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ErlenhofTag der offenen Tür in der JVA

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Tag der offenen Tür in der JVA Euskirchen: Ein Blick in eine Zelle

Euskirchen – "Jetzt wohnen wir schon so viele Jahre direkt nebenan und wussten gar nicht, was hier drin passiert", äußerte sich eine Besucherin am Sonntag. Weit über 1000 Menschen aus Euskirchen und Umgebung nutzten den Tag der offenen Tür in der Justizvollzugsanstalt im Erlenhof, um einmal einen Blick hinter den Zaun und in die Hafthäuser werfen zu können.

Anstaltsleiterin Renate Gaddum und zahlreiche Mitarbeiter boten Führungen über das Gelände an, um den Besuchern einen Einblick in den Alltag der Häftlinge zu geben und die Sicherheitsvorkehrungen im offenen Vollzug zu erläutern. 1996 waren die ersten Gefangenen in die Hafthäuser auf dem Erlenhof eingezogen, heute ist die Justizvollzugsanstalt mit rund 460 männlichen Häftlingen voll belegt.

Eignung im Blick

Gut 20 Prozent der mehr als 1700 Haftplätze in Nordrhein-Westfalen sind für den offenen Vollzug vorgesehen. Maßgeblich dafür ist die Eignung des einzelnen Gefangenen, also die Sicherheit, dass er sich weder der Strafe entzieht, noch neue Straftaten verübt. So halten sich in der Anstalt sowohl Häftlinge auf, die eine Ersatzstrafe verbüßen, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen können, als auch solche, die eine bis zu lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen.

Der offene Vollzug ist darauf ausgerichtet, die Entlassung der Gefangenen gut vorzubereiten. Denn gerade wer über eine lange Zeit in einem geschlossenen Vollzug in Haft war, "hat verlernt zu leben", erklärte Renate Gaddum die Schwierigkeit vieler Häftlinge, das eigene Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Die Justizvollzugsanstalt Euskirchen ist der einzige offene Vollzug in Nordrhein-Westfalen, der über eine sozialtherapeutische Abteilung verfügt. Hier beschäftigen sich Psychologen, Fachangestellte des Sozialdienstes und Mentoren mit den Gefangenen, insbesondere mit denjenigen, die Haftstrafen aufgrund von Sexual- und Gewaltdelikten zu verbüßen haben. Einzel- und Gruppengespräche sowie ein soziales Training dienen nicht nur dazu, die Schwächen der Einzelnen zu erkennen, sondern auch Fähigkeiten zu benennen und auszubauen. "Viele der Häftlinge leiden selbst unter dem, was sie getan haben, und sind regelrecht erschrocken über sich selbst", erläuterte Therapeutin Claudia Buschhüter. Der Anspruch an die Sozialtherapie sei es, den Gefangenen zu helfen, wieder ein soziales Umfeld aufzubauen. Denn wer in die Gesellschaft integriert ist, hat eine geringere Rückfallgefahr.

Obwohl auch in der Justizvollzugsanstalt die Veränderungen am Arbeitsmarkt zu spüren sind, befindet sich noch etwas mehr als ein Drittel der Insassen im freien Beschäftigungsverhältnis. Die anderen Häftlinge arbeiten auf dem Anstaltsgelände. Unter dem Bildungsträger TÜV Nord werden Qualifizierungsmaßnahmen in der Metallwerkstatt und im Garten- und Landschaftsbau angeboten. Darüber hinaus ist eine Kraft damit beschäftigt, die Häftlinge in ein externes Ausbildungsverhältnis zu vermitteln. Allein im letzten Jahr zählte die Anstalt 60 Auszubildende.

Im Erlenhof sind ausschließlich Männer untergebracht, das Durchschnittsalter beträgt 35 Jahre. Die Häftlinge sind gemeinschaftlich in den Hafthäusern untergebracht, ihre Freizeit können sie auf dem Gelände, in der Sportanlage, der Bibliothek oder dem Kirchencafé verbringen. Auch wer Ausgang hat, muss klare Regeln befolgen. Alkohol- und Drogenkonsum ist verboten, bei Verstößen droht die Verlegung in den geschlossenen Vollzug.

Erst einmal genutzt

Bei Flucht- oder Selbstmordgefahr werden die Betroffenen in separaten Transportzellen untergebracht. Der besonders gesicherte Haftraum wird nur in absoluten Notfällen belegt, etwa bei Gewalttätigkeit oder aus medizinischen Gründen. In dem kargen Raum liegt eine Matratze mit Fixierungsgurten. "Seit ich hier bin, haben wir den gesicherten Haftraum erst ein einziges Mal benutzen müssen. Aber nur, weil die Transportzellen alle belegt waren", so die Anstaltsleiterin.

Aus der beklemmenden Atmosphäre des Haftraums leitete sie die Besucher in die Gartenanlagen, die von den Häftlingen gepflegt werden. Akkurat stehen die jungen Bäume nebeneinander, ein Mann wässerte die Pflanzen im Gewächshaus, ein buntes Schild wies auf freilaufende Enten hin. Beim Basar nebenan erstanden viele Besucher noch bunte Spardosen oder Vogelhäuschen aus Holz.