PorträtBig-Band-Leader fand in Dahlem die nötige Stille
- Seit 1984 spielt der 55-Jährige Saxofon.
- 2004 erhielt er den WDR-Jazzpreis für seine Kompositionen.
Dahlem-Kronenburg – Komponisten brauchen Ruhe. Das gilt auch für den Jazz-Experten Frank Reinshagen. Der in Köln beschäftigte Dozent für Big-Band-Jazz und Leiter des Musikvereins Frohngau hat in Kronenburg seinen Rückzugsort gefunden.
Wenn man Vergleiche liebt, dann wäre sein Garten die größte Aufgabe, um aus einem Chor von Individualisten ein Ensemble zu bilden. Doch erstens liebt Frank Reinshagen sein verwildertes Biotop mit „an die 40 Vogelarten im und über dem Garten“, und zweitens ist ja nicht gesagt, dass Ordnung immer die bessere Lösung ist. Also blühen kunterbunt Narzissen, Gänseblümchen und Klee in der Frühlingssonne neben hohem Gras, Gehölzen und Bäumen. Und munteres vielstimmiges Gezwitscher ist ohnehin garantiert. Die wilde Idylle reicht bis zur Gartengrenze, die der akkurat geschnittene Rasen des Nachbarn dank der Arbeit des Hausmeisters im Haus für Lehrerfortbildung markiert.
Dozent an der Hochschule für Musik und Tanz
Vom Garten zum Big-Band-Jazz, wo die Instrumentengruppen viel, das Zusammenspiel aber alles ist. Wie man die Einzelstimmen arrangiert, wo Soli zu setzen sind, wie aus allem ein schlüssiges Gesamtbild wird – damit kennt sich der 55-Jährige aus. Seit dem Wintersemester 1999/2000 ist er Dozent an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, unterrichtet dort im Fach Arrangement und Komposition im Jazz und leitet auch die Bigband der Hochschule. 2004 erhielt er den WDR-Jazzpreis in der Sparte Komposition. „Den hat mittlerweile auch ein halbes Dutzend meiner Studenten“, so Reinshagen.
Köln und Jazz – das ist seit Jahrzehnten eine gute Kombination. Reinshagen ist zur Musik und dann zum Jazz früh gekommen. Schon als Kind war er aktiv im Musikverein seines Heimatortes Dottweiler im Saarland. Seit 1984 spielt er Saxophon. Als er später die Fachausbildung an der Hochschule in Köln begann, hatte er Lehrer, die die renommierte WDR-Big-Band leiteten oder dort mitspielten. Posaunist Jiggs Whigham stand damals dem Jazz-Seminar an der Hochschule vor, der legendäre Big-Band-Leader Jerry van Royen war Reinshagens Lehrer im Kompositionsfach, bei Heiner Wiberny lernte er sein Instrument, das Baritonsaxophon.
Lebensgefahr Mitte der 90er Jahre
Über die Lehrer erhielt Reinshagen wiederum Kontakt zur Bigband des Senders. Er hat für das Ensemble Stücke geschrieben und arbeitet als freier Jazzkomponist. In der Kölner Jazzszene ist Reinshagen ein Begriff – doch um ein Haar wäre aus dieser Karriere nichts geworden. Mitte der 1990er Jahre erlitt er eine lebensgefährliche Virusinfektion. Das Studium, den Komponistenjob musste er unterbrechen. Die vollständige Genesung dauerte lange. „Es ging Schritt für Schritt“, so Reinshagen, bis er auch beruflich die Chance zum Neustart als Dozent an der Hochschule erhielt. Bis dahin hatte er in Köln gelebt, doch es war klar: Der Gesundheit zuliebe sollte der Wegzug aus der Stadt in ein leiseres Umfeld erfolgen. 2002 zog er zunächst nach Mechernich, 2010 ins Häuschen in Kronenburg. Daran geriet er wohl eher zufällig: „Ich ging auf ein Mietwohnungen-Portal, der erste Eintrag war das Haus.“
Hier hat Reinshagen die Ruhe für seine Arbeit, hier geht der Jazzer seinem Hobby nach, dem Bogenbau-Sport – keine Instrumentenbögen. „Das hier ist österreichische Bergeibe“, sagt er und deutet auf einen Rohling im Hobbykeller. Um daraus ein Sportgerät zu machen, bedarf es Geduld und Sorgfalt. Beides braucht er auch bei seiner Arbeit mit dem Musikverein Frohngau, den Reinshagen seit fünf Jahren leitet. Auch für den Verein arrangiert er Stücke – Big-Band-Jazz gehört natürlich dazu. „Oder Helene-Fischer-Stücke. Das muss auch mal sein“, sagt Reinshagen und grinst. Bei Dienstantritt in Frohngau habe er sich lediglich eines ausbedungen: „Keine Märsche. Da hab’ ich es nicht so mit.“
Auf die Frohngauer Musiker lässt er so schnell nichts kommen. „Wenn ich sie dazu bringen kann, 100 Prozent ihres Potenzials abzurufen, dann kommt auch was dabei raus.“ Er selbst profitiere von der Arbeit mit dem großen Musikverein auch für den Hochschulunterricht.
Konzert am 28. Mai
Komponieren, arrangieren – was Frank Reinshagen da alles einfällt, konnte ein begeistertes Publikum im vergangenen September beim Konzert mit dem „Subway Jazz Orchestra“ aus Köln in Kronenburg erleben. Am kommenden Samstag, 28. Mai, ab 20.30 Uhr gibt es erneut ein Kölner Jazz-Gastspiel im Haus für Lehrerfortbildung.
„A Tribute to Joni Mitchell“ heißt das Konzert. Neben der Bigband der Hochschule werden vier Sängerinnen dabei sein, die auch Arrangements von Reinshagen von Mitchell-Songs interpretieren werden.
Karten im Vorverkauf kosten 15 Euro (an der Abendkasse 18 Euro) und sind unter anderem unter ☎ 06557/92070 erhältlich.