EuskirchenNicht nur sehr hohe Bleiwerte – Flutschlamm ist mit Giftstoffen belastet
Kreis Euskirchen – Als die Flut ging, ist der Schlamm geblieben. Die Möbel im Erdgeschoss, die Grashalme auf der Wiese und das Getreide auf dem Feld – alles verschwand unter der übelriechenden rotbraunen Masse, die das Hochwasser hinterließ. Für Rolf Radzuweit war das ein Grund zur Sorge. „Wenn der Boden belastet ist, gefährdet das meine Existenz“, sagt der Reitstallbesitzer. Der Oberwichtericher beauftragte deshalb sechs Tage nach der Flut ein Ingenieurbüro damit, Bodenproben zu nehmen. Das Ergebnis beunruhigt ihn: Zwei von drei Proben überschreiten die zulässigen Bleiwerte deutlich. Eine davon so stark, dass sie an Werte aus dem Mechernicher Bergschadensgebiet heranreicht.
Wie Radzuweit geht es im Moment vielen Bürgern und Landwirten im Kreis. Ihnen ist nicht klar, welche Schadstoffe das Hochwasser und der Schlamm mit sich geführt haben. Vor allem entlang des Bleibachs sorgen sie sich um verseuchten Boden. Der Bleibach fließt durch die acht Orte Frauenberg, Oberwichterich, Dürscheven, Kommern, Schaven, Firmenich und Obergartzem. In jedem Dorf könnte er bleihaltigen Schlamm hinterlassen haben.
In Oberwichterich jedenfalls war das der Fall. Auf zwei Weiden und einem Reitplatz ließ Radzuweit Proben nehmen. Eine Weide war mit 1660 Milligramm Blei pro Kilogramm trockener Bodensubstanz belastet, eine weitere mit 6230 Milligramm. Beide Ergebnisse liegen deutlich über dem Maßnahmenwert für Grünland, der in der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) festgelegt ist. Die Reitanlage ist laut Ingenieurbüro kaum belastet. Für Radzuweit kein Grund zur Entwarnung: „Meine Sportpferde brauchen Auslauf. Dabei fressen sie auch das Gras auf den Weiden.“ Kinder, die auf seiner Reitanlage voltigieren, gefährde der bleihaltige Staub. Einer seiner Nachbarn, Hans-Peter Linden, fürchtet um seine Ernte. „Keiner sagt uns, was mit den Böden los ist. Meine Kartoffeln könnten kontaminiert sein“, sagt Linden. Die Landwirtschaftskammer habe ihm geraten, die Kartoffeln untersuchen zu lassen.
Schadstoffe aus dem Sediment
Nicht nur Spuren von Blei wurden im Schlamm gefunden. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) wies auch andere Schwermetalle und Schadstoffe nach. Wie stark der Schlamm belastet sei, variiere in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten, sagt Amtssprecherin Birgit Kaiser de Garcia. In den acht untersuchten Schlammproben würden sich „Auffälligkeiten bei organischen Stoffen“ wie Mineralölen, polychlorierten Biphenylen und Benzpyren zeigen. Von einer akuten Gefahr geht das LANUV aber nicht aus, weil der Schadstoffgehalt in den untersuchten Proben zu niedrig war. An einem umfassenden Bild arbeitet das Landesamt aber noch. Weitere Proben würden analysiert, so Kaiser de Garcia.
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Wie gefährlich das Blei im Boden ist, beantwortet das von Radzuweit beauftragte Ingenieurbüro nicht. Aus den gemessenen Werten könne „nicht unmittelbar eine Gefahrensituation im Sinne der BBodSchV abgeleitet werden“, schreiben die Ingenieure in dem Gutachten. Hierfür seien weitere Untersuchungen erforderlich – mit entsprechenden Kosten. „Ich weiß nicht, wie ich das bezahlen soll. Das Gutachten hat schon 1000 Euro gekostet“, sagt Radzuweit. Und der Austausch der belasteten Böden sei ebenfalls nicht billig. Der Oberwichtericher hat sich deshalb im Namen betroffener Landwirte an die lokale Politik gewandt und um finanzielle Hilfe für die Sanierung belasteter Flächen gebeten.
Die Bundestagsabgeordneten Detlef Seif (CDU) und Markus Herbrand (FDP) hätten sich gemeldet und Hilfe angeboten, auch der Landtagsabgeordnete Klaus Voussem (CDU), sagt Radzuweit. Nur eine Antwort der Bürgermeister von Euskirchen, Mechernich und Zülpich vermisse er bis heute. „Durch das Blei leben wir in einer permanenten Gefahrensituation. Die Bürgermeister der betroffenen Kommunen müssen sich endlich mit dem Thema befassen.“ Das Lanuv verspricht betroffenen Kreisen und Städten Hilfe. „Von sensibel genutzten Flächen wie Spielplätzen oder Hausgärten, in denen Kinder spielen, sollte der Schlamm entfernt und fachgerecht entsorgt werden“, sagt Kaiser de Garcia. Hierfür könnten die Kommunen auch Fördermittel beantragen. Für die Landwirte hat das Landesamt aber nur schlechte Nachrichten. Die Untersuchung ihrer Böden hat zunächst keine Priorität. Die Begründung des Lanuv: Aussagen seien erst möglich, wenn die Schadstoffe von Schlamm und Erntegut in die Böden übergetreten sind. Frühestens in der nächsten Vegetationsperiode will sich das Amt den Untersuchungen widmen.