Während der Stern des jungen Euskirchener Trainers weiter aufgeht, steht es um den einst großen ETSC Jahr für Jahr schlechter.
Traumjob FußballtrainerETSC-Aufstiegsheld coacht jetzt Alemannia Aachen
Mit dem Hobby Fußball Geld verdienen. Jede Woche vor ausgelassenen Fans um Siege kämpfen. Unter der Woche mit den Stollenschuhen auf dem Trainingsplatz stehen. Für viele fußballbegeisterte Menschen sind das große Träume.
Für Helge Hohl, den langjährigen Jugendtrainer des Euskirchener TSC, ist das die Realität. Dass diese dann auch noch bei einem Traditionsverein wie Alemannia Aachen möglich ist, bedeutet ihm sehr viel: „Ich trainiere den geilsten Regionalligaverein Deutschlands und empfinde es als riesiges Privileg, diesen Klub mitsamt der Wucht, die von der Fanszene ausgeht, trainieren zu dürfen. Das macht mich unfassbar stolz.“
Gänsehaut am Tivoli
Besonders die Heimspiele im allseits bekannten und von Gastmannschaften gefürchteten Tivoli bereiten dem in Bonn geborenen und in Arloff aufgewachsenen Trainer jedes Mal aufs Neue Gänsehaut.
Im Februar 2022 zeigte Alemannia Aachen Interesse am damaligen Trainer des SV Bergisch Gladbach. Allerdings nicht als Coach. Vielmehr wurde Hohl als Sportdirektor an den Tivoli geholt. Dort sollte der noch junge, aber sehr erfahrene Mann mittels seiner Kontakte und Verwurzelung in der Region die Kaderplanung übernehmen.
Eine einmalige Chance
Wie es das schnelllebige Fußballgeschäft allerdings will, trennten sich überraschenderweise die Wege von Aachen und Trainer Fuat Kilic. Vereinsintern war man sich schnell einig: Den vakanten Trainerposten sollte Hohl übernehmen. Eine Entscheidung, die ihm einige schlaflose Nächte bereitet hat: „Ich bin ein Jahr zuvor erst Papa geworden und wollte mehr Zeit für meine Familie haben.“
Gleichzeitig habe er auch gewusst, dass sich so eine Chance wahrscheinlich nicht nochmal ergeben würde. „Ich habe immer davon geträumt, einmal einen Trainerjob ausüben zu können, bei dem ich ohne Störgeräusche und ohne weitere Tätigkeiten zu 100 Prozent Trainer sein kann. Das hat Alemannia Aachen mir geboten.“
Hohls harte Arbeit zahlt sich aus
Doch dieser Job birgt auch eine enorme Belastung für Hohl und seine Familie. Sein Tag beginnt in der Regel zwischen 5 und 6 Uhr mit der Fahrt nach Aachen und endet gegen 23 Uhr wieder zu Hause in Bergisch Gladbach.
Nicht selten bezieht der selbst ernannte Perfektionist auch unter der Woche ein Hotel in Aachen, um sich neben der Belastung, die die Verantwortung als Cheftrainer eines solchen Traditionsvereins mit sich bringt, nicht noch mit der täglichen Pendelei herumzuschlagen.
Doch die harte Arbeit scheint sich auszuzahlen. Hohl hatte die Alemannia im Herbst auf Rang elf übernommen und führte die Schwarz-Gelben mit einer Serie von elf ungeschlagenen Pflichtspielen bis in die Spitzengruppe der Regionalliga. Im Anschluss pendelten sich die Ergebnisse etwas ein, sodass Hohls Mannen fünf Spieltage vor Saisonende im dichten Mittelfeld auf Tabellenplatz sechs verweilen.
„Das ist dieses Auf und Ab, das den Job so ausmacht. Ich jage dieser Droge wie ein Junkie hinterher. Manchmal bekommst du sie nach einem Sieg, und manchmal nimmt man sie dir mit einer Niederlage weg und du willst sie umso mehr am nächsten Wochenende“, beschreibt der Trainer seine Emotionen.
Aufstieg in Liga 3 ist möglich
In der nächsten Saison soll die Siegesdroge öfter durch Hohls Blutbahn rauschen. Mit den Fans als zwölftem Mann im Rücken und einer guten Kaderplanung sei der Aufstieg möglich. Persönlich möchte sich Hohl das Ziel setzen, die Trainerlizenz als Fußballlehrer zu erwerben, die vonnöten sein wird, um über die Regionalliga hinaus als Trainer aktiv zu sein.
Außerdem nimmt sich der junge Trainer für die Zukunft vor, auch selbst wieder mehr Sport auszuüben, als aktiven Ausgleich zum ihn sehr beanspruchenden Beruf. Aktuell kuriert Hohl noch einen starken Muskelfaserriss aus. Den hatte er sich bei dem Versuch, ohne Wettkampfvorbereitung bei Rhenania Bessenich mitzuspielen, zugezogen. Dennoch wolle er bald wieder regelmäßiger die Fußballschuhe schnüren.
