, wenn man in die Provinz muss.

Am Ende verloren wir 1:15 und ich hatte als Torwart eines meiner besten Spiele gemacht – obwohl ich 15 Mal den Ball aus dem Netz holen musste. Der Fußball schreibt manchmal eben merkwürdige Geschichten, der Auel erst recht. Für mich schrieb er meist gute und schöne – auch wenn ich das nicht immer einschätzen konnte, geschweige zu schätzen wusste.

Das Bild zeigt ein Tor des Aschenplatzes.

Der Aschenplatz im Auel soll in einen Kunstrasenplatz umgewandelt werden. Vielleicht trägt die JSG Erft Euskirchen hier bald ihre Heimspiele aus.

Lieber Auel, heute lächele ich genießend darüber, dass Training einfach Training war. Und Asche schöner war als die erste Generation Kunstrasen. Dass man von Taktik sprach und nicht von einem Matchplan. Dass der Strafraum der Ort ist, wo man hingehen muss, damit es wehtut. Und eben keine Box. Dass ein gepflegtes 5 gegen 2 die sportliche Wohlfühloase sein kann.

Das Bild zeigt den Auel aus der Luft fotografiert.

Das Areal im Auel bietet alle Möglichkeiten für eine Sportanlage in der besten Lage.

Dass Training unter Dieter Höller klar strukturiert ist, obwohl er alles andere als ein Laptoptrainer war und ist. Eben jenes 5 gegen 2, Torschuss, Abschlussspiel, Kabinenbier. So einfach kann Fußball sein. So unrealistisch konnte Fußball sein.

Den Ball im Flachpass von der Mittellinie zu einem Mitspieler, der unbedrängt den Ball etwa 18 Meter vor dem Tor klatschen lässt, damit er noch unbedrängter aufs Tor geschossen werden kann – wie oft kam das im Spiel vor? Niemals. Der Auel steht 1997 für mich stellvertretend für wohl ziemlich viele Sportplätze zur damaligen Zeit. Er war eine Zeit der Träume, eine Zeit, die sich retrospektiv leichter anfühlt.

Der Auel: Ein Ort, der Heimat, Gefühl und Fußball bedeutet

Lieber Auel, aber wie das so ist, wenn man sich getrennt hat. Mich zog es nach Flamersheim, Arminia Rheder und RW Billig. Wir hatten uns ein wenig aus den Augen verloren, auch weil der große Sport in Euskirchen längst ins Erftstadion verlagert worden war. Auf dem Kunstrasen tummelten sich die Talente, im Stadion stieg 1999 die erste Mannschaft in die Oberliga auf. Jenes Ziel, das bei dir zehn Jahre zuvor noch verpasst worden war.

Wie die Geschichte des ETSC weiterging, ist bekannt. Aktuell tummeln sich kaum noch Talente auf dem Kunstrasen. Immerhin: Im Stadion verkauft sich die erste Mannschaft im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr teuer.

Wird die JSG Erft Euskirchen künftig im Auel in Euskirchen spielen?

Lieber Auel, obwohl unser Leben weiterging, ich habe mich immer für dich interessiert. Das werde ich weiterhin tun. Mit Schrecken habe ich die Diskussion verfolgt, dass man dich zu Bauland machen und an der Kirschenallee ein neues Sportzentrum errichten wollte. Und das, obwohl du für drei Schulen nur einen Schlagballwurf entfernt bist. Letztlich ruderte die Politik zurück. Der Ausbau der Kirschenallee wäre mit mehr als zwei Millionen Euro einfach zu teuer gewesen. Eigentor gerade so vermieden.

Ich hoffe, dass du wieder zu dem wirst, was du eigentlich immer warst: eine Heimat für Fußball, für Kinder, für einen Verein. Wie wäre es beispielsweise mit der JSG Erft 01? Die trägt doch mittlerweile sogar das „Euskirchen“ im Vereinsnamen. Und hat das Potenzial, in die Fußstapfen des ETSC zu treten – auch wenn der Verein einen ganz eigenen Weg geht. Das Areal in Kuchenheim ist toll, aber es kommt eben auch an seine Grenzen.

Tom Steinicke

Tom Steinicke

ist in der Redaktion Euskirchen für den Kreis zuständig. Zudem unterstützt er den Lokalsport, ist auf der ständigen Jagd nach Geschichten sowie als Polizeireporter unterwegs. Das Volontariat hat er in...

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Sollten die Flutschäden bei dir beseitigt werden, sollte aus dem Aschen- und Rasenplatz jeweils ein Kunstrasenplatz geworden sein: Was gibt es Schöneres für einen Verein, als im Auel seine Heimspiele auszutragen? Für alle wäre es eine Win-win-Situation. Und damit auch für die JSG Erft Euskirchen. Kuchenheim könnten Mannschaften wie Dom-Esch nutzen, um im Winter zu trainieren.

Traditionen bewahren, gleichzeitig neue Wege gehen. Die Stadt möchte das tun und aus dir wieder ein Zentrum des Sports und des Miteinanders machen – gerne mit der JSG als Hausherrin. Ein Vorhaben, das noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. In dieser Zeit wird mein Herz weiter bluten, weil dein Anblick gerade einfach weh tut wie ein Gegentor. Aber es werden bessere Zeiten kommen, auch wenn der Fußball sich verändert hat. Und wir uns ein wenig auseinandergelebt haben. Gute Freunde bleiben wir. Dafür bist du meiner Heimatstadt und mir einfach zu wichtig.