Inzidenzwert 6000Auch im Ort Bütgenbach geht das Leben weiter
Bütgenbach – Es war in der letzten Woche, als Deutschland erfuhr, dass es Bütgenbach gibt. Fernsehnachrichten und Presseberichte präsentierten den kleinen Ort in Ostbelgien. Denn angesichts der hohen Fallzahlen im benachbarten Königreich rückte auch der Ort ins Visier, der mit einer sagenhaften 14-Tage-Inzidenz von mehr als 6000 Fällen auf 100 000 Einwohner einen dramatischen Rekord produzierte.
Von menschenleeren Straßen wurde berichtet, Angst und gedrückter Stimmung. Ein Hotspot, gegen den Ischgl wie ein schwaches Flämmchen wirkte, und das in direkter Nachbarschaft zu der deutschen Gemeinde Hellenthal und der Stadt Monschau.
Belgischer Grenzort Bütgenbach
„Das ist alles andere als eine tote Stadt“, widerspricht Daniel Franzen, Bürgermeister von Bütgenbach, im Telefonat mit der Redaktion. Aber das, was manche Medien mit Bütgenbach gemacht hätten, sei vielen Bürgern aufs Gemüt geschlagen. So drückt er das aus, wofür die Eifeler vermutlich drastischere Worte wählen würden. Doch Franzen ist Bürgermeister, und so bleibt er höflich. Es sei immer wieder etwas draufgesetzt worden, das habe die Bürger traurig gemacht.
In der Tat wirkt Bütgenbach an diesem Samstagnachmittag nicht anders als sonst. Es ist nach wie vor die nette Kleinstadt nahe der deutsch-belgischen Grenze. Die Ostbelgier gehen den üblichen Samstagsbeschäftigungen nach: Sie arbeiten im Garten, renovieren, kaufen ein.
5600 Einwohner-Ort
Der Parkplatz vom Hotel „Bütgenbacher Hof“ ist voller Autos, auch mit Kennzeichen aus Luxemburg oder Deutschland. Und die Hauptattraktion des Ortes, der Bütgenbacher See, lockt Angler und Spaziergänger, wie er das immer tut. Mancher davon trägt eine Maske, andere wiederum nicht.
Und doch, die Inzidenz von 6000 Fällen auf 100 000 Einwohner war nun einmal da. Franzen versucht sie einzuordnen. „Die Zahl ist erschreckend“, gibt er zu. Doch wenn man die Zahl von 5600 Einwohnern, die Bütgenbach gerade einmal hat, auf 100 000 hochrechnet, dann könnten solche Werte zustande kommen. „Großstadt und Land sind nur schwer zu vergleichen“, hat er gelernt.
Kirmesfeiern waren Fehler
Keine Frage, auch die absoluten Zahlen sind hoch. 147 Menschen sind in der vergangenen Woche in Bütgenbach als corona-infiziert registriert worden, der Spitzenwert in der Deutschen Gemeinschaft (DG). Direkt dahinter rangieren die Stadt Eupen mit 146 und St. Vith mit 137 Neuinfektionen. Für ganz Ostbelgien sind laut Kontakt-Tracingzentrale der Deutschsprachigen Gemeinschaft 1584 Infektionen gemeldet worden, damit liegt der 14-Tage-Inzidenzwert, auf 100 000 Einwohner gerechnet, bei 2032.
Noch vor vier Wochen sah die Lage völlig anders aus. Während in der Wallonie die Corona-Zahlen in die Höhe schossen, schien Ostbelgien die Insel der Seligen zu sein, da dort kaum Infektionen zu verzeichnen waren. Doch während auch hier die Zahlen anstiegen, fanden in Recht bei St. Vith, Weywertz und Bütgenbach-Berg Mitte Oktober Kirmesfeiern statt, die heute von vielen als Ursprung der enormen Corona-Verbreitung angesehen werden.
Corona-Stationen in Krankenhäusern voll
„Ich möchte nichts schönreden, da sind Fehler gemacht worden“, sagt Franzen, der auch die dafür notwendige Genehmigung erteilte. Man sei nicht vorsichtig genug gewesen, sagt er selbstkritisch. Daraus hätten viele gelernt, die Maßnahmen ernster zu nehmen. „Es hat bei den Menschen Klick gemacht“, hat er festgestellt.
Schließlich seien in den beiden Krankenhäusern der DG in Eupen und St. Vith die Corona-Stationen voll. „Die Situation in Eupen vor Ort ist dramatisch“, weiß Franzen. Die Leute, die auf den Covid-Stationen arbeiten, sähen viel Leid. Und sie fühlten sich von der Politik mangelhaft unterstützt.
Einschränkungen wirken
Am Tag, da auch in Belgien ein Quasi-Lockdown in Kraft tritt, sieht Daniel Franzen die Lage schon entspannter. „Es sieht aus, als hätten wir das Maximum hinter uns, die schweren Tage sind vorüber“, hofft er. Binnen drei Tagen sei die Inzidenz um 1000 Punkte gefallen. Die vor zwei Wochen getroffenen Einschränkungen, die Gaststätten und Restaurants, Sport und Kultur, Proben und Zusammenkünfte eingeschränkt haben, hätten gewirkt.
Seit diesem Montag haben nun auch die meisten Geschäfte geschlossen, die nicht essenziell sind wie Supermärkte oder Baumärkte. Kontakte im eigenen Haus sind auf eine Person beschränkt. Für die Schüler werden die Herbstferien verlängert, danach gilt für manche Jahrgänge Fernunterricht, führt Franzen aus. Ob er sich strengere Maßnahmen wünsche? „Belgien wäre nicht Belgien, wenn es nicht viele Entscheidungsträger gebe“, sagt er diplomatisch.
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Für den kleinen Grenzverkehr ändere sich nichts. Einkäufe, Arztbesuche und Verwandtenbesuche seien weiterhin erlaubt. „Das soll auch so bleiben, wir sind alle froh damit“, betont er. Froh sei er, wenn es in den deutschen Nachbargemeinden Hellenthal und Monschau ähnliche Maßnahmen wie in Belgien gebe, um Ausweicheffekte zu vermeiden. Und Reisen? „Ich persönlich bleibe lieber zuhause, als unter den augenblicklichen Umständen eine Reise auf mich zu nehmen“, sagt er.