ETSC ist „komplett den Bach runtergegangen“
Dass er aber vermutlich nie zu seinem Ex-Verein, dem ETSC, zurückkehren wird, schmerzt ihn sehr: „Es stimmt mich wirklich traurig, nie sagen zu können: Heute schaue ich mir mal ein Spiel meines alten Vereins oder die tolle Jugendarbeit beim ETSC an, weil der Verein komplett den Bach runtergegangen ist.“
Während es also um den großen ETSC von Jahr zu Jahr schlechter steht, stieg der Stern des jungen Trainertalents aus Euskirchen immer höher und könnte vielleicht schon bald in der 3. Liga leuchten.
Mit dem ETSC stieg Helge Hohl in die Jugendbundesliga auf
Die Zeit als Spieler
Angefangen hat die Trainerkarriere von Helge Hohl mit 17 Jahren. Jürgen Steffen, unter dem er in der A-Jugend des ETSC spielte, machte ihn zum Assistenten. In dem Alter haben Fußballer im Regelfall zunächst das Ziel, selbst gegen das runde Leder zu treten.
Mit fünf Jahren begann Hohl in seinem Heimatdorf Arloff mit dem Kicken. In der U12 folgte er dem sehr guten Ruf der Jugendarbeit des ETSC. Vier Jahre lang spielte er dort, bevor er sich bis zur A-Jugend dem Bonner SC anschloss.
Euskirchener TSC
Als Grund für seine frühe Begeisterung für den Trainerjob nennt Hohl seine Liebe zur Verantwortung und seine Detailversessenheit. Die bewies der 17-Jährige als Co-Trainer an der Seite von Frank Molderings bei der U17 des ETSC.
Kurios: Weil Molderings zu Saisonbeginn gesperrt war, stand der junge Hohl direkt für drei Spiele als Cheftrainer an der Linie, sein Team erspielte sich sieben Punkte. „Das war als Einstieg eine super Erfahrung. Dank meiner Autorität gab es wegen des nicht vorhandenen Altersunterschieds zu den Spielern auch keine Probleme“, erinnert sich der Coach zurück.
Als er sich dann wieder hintanstellen musste, gefiel das dem Trainertalent gar nicht. Deshalb übernahm er, nach kurzer Zwischenstation als Co-Trainer der U14 unter dem heutigen Chefcoach der TuS Mechernich, Nicolas Hohn, mit 19 Jahren die U12 des ETSC. Der größte Schritt folgte dann im Alter von 21, als Hohl Trainer der U17 wurde und die Erfolgsmannschaft, mit der er später in die Bundesliga aufsteigen sollte, durch Transfers und internes Scouting zusammenstellte.
Hertha Walheim
Nach bescheidenen Ergebnissen in der Bundesliga übernahm Helge Hohl die U17 des TSV Hertha Walheim in Aachen. Gleichzeitig arbeitete er dort als Hausmeister, um, wenn auch am Existenzminimum, ohne Ausbildung seinem Traumberuf als Trainer nachgehen zu können. Zuvor hatte er ein Freiwilliges Soziales Jahr beim Fußballkreis Euskirchen gemacht. Danach wollte er sich ein Jahr Auszeit nehmen, um sich auf die Bundesligasaison des ETSC zu konzentrieren.
Bei Hertha Walheim stieg Helge Hohl über die U19 schnell auf und wurde nach Platz drei in der Mittelrheinliga mit 23 Jahren zum Cheftrainer der ersten Mannschaft befördert. Nebenbei hatte Hohl als zweites Standbein seine eigene Fußballschule in Aachen gegründet, in der er Trainerfortbildungen und zusätzliche Trainingseinheiten anbot.
SV Bergisch Gladbach
Nach zwei Jahren als Cheftrainer und insgesamt vier Jahren beim ambitionierten Stadtteilverein Walheim, bei dem Helge Hohl nebenbei viel Verantwortung als Sportlicher Leiter und Jugendleiter erhalten hatte, bewarb er sich erfolgreich um die Position des Cheftrainers beim SV Bergisch Gladbach 09. Dort wurde Hohl ab der Saison 2017/18 mit der Aufgabe betraut, dem Mittelrheinligisten eine sportliche Neuausrichtung für die Zukunft zu geben.
Nach einer ausgeglichenen Debütsaison, abgeschlossen auf Platz zehn, folgte im Jahr darauf mit nur zwei Niederlagen in 28 Spielen der Aufstieg in die Regionalliga. Konnte sich Bergisch Gladbach im der ersten Spielzeit wegen der coronabedingten Unterbrechung noch in der vierten Liga halten, stieg der Verein in der Folgesaison 2020/21 ab.